Vor rund 3,7 Milliarden Jahren war er der Star des Sonnensystems, die blaue Perle: der Mars. Einst gab es große Mengen an flüssigem Wasser auf der Oberfläche. Unter anderem bedeckte wohl ein riesiger Ozean große Teile der Nordhalbkugel unseres Bruders (via science.org).
Jetzt aber ist er ein von Roststaub überzogener, orange-roter Planet. Sein Wasser nahm zwischen damals und heute nach aktuellem Kenntnisstand zwei Wege: nach oben und nach unten.
Als das Magnetfeld des Mars verschwand, rissen die Sonnenwinde die meiste Nässe von der Oberfläche. Ein Teil aber entkam wohl auch durch Öffnungen in den Untergrund; das Wasser versickerte und folgte der Gravitation, um sich für Milliarden Jahre jeglichen Blick zu entziehen. Darüber wölbt sich seitdem eine dünne Atmosphäre, die zu 95 Prozent aus Kohlenstoffdioxid besteht.
Eine Studie will nun genau dieses verloren geglaubte Wasser in der Kruste des Planeten gefunden haben: Mitunter umspanne in 11,5 bis 20 Kilometern Tiefe eine dicke Schicht an flüssigem Wasser unterirdisch den kompletten Mars. Es könnte genug sein, um die gesamte Oberfläche des Mars mehr als 1.000 Meter hoch zu bedecken.
Wasservorkommen dieser Art wären keine Premiere im Sonnensystem: Die Erde verfügt über solche in Masse. Dennoch wären sie auf dem Mars eine Sensation. Denn nicht nur sollen die Mengen Kilometer unterhalb der Oberfläche gigantisch sein, auch könnten sie als Rückzugsort vom Leben auf dem Mars dienen. Wissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) melden aber Zweifel an.
Wir haben mit einer von ihnen gesprochen.
Zweifelhafte Studie zu Wasser in der Kruste des Mars
Brigitte Knapmeyer-Endrun arbeitet für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt beim Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (via DLR). Unter anderem wirkte sie an der InSight-Mission mit, die mittels seismischer Wellen das Innere des Mars untersucht hat. Und mit diesen Daten hat auch das Team hinter der neuen Studie zum Mars-Wasser in der Kruste gearbeitet.
Angenommen, wir sind auf dem Mars, dafür brauchen wir sein Wasser:
Selbst wenn wir einmal annehmen, dass der Großteil des für den direkten Verzehr vorgesehenen Wassers mitgenommen und recycelt wird, bleiben diese Anwendungsfelder für das marsianische Wasser:
- Treibstoffgewinnung: Mithilfe von vor Ort gewinnbaren Kohlenstoff aus der Atmosphäre kann Treibstoff hergestellt werden, zum Beispiel das Methan für das Starship. Dies hat Elon Musk bereits vor Jahren für die Marsmissionen von SpaceX als klares Ziel ausgegeben.
- Industrie und Fertigung: Wasser wird auf Erden mannigfaltig genutzt, um aus Rohstoffen Produkte aller Art herzustellen. Entweder als Zutat oder unterstützendes Element. Das wäre auf dem Mars nicht anders.
- Bewässerung für die Landwirtschaft: Wollen wir auf dem Mars dauerhaft bleiben, müssten wir Nahrung anbauen. Hierzu könnte das Wasser eingesetzt werden.
- Kühlung und Abschirmung: Mit dem Wasser könnten Anlagen gekühlt oder auch Bereiche zusätzlich vor Strahlung abgeschirmt werden. Wasser ist ein effektiver natürlicher Schutzschild.
»An der Studie ist einiges zu kritisieren«, eröffnet Brigitte Knapmeyer-Endrun. »Diese vermuteten Wasservorkommen in der Kruste gibt es in diesem Ausmaß nach aktuellen Erkenntnissen nicht. Sie sind mit den vorhandenen Seismogramm-Daten nicht zu belegen.«
Zusammenfassen lassen sich die von ihr im Gespräch dargestellten Mängel folgendermaßen:
Alle bisherigen Analysen der seismischen Daten zu der Gegend, in der der InSight-Lander steht, deuten laut ihr eher auf trockene Verhältnisse im Untergrund hin. Die angenommenen Gesteinseigenschaften seien zudem etwas unsystematisch aus verschiedenen Studien kombiniert und dadurch uneinheitlich. Die Autoren wählen ihre Literatur sehr selektiv aus
, stellt die Forscherin vom DLR fest. So würden Erkenntnisse aus jüngerer Vergangenheit ignoriert.
Die Autoren hätten etwa Angaben für die Dichte verwendet, die laut allen aktuellen Erkenntnissen zu niedrig für die Kruste sind. Abgesehen davon würden Hinweise auf Wasser unterhalb des Landers von InSight auch nur für diesen Ort gelten.
Dessen Beschaffenheit ist nachweislich anders als allein schon die von direkt benachbarten Regionen des Mars; geschweige denn von welchen Tausende Kilometer entfernt. So könne von hier nicht auf den Rest des Planeten geschlossen werden.
Der Mars ist ein Planet, keine Provinz. Es kann aktuell anhand der Daten nicht von großen Wassermengen in der Kruste unter InSight und noch weniger von einem planetenweiten, unterirdischen Wasserreservoir ausgegangen werden.
Brigitte Knapmeyer-Endrun, DLR
Theoretisch könnte es groß angelegte unterirdische Wasservorkommen auf dem Mars geben – aber nicht in der von InSight untersuchten Gegend, folgert sie. Und über andere Gebiete lasse sich anhand der vorhandenen seismischen Daten keine Aussage treffen.
Eine weitere Studie untersucht die Idee von Wasser unter InSight ebenfalls. Hieraus ergibt sich ein differenziertes Bild. Sie sieht auf alle Fälle die Notwendigkeit für weitere Untersuchungen und weist darauf hin, dass es für die Daten auch andere Erklärungen als eine mit Wassergesättigte Krustenschicht in großer Tiefe geben könnte.
Annahme: Es gibt ein Vorkommen, wie müssten wir es uns vorstellen?
Wir gehen an dieser Stelle aber mal von einem örtlich begrenzten, unterirdischen Reservoir irgendwo auf dem Mars aus. Wie würde das aussehen? Wir haben hierfür mit dem Doktoranden Javier Eduardo Suarez Valencia gesprochen. Er ist spezialisiert auf die Geologie von außerirdischen Planeten und forscht derzeit an der Constructors University in Bremen.
Wer an einen unterirdischen Fluss oder See denkt, irrt. Vielmehr würde es sich dabei um poröses Gestein handeln, durch das sich Risse ziehen. Diese kleinen Hohlräume und Risse stellen ein verflochtendes Netz dar, das sich über immense Distanzen erstreckt.
Aber: »In theoretisch möglichen, feuchten Zonen der Kruste könnte Leben existieren«, stellt er in Aussicht. Fernab von der lebensfeindlichen Atmosphäre und des ungebremsten Sonnenwindes könnten hier zumindest einfache Lebewesen, wie Kolonien von Bakterien, überleben.
Allerdings bliebe ein Anbohren dieser hypothetischen Vorkommen nach heutigem Stand der Technik reine Fantasie – egal ob zur Wassergewinnung oder zu ihrer Erforschung. Denn auch wenn wir es auf Erden routiniert beim Abbau von Gas und Öl auf mehrere Kilometer Tiefe bringen und der Rekord bei rund 12 Kilometern Tiefe liegt, wäre dies auf dem Mars auch in naher Zukunft kaum durchführbar.
Der Material- und Personalaufwand wäre gigantisch – geschweige denn die technischen Hürden vor einer Tiefenbohrung auf einem fremden Planeten.
Wo ist heute noch sicher Wasser zu finden?
Es gibt nachweislich Wasser auf dem Mars, und zwar:
- Wasserdampf kommt in winzigen Anteilen (weniger als 0,05 Prozent) noch in der Atmosphäre vor.
- Wasser liegt vor allem in höheren Breitengraden als Eis im Boden vor (via Spiegel).
- Die Pole des Mars sind von dickem Eis bedeckt. Allerdings ist es durchmischt mit gefrorenem Kohlenstoffdioxid und Staub (via DLR).
- In tiefen Kratern befinden sich Wassereisvorkommen, die einige Dutzend Zentimeter dick sind, aber auch größere Bodenflächen bedecken. Sie sind hier geschützt vor der Sonne (via DLR).
- Flüssiges Wasser wurde unterhalb großflächiger Eisvorkommen am Südpol entdeckt (via Deutschlandfunk).
- In warmen Jahreszeiten tritt es auch kurzzeitig fließend auf der Oberfläche in schmalen, stark salzhaltigen Rinnsälen auf. Dabei handelt es sich quasi um Salzkristalle, die durch atmosphärischen Wasserdampf gelöst werden (via Nationalgeographic).
Wassereis verdampft auf dem Mars übrigens direkt, anstatt erst zu schmelzen - auch Sublimation genannt. Verantwortlich hierfür ist der geringe Luftdruck, die mittlere Lufttemperatur von -63 Grad Celsius wäre auf Erden stets ausreichend für Eisbildung und seine Erhaltung.
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