»Wenn Menschen eine Maske tragen, haben sie auch etwas zu verbergen«, sagt Alex Epstein, während er uns beim Besuch in der Redaktion die neueste Version von We Happy Few zeigt. Er muss es wissen, immerhin hat er als Narrative Director von Entwickler Compulsion Games die Geschichte selbst geschrieben. In deren Mittelpunkt stehen die Bewohner einer englischen Kleinstadt in den 60er-Jahren, die in einem fiktiven Parallel-Universum mit den Folgen eines alternativen Zweiten Weltkriegs kämpfen.
Oder besser gesagt: die Wahrheit verdrängen. Denn zum Glück gibt es Joy, eine Droge, die alle Probleme in Luft auflöst und die Welt in bunten Farben erscheinen lässt. Ratteninnereien werden da zu köstlichen Piñata-Süßigkeiten, Erbrochenes verwandelt sich in Schmetterlinge. Die Bewohner von Wellington Wells haben allerdings keine Wahl, ob sie Joy nehmen wollen oder nicht. Sie müssen. Denn die Polizei jagt jeden, dem die drogenverursachte Freude nicht direkt aus dem Gesicht springt.
Es ist diese Mischung aus fröhlicher Illusion und düsterer Wahrheit, die den unheimlichen und stimmungsvollen Stil von We Happy Few ausmacht. Das Problem: Von dieser spannenden Ausgangssituation abgesehen gab es von der eigentlichen Geschichte bislang kaum etwas zu sehen.
Was zuletzt geschah
In der Early-Access-Version von We Happy Few könnt ihr bislang nur als Arthur spielen, ein unscheinbarer Bürohengst, dessen Tagesgeschäft das Zensieren unerwünschter Zeitungsartikel vorsieht. Doch eines Tages trifft Arthur eine mutige Entscheidung: Er will Joy nicht länger nehmen!
Natürlich geht das schief. Arthurs Kollegen finden schnell heraus, dass mit ihm etwas nicht stimmt und verpfeifen ihn. Denn Downer, so der Name für Menschen, die Joy verweigern, haben keinen Platz in der Gesellschaft und müssen bestraft werden. Von jetzt an befindet sich Arthur auf der Flucht.
Wo ist die Early-Access-Version?
Obwohl sich We Happy Few seit Juli 2016 im Early Access befindet, könnt ihr das Spiel seit Februar nicht mehr kaufen. Die Entwickler reagierten damit auf das negative Feedback der Spieler, die einen hohen Preis und fehlenden Content der Version monierten. Darum kehrt We Happy Few erst kurz vor Release auf Steam zurück.
In der Early-Access-Version endet die Geschichte kurz nach dieser Stelle. Die gesamte Story des finalen Spiels erstreckt sich laut den Entwicklern auf rund 20 Stunden. Ihr verbringt aber nur die Hälfte davon mit Arthur. Zu Release gibt es nämlich nicht mehr nur einen, sondern gleich drei Charaktere und damit auch drei Kampagne, von denen wir nun die Prologe spielen konnten.
Arthur ist nicht mehr allein
Wenn ihr die Kampagne mit Arthur beendet habt, schaltet ihr Sally frei, eine begabte Chemikerin, die von ihren Mitmenschen geliebt und bewundert wird. Da sie diejenige ist, die neue Geschmacksrichtungen für Joy herstellt, zollen ihr sogar die Wachen Respekt. Dass sie dennoch ein extrem gefährliches Leben führt, liegt an ihrem Geheimnis, das sie in große Schwierigkeit bringen kann.
Spielt ihr We Happy Few mit Sally durch, beginnt der finale Durchgang mit Ollie. Der ist ein ehemaliger Soldat, der direkt unter dem General gedient hat. Im Gegensatz zur beliebten Sally hasst er seine Mitmenschen und sie hassen ihn. Seine Erinnerungen schwimmen in einem trüben und undurchsichtigen Meer und er spricht mit Menschen, die gar nicht da sind.
Der Kniff: Die drei Bewohner treffen sich mehrfach im Laufe der Geschichte und ihr entscheidet teilweise, wie sie dabei reagieren. Beim Spieldurchgang mit der nächsten Figur erlebt ihr diese Momente dann erneut, nur aus einer anderen Perspektive.
Für noch mehr Handlung verstecken sich in der Spielwelt über 20 Masken, die kurze Flashbacks auslösen. So erfahren wir beispielsweise mehr über Arthurs Bruder Percy. Der Krieg hat die beiden voneinander getrennt, jetzt kehren Arthurs Erinnerungen zurück.
Überleben 2.0
Die drei Spielfiguren wirken sich aber nicht nur auf die Handlung aus, sondern auch aufs Survival-Gameplay. Jeder von ihnen besitzt einzigartige Fähigkeiten sowie Vor- und Nachteile. Sally ist zwar nicht die beste Nahkämpferin, hat dafür aber ein Talent für subtileres Vorgehen. So haben wir während der Anspiel-Session einen ungebetenen Gast von hinten mit einer Spritze erwischt.
Ollie setzt hingegen auf brachiale Methoden und schwingt in Konfliktsituation bevorzugt die Fäuste. Arthur fällt es mit seinem unauffälligen Erscheinungsbild von allen drei Charakteren am leichtesten, in Menschenansammlungen unterzutauchen.
So kämpft jeder auf seine eigene Art ums Überleben - ach ja, überleben! We Happy Few ist nach wie vor ein Survival-Adventure, soll heißen: Ihr müsst essen, trinken und schlafen, um eure Bedürfnisse zu stillen. Allerdings wird das Spiel einen leeren Magen und eine trockene Kehle in der Verkaufsversion weniger streng bestrafen als noch im Early Access.
Wenn ihr eure Bedürfnisse zu stark vernachlässigt, droht nun nicht mehr der Tod, sondern nur noch ein Malus auf die Charakterwerte, etwa weniger Ausdauer fürs Sprinten und Kämpfen. Auf der anderen Seite erhaltet ihr Boni, wenn eure Figuren besonders fit sind.
Mehr Handlung, weniger Überlebenszwang, abwechslungsreiche Figuren - We Happy Few befindet sich auf dem richtigen Weg. Die Prologe der drei Charaktere haben uns gut gefallen, jetzt müssen die Entwickler von Compulsion Games zeigen, dass sie das Tempo auch übers gesamte Spiel halten können.
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