Microsofts Zurückrudern bei Xbox Gold zeigt, was Abo-Services so gefährlich macht

Doch keine Preiserhöhung für Xbox Gold, aber für Heiko immer noch eine Warnung, dass Abo-Services wie der Game Pass nicht nur Vorteile haben. Denn sie ändern entscheidend die Beziehung zwischen Anbietern und Kunden.

Microsoft hat einen Lauf. Die Gaming-Umsätze sind laut offiziellen Angaben von Oktober bis Dezember um satte 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Zum einen dank des erfolgreichsten Konsolen-Launches der Unternehmensgeschichte. Zum anderen aber auch wegen eines 40-prozentigen Gewinnanstiegs im Segment »Xbox Content and Services«. Zu denen zählen auch die Angebote Xbox Gold sowie das Game Pass Abo.

Und was macht jemand, der einen Lauf hat? Er wird gern übermütig. Im Fall von Microsoft hieß dies, dass sie am 22. Januar eine signifikante Preiserhöhung für Xbox Live Gold angekündigten - bei einer einmonatigen Mitgliedschaft etwa von 6,99 Euro auf 8,99 Euro, also mal eben 28,6 Prozent mehr.

Nur 24 Stunden und tausende wütende Twitter-Postings später dann der reumütige Rückzug, sogar samt einer persönlichen Entschuldigung von Xbox-Chef Phil Spencer. Die Preise bleiben wie sie sind und - mehr noch - Free2Play-Titel werden auf der Xbox künftig auch ohne Gold-Abo spielbar sein.

Also alles gut? Die Kunden haben gesiegt? Ich wünschte, es wäre so einfach. Aber ich befürchte, dass diese Aktion von Microsoft nur einen ersten kleinen Vorgeschmack auf das liefert, was uns bevorsteht, wenn sich Abo-Services im Gaming-Segment durchsetzen. Und ja, ich habe bewusst »wenn« geschrieben, nicht »falls«.

Der Autor

Dass GameStar-Chefredakteur Heiko Klinge prinzipiell kein Problem mit Abo-Services hat, lässt sich eventuell daraus ablesen, welche er aktuell bezieht: Netflix, Amazon Prime, Disney+, Sky, Apple TV+, Spotify, Game Pass Ultimate, 11Freunde und - natürlich - GameStar Plus. Er rechtfertigt das vor sich mit dem gesparten Geld für Zigaretten, weil er Nichtraucher ist. Allerdings gibt er nach wie vor ganz bewusst auch Geld für Einzelprodukte aus. Aktuell gezwungenermaßen in erster Linie für Spiele, hoffentlich bald wieder auch für Kino, Konzerte und Stadionbesuche.

Was steckte hinter dem Preiserhöhungsversuch?

Aber was wollte Microsoft mit dem teureren Preis überhaupt erreichen? ? Und was hat dies mit dem Game Pass und uns PC-Spielern zu tun? Ich bin überzeugt, dass die drastische Preiserhöhung von Xbox Live Gold nur einen einzigen Zweck hatte, nämlich die Kunden in den Game Pass Ultimate zu treiben.

Das teuerste Abo-Modell von Microsoft enthält nämlich nicht nur Hunderte Spiele, sondern eben auch Xbox Live und EA Play. Microsoft spekulierte auf die naheliegende Kundenüberlegung: »Wenn ich eh schon 9 Euro für Xbox Live ausgeben muss, dann kann ich auch gleich vier Euro mehr zahlen und das deutlich bessere Preis-Leistungs-Verhältnis des Game Pass Ultimate nehmen.«

Für Abo-Anbieter ist der teuerste Service stets der Lukrativste, denn der Großteil der Kosten (Verwaltung, Server, Produktion etc.) bleibt für sie gleich - egal ob ihr nun das günstigste oder teuerste Angebot abschließt. Kein Wunder also, wo die Prioritäten von Microsoft liegen.

Game Pass: Shop-Seite Die Aufmachung der Game-Pass-Seite gibt einen dezenten Hinweis darauf, welches Abo-Preismodell Microsoft am liebsten wäre.

Abomodell-Auswahl Solltet ihr euch trotzdem auf den »Alle Pläne ansehen«-Link verirren, macht Microsoft euch abermals deutlich, welches Abo ihr doch bitteschön abschließen sollt.

Warum konnte sich das Microsoft erlauben?

Ja, das Preiserhöhungs-Experiment ist böse nach hinten los gegangen. Aber es war eben auch nur ein Experiment, dessen Schaden sich in Grenzen hielt. Weil Microsoft schnell reagiert hat. Aber vor allem, weil wir uns erst ganz am Anfang in der Entwicklung hin zu Spiele-Abos befinden.

Nur zum Vergleich: Laut dem oben erwähnten Microsoft-Reporting stehen sie gerade bei 18 Millionen Abonnenten. Ein Spotify lag im dritten Quartal 2020 bei 144 Millionen, Netflix bei über 195 Millionen. Heißt im Klartext, dass wir uns im Gaming-Segment noch in der Wettbewerbsphase befinden, wo um jeden Kunden hart gekämpft. Das wird sich ändern, sobald die Sieger feststehen - egal ob sie nun Microsoft, Sony, Epic oder vielleicht sogar Amazon heißen. Es ist kein Zufall, dass bei den Streaming-Services innerhalb weniger Wochen sowohl Netflix als auch Disney+ ihre Preise erhöht haben.

Natürlich könnt ihr ein Abo kündigen, wenn euch die Preise nicht mehr passen. Aber das Fiese, beziehungsweise aus Unternehmenssicht Schöne an diesem Vertriebsmodell ist, dass die Kosten im Alltag so wenig präsent sind. 60 Euro im Shop für ein Spiel zu bezahlen ist ein viel bewussteres Geldausgeben als das monatliche Abbuchen eines Abobetrags.

Wie viel habt ihr früher pro Monat für Kino und DVDs ausgegeben? Und was zahlt ihr heute für Streaming? Bei den meisten von uns dürfte die Rechnung sehr ungleich ausfallen. Ganz im Sinne der Abo-Dienstleister. Und weniger im Sinne von Spiele-Entwicklern. Im Devplay-Video erklären sie euch warum.

(Dystopische) Zukunft: Wie sich Abo-Services auf Spiele-Entwicklerstudios auswirken Video starten PLUS 32:49 (Dystopische) Zukunft: Wie sich Abo-Services auf Spiele-Entwicklerstudios auswirken

Was sind uns Abo-Services wirklich wert?

Hinzu kommt, dass wir bei Abos oft sehr schwer greifen können, was das Produkt eigentlich wert ist. Xbox Gold kostet separat 7 Euro im Monat, ist aber im Game Pass Ultimate enthalten, der wiederum nur 3 Euro mehr kostet als die normale Game-Pass-Variante ohne Gold und dazu bald noch EA Play enthalten wird, für das Electronic Arts separat wiederum 4 Euro im Monat veranschlagt. Hä?

Dieser Effekt ist gewünscht, wir sollen einfach das Premium-Abo »mit allem« nehmen und nicht länger drüber nachdenken. Und es bedeutet vergleichsweise wenig Risiko für die Anbieter, mit diesen abstrakten Preisen und Modellen zu experimentieren.

Bei der Xbox-Live-Preiserhöhung haben wir gesehen, wie schnell so etwas gehen und auch wieder zurückgenommen werden kann. Huch, kam nicht gut an? Okay, war wohl noch zu früh oder zu plump. Erhöhung zurücknehmen, entschuldigen, Schwamm drüber, später nochmal probieren, vielleicht dann mit schlauerer Begründung.

Je weniger Unternehmen einen Markt unter sich aufteilen, desto mehr können sie sich erlauben. Wohin das führt, sehen wir bei Spotify, wo die meisten Künstler an ihrer Musik so gut wie nichts mehr verdienen. Oder aus Kundensicht bei den jüngsten Preiserhöhungen von Netflix & Co.

Natürlich haben Gaming-Abos auch viele Vorteile. Aber alles hat seinen Preis, im wahrsten Sinne des Wortes. Und das sollten wir nicht nur uns selbst, sondern auch den Anbietern immer wieder bewusst machen.

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