Es ist offiziell: Ich bin ein Kunstbanause

Rezension: „Portal“ – Plattform: Steam

von ModuGames am: 14.02.2021

Ich bin kontroversen Wertungen bekanntermaßen nicht abgeneigt. Aber selten ist meine Einschätzung so weit vom allgemeinen Konsens abgewichen wie beim Gegenstand meiner heutigen Rezension: Portal. Das Spiel war damals im Jahr 2007 eigentlich nur eine Dreingabe zu Valves Orange Box, die sich die meisten Leute wegen Half-Life 2: Episode Two oder Team Fortress 2 gekauft haben. Das vermeintlich unauffällige Puzzleabenteuer hat sich seitdem jedoch zum Fanliebling gemausert und gilt als eines der besten Spiele aller Zeiten. Zum Vergleich: Portal hat von der GameStar eine Wertung von 90 bekommen, der Durchschnitt der Community-Wertung liegt sogar bei 91. Auch die internationale Presse hatte für dieses Spiel nichts als Lob übrig, wie der Metascore von 90% beweist. Und ich – ich sehe die Sache etwas anders.

Nette Rätsel mit Portalen

Unsere Spielfigur erwacht in einem abgetrennten Raum innerhalb eines Labors. In unserer Kammer finden wir nichts außer einem Bett, einer Toilette und einem Radio. Da wir das Spiel aus der Egoperspektive erleben, fühlen wir uns augenblicklich beengt und unwohl. Schon bald werden wir von einer elektronischen Frauenstimme dazu aufgefordert, uns mehreren Tests zu unterziehen. Wir spielen in Portal nämlich ein Versuchskaninchen (metaphorisch gesprochen) für die Firma Aperture. Nur ist es nicht unser Job, Kosmetikprodukte oder dergleichen auszutesten, sondern wir sollen mehrere Kammern mit Physikrätseln bewätigen. Zu diesem Zweck bekommen wir die sogenannte portal gun, die genau das tut, was ihr Name verspricht: Sie erzeugt zwei Portale, die es uns ermöglichen, komplett unterschiedliche Orte miteinander zu verbinden. Nicht nur wir selbst können durch diese Portale hindurchgehen, wir können mit ihnen auch Gegenstände und sogar Energie transportieren.

 

Die portal gun kann ein blaues und ein orangenes Portal verschießen. Diese Durchgänge können jedoch nur auf bestimmten Oberflächen angebracht werden. 

Die Rätsel sind um diese Portalkanone herum aufgebaut: Unter anderem muss man Druckplatten mit Kisten beschweren, Energieschalter aktivieren oder mit den Portalen Abgründe überwinden, wobei man Portale nicht an jeder Oberfläche anbringen kann, was einige Rätsel schön knifflig macht. Dazu müssen wir uns noch mit kleinen Geschütztürmen herumschlagen, die jedoch keine große Herausforderung darstellen. In den meisten Fällen teleportiert man sich hinter sie und wirft sie um. Insgesamt ist der Schwierigkeitsgrad angenehm: Die Rätsel sind anspruchsvoll, aber allesamt machbar. Wenn ich eine Kammer nicht geschafft und die Lösung nachgeschaut habe, hat sich immer herausgestellt, dass ich einfach nur nicht genau genug hingesehen oder etwas vergessen hatte, was aber nicht die Schuld des Spiels ist. Das ganze sieht auch noch ansprechend aus. Für ein Spiel aus dem Jahr 2007 macht Portal eine enorm gute Figur. Tatsächlich hatte ich immer das Gefühl, dass die Source Engine, auf der das Spiel basiert, ohnehin einen sehr „klinischen“ Look hat, was tatsächlich hervorragend zum Stil von Portal passt.

Wo ist der Haken?

Die einzige Person, mit der wir interagieren, ist die bereits angesprochene Stimme. Dabei handelt es sich um eine KI namens GLaDOS. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie uns anfangs unzuverlässige Informationen liefert und uns gegen Ende des Spiels sogar umbringen möchte. Je mehr man in Portal voranschreitet, desto mehr fallen die Systeme des Labors in sich zusammen. Wir nutzen dies natürlich, um auszubrechen. Das Spiel endet nach zwei bis drei Stunden (so lange habe ich jedenfalls dafür gebraucht), man kann Portal aber auch in einer Stunde oder weniger abschließen, wenn man es wirklich darauf anlegt. Außerdem bietet das Spiel „Testkammern für Fortgeschrittene“ und „Herausforderungen“. Dabei handelt es sich um Abschnitte der Geschichte, die leicht modifiziert wurden, um schwieriger zu sein. Da ich die Level aber schon kenne und der Kontext der Erzählung fehlt, sind diese Modi für mich nicht interessant.

GLaDOS bedient hier einen Raketenwerfer, der uns das Leben schwer machen soll. Wir leiten die Projektile mit Hilfe der Portale um.

Zwei bis drei Stunden Spielzeit also. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die eine Mindestlänge von xy Stunden brauchen, aber wenn ein Spiel so kurz ist, dann muss diese kurze Zeit auch erstklassig sein. Leider kommen mir bei diesem Spiel einige Aspekte zu kurz. Zum Beispiel hat die Protagonistin (man erkennt, dass sie eine Frau ist, anhand der Spiegelungen in unseren Portalen) absolut keine Persönlichkeit. Ich weiß nichts über ihre Hintergrundgeschichte, ich weiß nichts über ihre Motive – sie ist mir egal. Wenn diese Informationen irgendwo existieren, dann gibt sich Portal außerordentlich viel Mühe, um sie zu verstecken, was ja auch nicht der Sinn der Sache ist. Kommen wir also zu GLaDOS. Die KI-Dame ist zugegebenermaßen recht unterhaltsam. Sie besticht durch ihren schwarzen Humor, der mir jedoch nie mehr als ein Schmunzeln entlocken konnte. Ich will hier gar nicht behaupten, dass GLaDOS eine schlechte Figur wäre – tatsächlich ist dieser Moment, in dem man realisiert, dass sie uns töten will, ziemlich gut – aber ihre Sprüche werden irgendwann relativ vorhersehbar und ich habe auch keine sonderlich große Bindung zu ihr. Das Ende bzw. die Credits des Spiels werden oft lobend erwähnt und ich verstehe warum, aber ich finde diese Elemente von Portal eben nur „ganz nett“.

Fazit

Portal reiht sich, ähnlich wie Limbo, in meine Liste von Spielen ein, deren Genie sich mir nie ganz erschlossen hat. Natürlich spricht viel für diesen Titel: Portal bietet knifflige, aber faire Rätsel, die nur wenig Monotonie aufweisen. Auch die Idee, dass man ein Versuchskaninchen spielt und das System überlistet, ist spannend, zumal GLaDOS auch noch einige ganz lustige Sprüche auf Lager hat. Ich kann allerdings nicht behaupten, dass ich mich hervorragend unterhalten gefühlt habe. Dafür war meine Bindung zu schwach, sowohl zur Protagonistin als auch zur fiesen KI-Dame. Auch umfangsmäßig ist das Spiel nicht sonderlich stark. Ich denke, die Faszination, die von Portal ausgeht, hat vor allem mit dem historischen Kontext zu tun. Es war damals wirklich innovativ und konnte mit seinen cleveren Puzzlen eine Alternative zu den gängigen Mainstream-Titeln bieten. Seit dem Aufkommen der Indie-Spiel sind solche Gameplaymechaniken aber nicht mehr so bahnbrechend, wie sie einst waren. Und da ich Spiele so bewerte, wie ich sie jetzt (also im Jahr 2021) wahrnehme, halte ich Portal nach wie vor für ein gutes, aber keinesfalls für ein brilliantes Werk. Vielleicht habe ich aber auch einfach keine Ahnung, von was ich rede.


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



Kommentare(6)
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