Seite 2: Amoklauf in Winnenden - Interview mit Angela Ittel - »Gewalt in den Medien führt nicht zu Gewalttaten«

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Ausschließlich gewaltfreies Fernsehen (wie hier Mickey Mouse) kann keine Lösung sein. Ausschließlich gewaltfreies Fernsehen (wie hier Mickey Mouse) kann keine Lösung sein.

GameStar: Gibt es Vorzeichen, auf die Eltern, Lehrer, Freunde und Verwandte achten müssen?

Angela Ittel: Der Aspekt früherer psychiatrischer Störungen oder stationärer Aufenthalte des Täters ist derzeit weitgehend ungeklärt. Wir wissen nicht, wie häufig oder ob überhaupt der Täter in Behandlung war. Fest zu stehen scheint aber, dass er Anzeichen für eine Depression hatte, was auch nicht untypisch wäre. Häufig -- aber nicht immer-- gibt es Warnzeichen, wenn die Personen anderen über ihr Vorhaben (meist recht kurzfristig) erzählen oder zumindest ernstzunehmende Andeutungen machen. Diese Andeutungen auf Pläne für eine solche Tat werden »leaking« genannt und sollten unbedingt ernst genommen werden, um präventiv einzugreifen.

GameStar: Wenn ich als Bürger der Meinung bin, ein Jugendlicher in meinem Umfeld ist gefährdet, welche Möglichkeiten habe ich, auf diesen Menschen einzuwirken?

Angela Ittel: Ganz wichtig ist es, so viele Personen wie möglich aus dem sozialen Umfeld der betroffenen Person einzubeziehen, um ein Netzwerk an Kommunikationsstrukturen zu schaffen. Häufig fühlen sich die betroffenen Personen von ihrer Umwelt nicht ernst genommen und leiden unter Einsamkeit, evt. Mobbing-Erfahrungen oder schweren (zwischenmenschlichen) Enttäuschungen. Dies gilt es aufzugreifen, um Schlimmeres zu verhindern. Allerdings ist ein Eingreifen meist sehr schwer, weil man die Anzeichen einfach zu spät erkennt. Es ist immer dringend zu raten, professionelle Hilfe im Umgang mit gefährdeten Personen mit einzubeziehen.

GameStar: Wir befinden uns in einem so genannten »Super-Wahljahr«. Politiker wollen sich als tatkräftig präsentieren und fordern nach solchen Taten in blindem Aktionismus Verbote gewalthaltiger Medien. Halten Sie dies für eine sinnvolle Lösung und glauben Sie, dass wenn es -- überspitzt gesagt -- nur noch Mickey Mouse-Spiele und Mickey Mouse-Sendungen im Fernsehen geben würde, die Gewaltbereitschaft unter Jugendlichenzurückgehen würde?

Angela Ittel: Zum Einfluss von Medien auf Gewalt wurde weiter oben schon etwas gesagt. Medien machen nicht gewalttätig, aber wenn eine Person sich exzessiv gewalthaltigen Inhalten in Medien aussetzt, ist die Gefahr groß, dass die Hemmschwelle norm sinkt. Die Gefahr dieser Frage liegt aber in der Überspitzung. Natürlich ist es nicht sinnvoll, alle gewalthaltigen Medien zu verbieten und nur noch »Mickey Mouse« (deren Auftritte übrigens auch recht gewalthaltig sind) anzubieten. Personen, die Killerspiele spielen wollen, werden dies auch weiterhin tun. Wichtig ist aber, dass Eltern, Lehrer, Kollegen und Freunde von Anfang an mit Personen über die Inhalte von Medien und deren potentielle Wirkung sprechen. Eltern wissen allzu häufig nicht, was ihre Kinder im Internet oder am Computer machen und fühlen sich (teils aus mangelnder Medienkenntniss) überfordert -- ebenso wie viele Lehrer. Kinder und Jugendliche schaffen sich dadurch ihre persönlichen medialen Nischen und Freiräume, was potentiell als Risikofaktor zur exzessiven Beschäftigung führen kann.

GameStar: Sind solche Verbote eine notwendige Komponente in einem »Präventions-Mix«, der auch andere Maßnahmen (Schulpsychologen etc.) enhalten würde?

Angela Ittel: Eine sinnvolle Prävention ist nur mit einem »Mix« von Angeboten möglich. Es ist zudem unabdingbar, vertrauenswürdige Ansprechpartner in Schulen zu schaffen, die -- neben dem Lehrer -- den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bieten, ihre Anliegen vorzubringen. Die Familienministerin van der Leyen hat zudem kürzlichst ein Modell für Lehrer und Eltern vorgestellt, um die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen beiden Partnern zu stärken. Auch müssen betroffenen Personen individuell gefördert und behandelt werden, um ihr Selbstbewusstsein und Akzeptanz zu stärken; um ihnen Strategien an die Hand zu geben, ihre aktuelle Lebenskrise ohne den Rückgriff auf brutale Gewalt zu lösen.

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