Als ich die Ankündigung zu Anno 1800 Season 4 las, war ich gerade im Halbschlaf. Ich habe ohne Kontaktlinsen mit einem Auge die Überschrift vom Kollegen Fabiano gesehen und war mir sicher, dass ich träume. Denn eigentlich sollte ja nach der dritten Season endgültig Schluss sein - und der letzte DLC Dächer der Stadt stellte sich als das furioseste Finale heraus, das man Anno hätte wünschen können.
Aber nun geht der Aufbauspiel-Gigant tatsächlich in die nächste Runde - die sich dieses Mal vollkommen der Neuen Welt widmet. Und als Einstimmung dazu bekommen alle treuen Anno-Jünger ein kostenloses Szenario namens »Eden am Ende«, das wie eine neue Mini-Kampagne funktioniert. Ich habe mich also ein weiteres Mal ins Abenteuer Anno gestürzt und verrate euch, was das neue Szenario besonders macht und für wen es sich wirklich lohnt.
Worum geht es in Eden am Ende?
Für Eden am Ende startet ihr einen brandneuen Spielstand in der Neuen Welt, denn die Mechaniken unterscheiden sich teilweise stark vom Hauptspiel. Ihr schlüpft in die Rolle von Rebellenanführerin Isabel Sarmento, die einen Hilferuf der Bewohner von La Xultana folgt. Dieses Inselvolk in der Neuen Welt muss dabei zusehen, wie seine geliebte Heimat langsam stirbt, weil nach der Vertreibung der Pyrphorier (ihr erinnert euch: die Feinde der Hauptspiel-Kampagne) ein zurückgelassener Generator nach und nach die Umwelt vergiftet.
Eure Aufgabe: Mit einem Staudamm und einem Wasserkraftwerk eine umweltfreundliche Energiequelle schaffen. Das Szenario lässt sich mit drei verschiedenen Auszeichnungen abschließen - gut: durch den Bau des Staudamms, besser: zusätzlich durch das Halten der Ökobilanz sowie am besten: das alles noch innerhalb einer Zeitvorgabe. Je nach Auszeichnung gibt's als Belohnung ein kosmetisches Ornament für euer Hauptspiel.
Die Geschichte wird dabei ähnlich erzählt wie schon die Kampagne des Hauptspiels: Zu Beginn gibt es eine Cutscene zur Einstimmung und weitere Meilensteine werden vollvertont von den jeweiligen Charakteren kommentiert. Soweit so gut - aber sobald ihr ins Spiel startet, sieht dann doch einiges anders aus als gewohnt.
Zunächst mal prangt dick und fett ein neues Menü am oberen Bildschirmrand, das euch eure drei Umweltwerte anzeigt. Wasser, Boden und Luft bilden zusammen eure an Anno 2070 erinnernde Ökobilanz, die - ähnlich wie die Attraktivität eurer Stadt im Hauptspiel - von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Sinkt einer der Werte auf Null, ist das Szenario verloren.
Eine große Belastung sind zu Beginn die Ruinen auf eurer Insel, die es zu entsorgen gilt. Aber auch verschiedene Entscheidungen haben dauerhafte Auswirkungen. Zum Beispiel kann der Boden durch zu viel Landwirtschaft überansprucht und weniger furchtbar werden. Ihr könnt dann den Dung eurer Tiere als Dünger verwenden, Obst zu Dünger verarbeiten oder kurzerhand noch mehr anpflanzen - was entweder Produktivität kostet, Obstbestände reduziert oder ... einfach eine dumme Entscheidung wäre.
Verbauen solltet ihr euch hier nicht und auch späteres Verschönern ist ein Luxus, den ihr euch vermutlich nicht leisten werdet - denn ihr könnt weder Gebäude verschieben, noch die Baukosten für abgerissene Gebäude zurückbekommen. Zudem sind Fischbestände und Bäume für die Forstwirtschaft nicht mehr unbegrenzt vorhanden, sondern können durch Überfischung oder wildes Abholzen dauerhaft verschwinden.
Dabei helfen die neuen Gebäudetypen wie die Aquakultur-Fischerei oder die Försterhütte, die ihr allerdings erst mit genügend Material freischalten müsst. Zudem gibt es sehr ertragreiche Nebenmissionen, die ihr abseits der Hauptinsel finden könnt, zum Beispiel ein verlassenes Schiffswrack zum Erkunden.
Für wen ist Eden am Ende geeignet?
Eines gleich vorweg: Ihr werdet sehr wahrscheinlich mindestens einmal verlieren. Denn die Herausforderung ist nichts für Anno-Einsteiger. Ihr solltet bereits gut mit den Grundprinzipien des Aufbauspiels vertraut sein und auch nicht zum ersten Mal in der Neuen Welt bauen. Sonst könntet ihr durch die zusätzlichen Stolpersteine bereits an der Errichtung einer Grundsiedlung scheitern, bevor es überhaupt an den Bau des Staudamms geht. Ihr solltet eine ungefähre Vorstellung von den Warenkreisläufen haben und wie viele Waren für wie viele Bewohner benötigt werden.
Solltet ihr neu starten, bleibt euch aber ein gewisser Fortschritt erhalten: Eure bereits entfernten Ruinen bleiben fort und freigeschaltete Technologien sind direkt nutzbar.
Wenn ihr gern schönbaut, dann wird euch Eden am Ende mehr Stress als Spaß bereiten. Auch dafür ist das Szenario nicht ausgelegt. Stattdessen ist es ein absoluter Leckerbissen für Optimierer und Schräubchendreher, die jedes Bauvorhaben zweimal überdenken und vorsichtshalber einen Notizblock neben der Tastatur liegen haben.
Außerdem bietet es mal wieder eine richtige Kampagne mit einer neuen Story und einer neuen Herausforderung, die euch bereits im ersten Anlauf mehrere Stunden beschäftigen wird. Allein der Staudamm hat drei lange Bauphasen, die je 90 Minuten dauern. Bis zur optimalen Auszeichnung dürft ihr sogar locker mehrere Tage ausgiebigen Tüftelns einplanen. Bemerkenswert viel Umfang für einen Gratis-Inhalt.
Was gefällt uns gut? Was funktioniert nicht?
Die Kampagne hat dabei gewohnte Anno-Qualität. Nichts, bei dem man vor Spannung vom Stuhl rutscht, aber dennoch mit guter Vertonung und kreativen Momenten schön inszeniert. Das Austüfteln der Ökobilanzen ist definitiv das Highlight des neuen Szenarios. Hier kann man sich stundenlang drin vertiefen und verschiedene Einflüsse gegeneinander abwägen.
Die Entscheidungen sind aber manchmal weniger gut gelungen. Zum Teil erinnern sie an ein Facebook-Quiz, in welchem Harry-Potter-Haus man wäre (»Was ist deine Lieblingsfarbe? a) rot, b) gelb, c) blau oder d) Schlange«). Denn es gibt meistens eine eindeutig richtige oder falsche Wahl. Auf der anderen Seite ist aber nicht immer ersichtlich, was für die richtige Wahl benötigt wird und so habe ich in meinem Spieldurchlauf erst nach meiner Entscheidung festgestellt, dass mir dafür die Ressourcen fehlen - unnötig ärgerlich, da jeder Fehltritt das Ende bedeuten kann.
Trotzdem bekommt ihr hier gratis eine gut balancierte und abwechslungsreiche Anno-Erfahrung für viele weitere Spielstunden und einen guten Vorgeschmack auf die Neue Welt in Season 4. Ihr wisst schon - falls ihr völlig wahnsinnig seid und das Hauptspiel und die neun DLCs bereits komplett ausgeschöpft habt.
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