Seite 2: Anno 2070 - Des Kaisers neue Kleider

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Der Turbokapitalismus tobt

Anderen Parteien auf der Karte geht es genauso. Das führt zu Wettbewerb, Handel und früher oder später meist zu Konflikten, wenn in der digitalen Modellbau-Welt das bunte Treiben des Turbokapitalismus tobt. In Anno 1404 waren die Konkurrenten andere Nationen, und irgendwo auf der Karte gab es die exotische Fraktion des Orients, deren Geheimnisse man im Laufe des Spiels erlernen und seinem Reich einverleiben konnte.

Anno 2070: Vorschau-Video Video starten 3:33 Anno 2070: Vorschau-Video

Mit Anno 2070 ist die Idee der Nationen Geschichte, stattdessen wetteifern hier Konzerne. Was ansonsten keinen Unterschied macht, deren Gebäude und Waren sind identisch. Der Orient war eines der beliebtesten Elemente in Anno 1404, er funktionierte dort sozusagen als halbe Fraktion. Für Anno 2070 ersetzt ihn Ubisoft konsequenterweise durch eine ganze.

Konkurrenz statt Konflikt

Dass es nun zwei spielbare Parteien gibt, ist tatsächlich die größte Neuerung für die Anno-Serie. Auf der einen Seite stehen die grünen Ecos, deren Lebensstil auf Nachhaltigkeit beruht. Ihren Gegenpart bilden die industriellen Tycoons, die ihre Umwelt schonungslos ausbeuten, dabei aber hochgradig effizient wirtschaften.

Die Tycoons bauen industriell und schmutzig, aber auch sie können sich um intakte Umwelt bemühen. Die Tycoons bauen industriell und schmutzig, aber auch sie können sich um intakte Umwelt bemühen.

Wer in dieser Konstellation natürliche Feinde sieht, der irrt sich. Tatsächlich sind die Ecos und Tycoons nicht als Gegner angelegt. Sie sind streng genommen noch nicht einmal zwei Fraktionen. »Ecos und Tycoon sind keine unterschiedlichen Nationen. Es sind zwei Gruppen innerhalb der gleichen Nation mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Ansichten«, erklärt der Projektleiter Christopher Schmitz. Von Feindseligkeit kann keine Rede sein. »Die Fraktionen kämpfen nicht gegeneinander. Es gibt keinen Konflikt zwischen ihnen, eher eine Konkurrenz.«

Entsprechend schließen sich die Parteien auch nicht gegenseitig aus. Zwar müssen sich Anno 2070-Spieler am Anfang jeder Partie für Ecos oder Tycoons entscheiden. Aber im Laufe des Spiels erhalten sie peu à peu Zugang zur Technologie der anderen Seite, sodass fortgeschrittene Siedlungen Gebäude beider Ideologien nach Belieben mischen.

Wer darauf hofft, mit Ecos und Tycoons zwei unterschiedliche Spielerfahrungen zu bekommen, muss seine Erwartungen zurückschrauben. Die Spielmechanik der beiden Fraktionen ist identisch. Wo Eco-Neubürger ein Bedürfnis nach Nahrung, Getränken, Lifestyle und Information besitzen, fordern Tycoon-Pioniere Information, Lifestyle, Getränke und Nahrung. Zwar führen andere Wege zum Ziel: Ecos mümmeln Backwaren und entspannen in der Konzerthalle, Tycoons schaufeln Fertiggerichte und amüsieren sich im Kasino. Aber die dahinterliegenden Produktionsketten sind die gleichen. Ecos pflanzen Tee, Tycoons ernten Korn und brennen daraus Schnaps. Ecos zapfen Kühen Milch ab, Tycoons werfen sie in die Schinkenpresse. Tatsächlich ist der entscheidende Unterschied zwischen den Fraktionen einer, der auf den ersten Blick reichlich banal erscheint: ihr Aussehen. Das hängt damit zusammen, wie gut es Mutter Erde gerade geht.

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Willkommen im Dreck

Eines der wenigen neuen Konzepte von Anno 2070 ist die Ökobilanz. Ausnahmslos jedes Gebäude, das man in die Landschaft setzt, hat Auswirkungen auf die Umwelt, und zwar meist negative. Eco-Gebäude sind generell umweltfreundlicher, aber weniger effizient. Die Tycoon-Variante hat einen höheren Output, aber haut mehr Schmutz in die Atmosphäre. Klar, dass eine Ölpumpe samt qualmender Raffinerie den Vöglein mehr Verdruss bereitet als das Blockheizkraftwerk der Ecos. Aber auf die Umweltbilanz drückt beides.

Detailansicht eines Tycoon-Hafens: Die Gestaltung spiegelt die kommerzlastige Lebenseinstellung. Detailansicht eines Tycoon-Hafens: Die Gestaltung spiegelt die kommerzlastige Lebenseinstellung.

Der Raubbau hat drei Konsequenzen: Erstens werden ausnahmslos alle Produktionsanlagen einer Insel ineffizienter, je schlimmer die Umweltverschmutzung ausfällt; zudem sinkt die Zufriedenheit der Bürger. Zweitens steigt das Risiko von Naturkatastrophen. Vier davon wird es geben, darunter einen Tornado, der eine Schneise der Zerstörung hinterlässt, und einen Ölteppich, der auf Strände zutreibt und sie verseucht. Drittens verändert sich das Erscheinungsbild der Insel. Wo anfangs sattgrüne Wiesen im Wind schaukeln und fröhliche Tiere springen, sterben nach und nach die Pflanzen, bis eine graubraune, smogverseuchte Industrie-Öde zurückbleibt.

Der Hauptunterschied zwischen Ecos und Tycoons ist schlichtweg: Tycoons können mit der Sauerei blendend leben. Ihre Effizienz sinkt auch in der Abgashölle kaum, während Ecos im gleichen Umfeld alle Viere von sich strecken. Fragt sich also: Warum sollte man dann überhaupt die Ecos spielen? Ihre Betriebe sind weniger effizient, die Bevölkerung pingeliger – wo liegt der Vorteil? Ubisofts Antwort lautet: im Aussehen. »Das dunkle Aussehen wird viele Anno-Spieler stören«, sagt Christopher Schmitz. »Sie bevorzugen den idyllischen, grünen Look.« Die große Mehrheit der Testspieler, die Ubisoft einsetzt, wählt die Ecos.

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