Annos Erfolgsgeheimnis - Probier’s mal mit Gemütlichkeit!

Heiko hat schon genügend Stress im realen Leben und fragt sich, warum nicht viel mehr Strategietitel auf Entspannung setzen und sich an Anno ein Beispiel nehmen.

Ich habe weder ein Problem mit Stress, noch mit Druck. Im Gegenteil: Meist bleibe ich selbst dann fast schon krankhaft sachlich und ruhig, wenn alles um mich herum explodiert. Zum Leidwesen meiner Mitmenschen. Meine Frau sagt gern: »Du bist so scheiße, mit dir kann man nicht streiten!«

Trotzdem oder vielleicht sogar gerade deswegen habe ich nach einem harten Arbeitstag in der Regel wenig Lust auf Spiele, die den Stresslevel auf Büroniveau halten. Mein Adrenalin soll runterfahren und nicht in die Höhe schnellen, weil mich jemand hinterrücks erschießt. Ich habe auch keinen Bock mehr auf Frust, weil ich zum zehnten Mal an der gleichen kniffligen Stelle scheitere.

Sondern ich will mich entspannen und dabei gern auch das eine oder andere Erfolgserlebnis einsammeln, allerdings ohne dabei unterfordert zu werden oder mich gar zu langweilen.

Der Autor
GameStar-Chefredakteur Heiko spielt außer MMOs eigentlich alles, was ihm unter die Finger kommt, Aufbauspiele haben aber schon immer einen ganz besonderen Platz in seinem Herzen. Das erste Wow-Erlebnis war Sim City auf dem C64, auf dem Amiga folgte Die Siedler, und eine seiner ersten PC-Anschaffungen war nach dem Lesen des entsprechenden GameStar-Tests Anno 1602. Den Nachfolger Anno 1503 durfte er dann schon selbst für GameStar testen.

Klingt trivial, aber das bekommen meiner Meinung nach aber nur die wenigsten Spiele hin. Und genau das ist der Grund, warum ich seit 20 Jahren immer wieder zu Anno zurückkehre. In keinem anderen Spiel kann ich derart gut abschalten und die Sorgen der realen Welt für ein paar Minuten oder Stunden vergessen. Und das hat drei Gründe:

Annos Entspannungstricks

1. Das Wohlfühl-Ambiente: Wie ein gutes Hotel erzeugt Anno von der ersten Spielminute an eine Atmosphäre, in der ich mich willkommen, fast schon zu Hause fühle. Ja, es setzt dabei auf die gleichen kitschigen Tricks wie die berühmtberüchtigten Heimatfilme der 50er. Freundliche Farbgebung, nahezu immer schönes Wetter (standardmäßig dreht sich sogar die Sonne mit der Kamera mit), harmonische Dur-Musik. Aber hey, bei mir funktioniert das - im Gegensatz zu Heimatfilmen.

Freundliche Farben, stets schönes Wetter, kitschige Mittelalter-Idylle: Anno 1701 drückt sämtliche Atmosphäre-Knöpfe, damit wir uns sofort zu Hause fühlen. Freundliche Farben, stets schönes Wetter, kitschige Mittelalter-Idylle: Anno 1701 drückt sämtliche Atmosphäre-Knöpfe, damit wir uns sofort zu Hause fühlen.

2. Ich kann kreativ sein, obwohl ich kein kreativer Mensch bin: Mit wenigen Mausklicks erschaffe ich in Anno innerhalb kürzester Zeit Welten, die großartig aussehen und auf die ich wirklich stolz bin. Ich, der ungefähr so viel künstlerisches Gespür hat wie ein mittelcleverer Schimpanse.

Ich bin pragmatisch, Hauptsache es funktioniert. Deswegen erfüllen meine Siedlungen in Tropico und Cities: Skylines zwar tadellos ihren Zweck, nur sehen sie in der Regel scheußlich aus. Die kreative Freiheit eines Minecraft überfordert mich sogar komplett. Und das stresst mich. Wer sich in Anno an die Spielregeln hält, bekommt dagegen nahezu automatisch ein Ergebnis, das ihn wie einen Meisterarchitekten aussehen lässt.

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3. Das Spiel passt sich mir an, nicht umgekehrt: In Banished oder Northgard kommt irgendwann der Winter, in jedem Siedler-Spiel der Feind. Im Anno-Endlosspiel passiert nur etwas, wenn ich das auch aktiv will. Wer niemanden angreift, muss seinerseits auch keine Angriffe befürchten. Wer nicht expandieren will, wird dazu auch nicht gezwungen.

Trotzdem gibt es immer mehr als genug zu tun. An einem Abend optimiere ich meine Produktionsketten, am nächsten stürze ich mich dann doch mal in einen Eroberungskrieg, oder ich hübsche einfach nur mal kurz für 15 Minuten meine Hauptinsel ein wenig auf. Ich entscheide, was passiert. Nicht der Leveldesigner.

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Bitte mehr Gemütlichkeitsspiele

Natürlich hat jede dieser Entspannungstherapien auch seine Nachteile. Mir ist etwa vollkommen klar, dass Annos-Kreativitätstricks auf Kosten der gestalterischen Freiheit gehen. Virtuose Straßenkonstruktionen mit mehreren Ebenen wie in Cities: Skylines sind mit Annos Schachbrett-System ein Ding der Unmöglichkeit.

Und selbstverständlich ist es einerseits beruhigend, wenn bei einmal aufgebauten Produktionsketten quasi nichts mehr schief gehen kann, andererseits aber auch deutlich weniger herausfordernd als in einem Banished.

Nur gibt es meiner Meinung nach schon mehr als genug (Aufbau-)Titel für diejenigen, die nach Feierabend Herausforderungen und Adrenalinkicks suchen oder sich abreagieren wollen. Im von mir soeben erfundenen Subgenre der Gemütlichkeitsspiele steht Anno zumindest im aufwändig produzierten AAA-Segment ziemlich allein da. Und das darf sich gern ändern.

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