Enden sind der undankbarste Teil von Geschichten. Das klingt erstmal absurd, schließlich sollte das große Finale doch die Krönung sein, die Belohnung für all die vorangegangenen Mühen. Doch ein wirklich befriedigender Abschluss scheint oft unmöglich. Zu unterschiedlich die Erwartungen, zu groß die Hoffnungen.
Egal, wie viele Happy Ends oder grimmige Tragödien wir erleben, das perfekte Ende offenbart sich uns nur ganz selten - wenn überhaupt. Aber Arcane schafft etwas, das nur wirklich gute Serien hinkriegen: Es lässt mich gleichzeitig hungrig auf mehr und wirklich befriedigt zurück, weil sich das Finale wie ein Abschluss anfühlt, der den liebgewonnenen Charakteren gerecht wird.
Die Serie überzeugt nach den beiden Staffeln nicht nur als Spieleverfilmung, sie beweist mit dem Ende auch sehr viel Mut.
Spoilerfreies Review: Wir verzichten in unserer Filmkritik auf konkrete Spoiler. Ihr könnt also gefahrlos lesen, außer, ihr wollt wirklich gar nichts vorab wissen.
Hier lest ihr unsere Reviews zu den ersten beiden Akten:
- Arcane Season 2 Akt 1 Review: Das Beste, was wir je gesehen haben
- Arcane Season 2 Akt 2 Review: Unglaublich spannend, aber auch ein Risiko
Weit mehr als nur Fanservice
Arcane verliert sich nicht in seiner Identität als Spieleverfilmung. Und das, obwohl die Serie durchaus spürbar Teil einer größeren Marketing-Strategie ist. Über die letzten Tage und Wochen wurden haufenweise neue Skins in Arcane-Optik enthüllt, die ich mir in League of Legends kaufen kann, um als Caitlyn, Jinx oder Jayce den Look der Serie zu tragen. Oder ich levele den Arcane-Pass für haufenweise virtuelle Goodies.
Aber Arcane ist so viel mehr als bloßer Fanservice oder Werbung, um Verkäufe im MOBA anzukurbeln. Die Serie von Riot Games und Fortiche will nicht einfach meine Wünsche rund um die geliebten Helden und Heldinnen befriedigen oder mir noch einmal augenzwinkernd von ihren (und unseren) größten Momente erzählen, wie es viele andere Adaptionen nur zu gerne tun.
Die Figuren und Beziehungen in Arcane fühlen sich echt an, weil die Serie keine Angst vor harten oder gar kontroversen Entscheidungen hat. Und das obwohl die mich als Spielerin verprellen könnten. Caitlyn verliert sich zum Beispiel in ihrem Hass auf Jinx, lässt sich von Ambessa manipulieren und trifft skrupellose, eiskalte Entscheidungen, die nur noch wenig mit Tee trinkenden Polizistin vom Anfang gemein haben.
Arcane gibt mir genügend Gründe, wütend auf sie zu sein, aber auch Einblicke in ihre Gefühlswelt. Cait weiß nicht, wohin mit ihren Emotionen, während sie verzweifelt versucht, Piltover zusammenzuhalten und das richtige zu tun. Und so ergeht es nicht nur ihr.
Sämtliche Figuren stehen förmlich vorm Zerbersten, so vollgepumpt sind sie mit (teils widersprüchlichen) Gefühlen. Das macht sie manchmal hässlich, aber eben auch so viel echter als ihre Spielversionen je sein könnten. Sie sind nicht poliert oder idealisiert, keine Heldenfantasie, sondern Menschen, die ziemlich viel im Leben verbockt, aber trotzdem gute Absichten haben.
Niemand wird zurückgelassen
Dabei konzentriert sich Arcane nicht nur auf drei oder vier beliebte Charaktere im Rampenlicht. Das beweist Akt 3 nun endgültig, was eine meiner größten Sorgen aus dem Weg räumt. Denn Mel, Ekko und Heimerdinger hatten bisher im Vergleich zu Caitlyn, Jinx, Vi und Co. nur wenig Zeit, sich zu entfalten.
Aber die Macher wissen das und lassen ihren Geschichten zum Ende hin nochmal deutlich mehr Raum. Das führt nicht nur sämtliche Handlungsstränge glaubhaft zusammen, sondern sorgt auch für ruhige, bewegende Momente vor dem großen Knall, die sich beinahe wie ein eigenes, kleines Finale anfühlen.
Gerade Mels Geschichte wird noch unglaublich spannend. Die politische Leitfigur von Piltover war zu Beginn der Serie hauptsächlich Spielball anderer - immerhin musste sie Jayce, ihrer Mutter und dem Haifischbecken des Rats gerecht werden. Sie findet in Akt 3 endlich ihre Stimme und macht eine mitreißende Entwicklung durch. Die fühlt sich nicht nur im Rahmen der Serie rund an, sondern lädt auch zum Spekulieren ein.
Immerhin ist Mel (bisher) nicht in League of Legends vertreten. Das hält Arcane aber nicht davon ab, mit ihr und Ambessa zwei faszinierende neue Figuren zu etablieren, von denen ich in Zukunft unbedingt mehr sehen will. Aber auch im Kontext aller Charaktere findet Arcane einen würdigen Abschluss - mit einem explosiven Endkampf als Krönung.
Ein Ende, das noch lange nachhallt
Wie Arcane so schön feststellt: Die Gewalt und das Töten sind ein Zyklus, der nur enden kann, wenn wir ihn bewusst verlassen. Aber das erfordert eine klare Entscheidung und sehr viel Mut. Die müssen nicht nur die Helden und Heldinnen treffen, sondern auch Arcane selbst. Die Serie will ganz bewusst hier enden, obwohl es noch so viel mehr um den facettenreichen Cast zu erzählen gäbe.
Das klingt fast schon paradox, schließlich habe ich ja schon betont, wie befriedigend und abschließend sich das Ende anfühlt. Hier zeigt sich, wie fantastisch Arcane wirklich ist. Die Macher beantworten einerseits alle wichtigen offenen Fragen und verknüpfen geschickt sämtliche lose Fäden zu einer glaubhaften, runden Geschichte.
Auf der anderen Seite spielen sie aber ganz bewusst mit meinen Erwartungen. Immer wieder gibt es Hinweise und Andeutungen, wie es weitergehen könnte. Mit den bekannten Helden und Heldinnen, aber auch mit neuen Figuren und Orten in der Welt von Arcane. Die Serie fühlt sich damit wie ein echter Abschluss an, aber gleichzeitig auch wie ein Neuanfang. Denn am Horizont wartet so viel mehr.
Arcane bleibt seiner Vision bis zuletzt treu und gibt mir nicht mehr von dem, was ich so liebe - obwohl die Serie das so einfach könnte. Sie entlässt mich bewusst hungrig nach mehr, ohne dass es schlecht anfühlt. Denn gerade weil das gemeinsam Erlebte so besonders war, kann ich es kaum erwarten, mit neuen Geschichten in dieses Universum zurückzukehren. Egal, wie lange es dauert.
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