Das Ezio-Prinzip
Alles, was wir in der Spielwelt tun, motiviert sich entweder aus Rache oder aus Medjai-Verpflichtung. Damit schafft Origins eine glaubhafte Verbindung zwischen Spielfigur, Spielwelt, dem Alltagsgeschehen der Ägypter und den großen weltpolitischen Ereignissen. Anders als bei Assassin's Creed 3 liegt der Schwerpunkt aber nicht auf dem Abklappern von historischen Begebenheiten, sondern auf den Figuren.
Klar, im Kern erzählt Origins wie damals Assassin's Creed 2 mit Ezio eine simple Rachegeschichte, die keinen Innovations-Blumentopf gewinnt. Aber das Spiel verbindet diesen Plot mit einer ganzen Reihe spannender Figuren, die uns emotional stärker ins Geschehen ziehen als frühere Serienteile. Und daraus spinnt sich die bisher stimmigste Assassin's-Creed-Geschichte überhaupt, die trotz Open World endlich mal einen wirklich fesselnden Spannungsbogen aufweist.
Questgold
Bei Bayek können wir beispielsweise sein Verlangen nach Rache nachempfinden, weil sich das Spiel die Zeit nimmt, seinen Verlust (den wir hier nicht spoilern) greifbar zu inszenieren. Wenn er einem feindlichen Drahtzieher in wilder Rage den Schädel einschlägt und danach wimmernd verbleibt, weil Rache seinen Schmerz einfach nicht lindern will, dann zieht sich einem schon mal der Magen zusammen.
Und wo Bayeks innerem Konflikt gegen Ende hin ein bisschen die Puste ausgeht, tritt Aya mit einigen Wendungen in den Vordergrund, der sie fast schon zur heimlichen Hauptfigur des Spiels werden lassen. Um es kurz und spoilerfrei zu machen: Die Haupt-Story von Origins setzt zwar auf einen klassischen Rachestoff, unterhält aber durch die Bank, bietet spannende Wendungen und platziert sich als Ursprungsgeschichte des Assassinen-Ordens stimmig in der Timeline der Serie.
Die unzähligen Nebenquests, die wir jederzeit angehen können, staffieren die Figuren der Hauptgeschichte weiter aus. Beispielsweise kehrt Bayek (komplett optional) an den Ort seines ersten Attentats zurück und muss sich dort mit der Familie seines einstigen Opfers auseinandersetzen.
Daraus spinnt sich eine Questkette, die in einem weiteren tragischen Mord endet. An anderer Stelle verliert ein Pärchen im Rahmen der Kampagne ihr Kind - nach der entsprechenden Storymission helfen wir den beiden zurück ins Leben. Ebenfalls komplett optional.
Ägypten hui, Gegenwart pfui
Zwei gröbere Mankos gibt's an der Geschichte aber doch: Zum einen finden sich neben den vielen tollen Mini-Geschichten auch diverse schwächere Nebenquests, die nach dem Muster »Banditen haben meinen Bruder entführt« funktionieren. Zum anderen fällt die Gegenwartsgeschichte rund um Abstergo mal wieder auf die Nase.
Die Schreiberlinge von Ubisoft haben offenbar komplett den Faden für ihre Gegenwartsgeschichte verloren. Diesmal gibt es mit der spielbaren Layla zwar wieder eine konkrete Bezugsfigur, die in einem kleinen Höhlen-Camp in Ägypten frei herumlaufen kann. So wirklich was zu erzählen hat sie aber nicht.
Auf ihrem Laptop kann man diverse Abstergo-Handbücher oder ihren Mail-Verkehr lesen. Das war's im Prinzip. Okay, ein, zwei halbwegs interessante Story-Wendungen findet man schon, aber in Wahrheit hätte man den Gegenwarts-Part auch ersatzlos streichen können, ohne dass dem Spiel irgendwas gefehlt hätte. Kein gutes Zeichen.
Erkunden ist König
Auf der anderen Seite wird man sich ohnehin so sehr im antiken Ägypten verlieren, dass die Gegenwart in weite Ferne rückt. Die Spielwelt von Assassin's Creed: Origins gehört zu den beeindruckendsten Open Worlds, die wir je erlebt haben. Ubisoft hat hier nicht nur die bisher größte Assassin's-Creed-Welt auf die Beine gestellt, sondern sie auch abwechslungsreich gestaltet. Bei einer Wüste keine Selbstverständlichkeit.
Wo bei Unity und Syndicate das Erkunden von Paris und London eher nebenbei geschah, freuen wir uns jetzt vor jeder Sanddüne auf das, was wohl dahinter wartet. Gerade bereist Bayek (wahlweise mit Pferd, Kamel oder Reiterwagen) noch karge Canyons und kämpft sich durch sengende Wüstenhitze, nur um im nächsten Moment durch fruchtbare Niltäler und antike Städte zu reisen.
Ach ja, und den Nil und das Mittelmeer kann man natürlich ebenfalls bereisen, unter Wasser in Schiffswracks nach Schätzen suchen. Und dicke Beute gibt's wiederum natürlich auch in den unzähligen Grabkammern und Pyramiden. Von der uralten Djoser-Pyramide über das Weltwunder von Gizeh bis hin Snofrus kurioser Knickpyramide stößt man an allen Ecken und Enden auf die Relikte des vergangenen Ägypterreichs.
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