Am Anfang war ich nur neidisch auf Bridgerton.
Inzwischen will ich unbedingt wissen, wie es mit Staffel 3 der Netflix-Serie weitergeht. Ich meine: Nach DEM Ende von Episode 4 (keine Spoiler) ...
Eine auf den ersten Blick furchtbar kitschige, zuckersüße Serie voller Tüll und Spitze hat mich innerhalb von drei Jahren mit scharfzüngigen Dialogen, großen Gefühlen, fantastischen Kostümen und absurden Perücken bekehrt.
Was im Jahr 2020 als alberne Zerstreuung während der Corona-Pandemie begann, ist jetzt etwas, auf dessen Fortsetzung ich mit Spannung warte - zusammen mit meiner Frau. Denn die weibliche Perspektive ist für meinen Genuss von Bridgerton unerlässlich.
Drei Gründe für meine Begeisterung
Bridgerton war lange Zeit für mich »die Netflix-Serie, die meine Frau alleine schaut«.
Aber wie das nun mal so ist in der Ehe: Wenn man zusammenwohnt, sitzt man früher oder später zu zweit auf dem Sofa und wenn auch nur, weil der eine die Wäsche faltet, während die andere Frauen in Reifröcken dabei zusieht, wie sie von schneidigen Männern über Tanzflächen gezwirbelt werden.
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Ich war zunehmend eifersüchtig auf diese alberne Show. Was war das für eine Serie, die die Aufmerksamkeit meiner Frau so fesselte, die sie lachen, weinen und laut »Schhhh!« rufen ließ, wenn ich es an einem spannenden Punkt der Erzählung wagte, eine Frage zu stellen.
Aus Eifersucht wuchs nach und nach Neugierde.
Ich begann mich für die Schicksale der Figuren zu interessieren, auch wenn meine Kommentare anfangs eher in Richtung »Haha, was ist denn das für eine Frisur?!« gingen. Doch Bridgerton hat drei Stärken, die mir besonders jetzt in Teil 1 der dritten Staffel auffallen (die restlichen Episoden erscheinen am 13. Juni):
#1: Der Humor
Während ich lose der ersten und zweiten Staffel von Bridgerton folgte (und kürzlich dann deutlich intensiver Season 3), war ich immer wieder angenehm überrascht, wie amüsant die Serie ist. Die Scharfzüngigkeit, mit der die fiktive Lady Whistledown in ihrer Kolumne die Londoner Gesellschaft züchtigt und Kleider, Feste und Leute kritisiert, ist ein ständiger Quell der Freude.
Viele tolle Interaktionen und Charakterpaarungen wie zwischen der Königin und ihrem Butler oder bei Familie Featherington lassen einen förmlich auf Auftritte bestimmter Figuren wie Lady Bridgerton oder der Witwe Danbury hinfiebern.
#2: Eine idealisierte Welt, aber kein Paradies
Bridgerton spielt vor dem Hintergrund des frühen 19. Jahrhunderts, in der die Suche nach einem Ehemann und einer Ehefrau innerhalb der englischen Adelsgesellschaft nach strengen Regeln abläuft. So wie diese Welt in der Netflix-Serie dargestellt wird, ist sie in manchen Punkten aber eine starke Verzerrung der wahren historischen Zustände und der Romanvorlage.
Der diverse Cast ist für mich aber ein Highlight von Bridgerton: Zu keinem Zeitpunkt fühlt es sich falsch oder unpassend an, dass da eine dunkelhäutige Königin auf dem Thron sitzt oder Schauspieler mit indischen oder persischen Wurzeln tragende Rollen in dieser historisch mitteleuropäisch geprägten Periode spielen.
Es ist einfach Teil der magischen Welt aus Blumen und cremefarbenen Kleidern, in die einen die Serie entführt.
Die Produzenten haben sich schlichtweg für die besten Schauspieler und Schauspielerinnen für den jeweiligen Charakter entschieden. Aus welchem Kulturkreis eine bestimmte Person in der Serie stammt, spielt für die Handlung keine Rolle - und warum sollte es das auch?
Dennoch behandelt Bridgerton brisante Themen wie die Rolle der Frau in dieser Zeit, was der Serie inhaltliches Gewicht und Relevanz auch in unserer heutigen Welt verleiht. Das fiktive England von Bridgerton ist dadurch keine bloße zuckersüße Alle-sind-zufrieden-Fantasie, sondern schafft es immer wieder, aus seinem Hauptthema (dem Werben um einen Ehepartner) unverhoffte Dramatik zu generieren.
Um zu verstehen, dass dies ähnlich wichtig für den Erfolg der Serie bei den weiblichen Zuschauern ist wie die schier endlose Folge von schönen Kleidern und noch schöneren Männern, die in übertriebener Opulenz über den Bildschirm flimmern, reicht ein Blick auf die Reaktionen meiner Frau neben mir.
#3: Die Charakterentwicklung
Jede Staffel von Bridgerton hat acht Folgen, dabei orientiert sich die Handlung grob an den entsprechenden Büchern. Warum ich aktuell darauf warte, dass nach dem fies und sehr clever gesetzten Cliffhanger-Cut von Season 3 die letzten vier Folgen erscheinen?
Weil ich wissen will, wie es mit meinen Lieblingsfiguren weitergeht.
Kommen Penelope und Colin endlich zusammen? Ist die Freundschaft zwischen ihr und Eloise noch zu retten? Entwickelt sich Cressida jemals zu einer guten Person, die den Einfluss ihrer furchtbaren Eltern abschütteln kann?
Das ist vielleicht anders als in Game of Thrones, nicht so cool wie bei Fallout - aber es sind fundamentale Gefühle und Gedanken, die wohl jeder Zuschauer aus seinen Lieblingsserien kennt und nachvollziehen kann.
Ich kenne keine andere Netflix-Serie, bei der ich aktuell so mit den Charakteren und ihrem Schicksal mitfiebere. Gerade Penelope ist so eine fantastische Figur, die sich in drei Jahren komplett gewandelt hat. Und damit meine ich nicht nur ihre Frisur.
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