Das Zauberwort: Community
Clever designte Maps, spannende Spielmodi, adäquates Trefferfeedback: Diese Elemente werden anno 2015 im Online-Shooter-Bereich vorausgesetzt - wer einen E-Sports-Hit landen will, der muss aber vor allem eines: die Community mit ins Boot holen. »Call of Duty ist mehr als ein Spiel, es ist eine soziale Plattform, ein eigenes Ökosystem«, fasst Michael Condrey die Bedeutung der ebenso berühmten wie umstrittenen Serie zusammen.
Ergo zielen zahlreiche Marketingmaßnahmen von Activision darauf ab, die Fanbasis bei Laune zu halten. Unvergessen die Megamesse Call of Duty Experience im Jahr 2011, bei der man Anhänger aus aller Welt in Los Angeles zu einer Art Massengottesdienst im Namen des Shooter-Herrn versammelte - inklusive militaristisch-absurdem Rahmenprogramm, darunter eine Paintball-Arena, die genauso aufgebaut war wie der Multiplayer-Level Scrapyard aus Modern Warfare 2. Außerdem konnten Besucher einen Jeep durch einen Hinderniskurs lenken und das Militärtraining aus der Solokampagne von Modern Warfare 2 absolvieren.
»Typisch amerikanisch«, werden da viele sagen, und damit gar nicht mal so falsch liegen. Denn Call of Duty ist US-Kulturgut: Spätestens seit Modern Warfare hat die Serie einen patriotisch gefärbten Weg eingeschlagen, der unmittelbar mit der Heimat der Entwickler zusammenhängt. Egal ob Black Ops 2 oder Advanced Warfare - knapp 50 Prozent der Gesamtverkäufe einer jeden Call-of-Duty-Episode entfallen auf den nordamerikanischen Markt.
Und dort sitzt eben auch die Major League Gaming, der weltweit größte E-Sports-Anbieter mit neun Millionen registrierten Usern. Im Portfolio der MLG ist Call of Duty das wichtigste Zugpferd - Konkurrenztitel wie Evolve oder Titanfall fristen ein Schattendasein. Entsprechend haben es einige professionelle CoD-Cracks bereits zu erstaunlicher Berühmtheit gebracht: Matt »Nadeshot« Haag verdiente im Jahr 2014 über 700.000 US-Dollar - alleine durch das Live-Streaming von Call-of-Duty-Sessions!
»Das Verhältnis von Zuschauern zu Spielern ist im E-Sports-Bereich 10 zu 1«, erklärt Paul Kent von Gfinity die enorme Zugkraft einzelner Stars. Doch während nordamerikanische Spieler hauptberuflich ihre Shooter-Skills präsentieren, sieht die Lage diesseits des großen Teichs ganz anders aus.
»Es wäre ein Traum, von den E-Sports-Einnahmen leben zu können. Aber das geht in Deutschland noch lange nicht,« gibt Massi alias GunElite etwas traurig zu. Bitter, wenn man bedenkt, dass die Teammitglieder von Fab Games vier Mal pro Woche jeweils knapp fünf Stunden trainieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Und so setzt sich das Feld bei der europäischen Call of Duty Championship vor allem aus Schülern und Studenten zusammen - bei einigen muss man sich gar fragen, ob sie den Shooter gemäß seiner USK-Freigabe überhaupt offiziell spielen dürften.
Die einfachste aller Antworten
Bei allem Drumherum sollte man niemals vergessen, dass Call of Duty nicht nur Marketing-Maschine und Goldesel ist, sondern eben vor allem eines: ein Spiel. Und dieses Spiel bereitet Millionen von Menschen Spaß. Klar, für diese Binsenweisheit braucht es keine wissenschaftliche Abhandlung, keine Recherche und auch kein Superhirn - aber Advanced Warfare funktioniert nach einer Formel, die Modern Warfare einst so genial etabliert hat.
Der (wieder mal) zu kurze Einzelspielermodus mit seiner an Nötigung grenzenden Linearität ist dabei nur die Kehrseite der Medaille - die Onlinekomponenten samt E-Sports-Tauglichkeit sind die eigentlichen Erfolgsgaranten! Dass (laut Achievement-Statistiken) gerade einmal die Hälfte allerAdvanced-Warfare-Spieler überhaupt die erste Solomission durchgespielt hat, ist kein Zufall und auch kein Beweis für die Unfähigkeit des Publikums. Nein, viele Käufer erwerben die Titel der Serie eben ausschließlich wegen des Multiplayerparts.
Letzterer zieht seine Faszination aus ebenso simplen wie traditionellen Zutaten: 60 Bilder pro Sekunde (vor allem auf den Konsolen keine Selbstverständlichkeit), motivierendes Levelsystem, wie geölt flutschendes Waffen-Handling. Taktik spielt online durchaus eine Rolle, vor allem bei aktivierten E-Sports-Einstellungen: »Es gab schon Teams, die aus egoistischen Maschinen bestanden - die hatten aber keine Chance.
Harmonisches Teamplay ist im Turnierbereich viel wichtiger als pure Skills«, erklärt Massi den Schlüssel zum Erfolg. Für den Außenstehenden ist das im Eifer des Gefechts aber nur schwer zu erkennen: Während die kuriose Football- oder Bombing-Run-Variante Uplink noch an klassischen TV-Sport erinnert, sehen Matches der anderen Modi zumeist aus wie das chaotische Aufeinandertreffen hyperaktiver Soldaten. Was da genau beim hektischen Herumschauen und -schießen passiert, und was das mit Taktik zu tun hat, erschließt sich dem Zuschauer nicht auf den ersten Blick.
Ein Problem, das nicht nur Call of Duty im E-Sports-Bereich lösen muss, um einen noch größeren Markt zu erschließen, wie Paul Kent zugibt: »Unsere größte Aufgabe bei Gfinity ist es, das Spiel seinen Zuschauern noch klarer rüberzubringen, es besser zu erklären. Daher schulen wir auch unsere Kommentatoren immer intensiver.«
Hält man sich jedoch an die Tipps der Experten (»Immer auf die Minimap achten!«), so setzt nach wenigen Partien ein Moment der Klarheit ein: Perfekt abgestimmte Teams stürmen nicht blind durch die Map, sondern verfolgen einen ausbaldowerten, deutlich erkennbaren Plan - wie eine Fußballmannschaft, die eingeübte Spielzüge abspult.
Dass die Talente eines Einzelnen nur untergeordnet zum Tragen kommen, liegt am Regelwerk: Es werden ausschließlich teamwork-basierte Modi wie Capture the Flag oder Hardpoint gespielt, Deathmatches sind verpönt. Zudem sind alle Einstellungen - von den (erlaubten) Scorestreaks über die Exo-Talente bis hin zur Health-Regeneration - strikt vorgegeben.
Dennoch sieht selbst ein Neuling schnell den Unterschied zwischen guten und exzellenten E-Sportlern: Einige Spieler erscheinen fast schon übermenschlich, treffen selbst bewegte Ziel aus größter Entfernung und unter Einberechnung der virtuellen Ballistik. Übung macht auch hier den Meister. Aber Spaß sollte das Ganze ja auch irgendwie bereiten.
Call of Duty - und sonst nichts?
»Was macht für dich die Faszination von Call of Duty im E-Sports-Bereich aus?«: Diese Kernfrage stellten wir im Rahmen unseres Turnierbesuchs immer wieder - Entwicklern, Zuschauern, Veranstaltern und Spielern. Für den einen sind es »die Gänsehautmomente beim Zusehen«, für den anderen »das Gefühl, von Fans angefeuert zu werden«.
Eine befriedigende, allumfassende Antwort bekamen wir jedoch nicht. Aber gibt es sie überhaupt? Ist der Shooter von Activision nicht vielmehr eine Fläche, auf die jeder seine ganz eigene Meinung projizieren kann - die knallharten Kritiker ebenso wie die Millionen von Fans?
Die Neulinge ebenso wie die E-Sports-Experten? Wahrscheinlich hat Massi von Fab Games den Nagel auf den Kopf getroffen: »Es heißt nicht umsonst Call of Duty. Wenn du nichts anderes mehr spielst, dann wird es zur lästigen Pflicht.« Sprach's und verschwand wieder in dem gläsernen Kasten, der für E-Sportler die Welt bedeutet.
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