Wenn ein neues Call of Duty angekündigt wird, muss ich immer schmunzeln. Und das gar nicht aus Spott, denn ich wüsste selbst nicht, wie ich jedes Jahr aufs Neue das elfte, zwölfte, hundertste CoD so für die Leute verpacke, dass es irgendwie innovativ und spannend wirkt. Also klar, im Detail gibt es ja in jedem CoD interessante Neuerungen, aber als Marketing-Abteilung kramst du ja idealerweise die großen Keulen raus, gerade bei so einem Mainstream-Produkt.
Also hocke ich als Journalist Jahr um Jahr in der nächsten CoD-Präsentation, während die Entwickler in einer bis ins kleinste Detail einstudierten und vom Publisher Silbe für Silbe freigegebenen Präsentation irgendwie auf den Punkt bringen müssen, warum Call of Duty Vanguard jetzt nicht wieder nur ein CoD im Zweiten Weltkrieg
ist, sondern ... ja ... halt irgendwie besser und spannender.
Wie verkaufe ich das?
In der Regel schlagen die CoD-Studios hier einen von zwei Pfaden ein:
- Sie versprechen eine erwachsene, komplexe, geerdete und reife Geschichte, die nur mit Hilfe von Expertinnen und Experten entstehen konnte. Das stimmt freilich nie.
- Die Devs stürzen sich auf irgendein technisches oder spielerisches Detail, das als große Neuerung beworben wird. Beispielsweise den Hund in Call of Duty: Ghosts.
Bei Modern Warfare 2 war es 2022 das Wasser. Ich weiß noch, wie unser Shooter-Experte Phil aus der Präsentation kam und meinte: Hey, die haben gerade 15 Minuten über Wasser gesprochen.
Und prinzipiell kann Wasser in Spielen ja auch ein spannendes Thema sein, aber im Fall von Call of Duty ahnten wir schon, was letztlich Realität wurde: Das Wasser spielt im fertigen Spiel überhaupt keine Rolle. Nur auf drei der inzwischen 24 Standard-Maps kann ich überhaupt schwimmen! Und in Warzone verbringe ich fast keine Sekunde unter Wasser.
Das Wasser sollte werbewirksam kaschieren, was Modern Warfare 2 eigentlich ist: Modern Warfare 2019 ... aber halt mit neuen Inhalten. Neue Maps, neue Waffen, neue Singleplayer-Kampagne, aber sonst eben vor allem das, was wir drei Jahre davor schon cool fanden. Und hey, das war genau, was ich mir als Fan gewünscht habe. Nur musst du es als Publisher halt irgendwie anders verkaufen als mit Mehr vom Gewohnten
.
Nun hatte Modern Warfare 2 ja neben dem Wasser ja zumindest noch ein paar dicke Neuerungen im Paket, allem voran Warzone 2.0, den damals groß angepriesenen Neustart des Battle Royale, der mit all dem aufräumen sollte, was in den vergangenen Jahren schiefgelaufen war. Nur ... wie sieht das ein Jahr später aus?
Womit will Modern Warfare 3 die Leute einfangen? Allen Gerüchten zufolge war das 2023er Call of Duty ja lange als Addon für MW2 konzipiert - und das wird man dem Spiel anmerken, im Guten wie im Schlechten. Auf der Haben-Seite kann ich alle meine Errungenschaften aus Modern Warfare 2 importieren und, mein Gott, bin ich glücklich, nicht nochmal sämtliche Gold-Camos ergrinden zu müssen.
Das doppelte Zielgruppenproblem
Auf der anderen Seite befürchte ich für Modern Warfare 3 ein doppeltes Zielgruppenproblem:
- Für alteingesessene Fans sehe ich noch keinen Wow-Faktor. Ich habe weit über 100 Stunden in den Multiplayer von MW2 gesteckt und bekomme nun ... noch mehr Maps? Noch mehr Waffen? MW2 hat jetzt schon fast 70 Knarren. Was kümmern mich da zehn mehr oder weniger? Oder eine neue Warzone-Map - das wäre dann die vierte seit MW2?
- Bei Neulingen befürchte ich zum Release völlige Überforderung. Da laufen in den Matches Veteranen mit 50 hochgelevelten Knarren als Nicki Minaj, Turtles-Shredder, Snoop Dogg, Homelander oder Katzen-Operator Sergeant Pspsps herum.
Ich freue mich auf Modern Warfare 3. Sehr sogar, weil ich die Kampagne mag, den Multiplayer mit Freundinnen und Freunden. Aber selbst ich merke nach fünf Seasons Ermüdungserscheinungen, die einfach nur mehr Maps, Modi und Waffen auf Dauer nicht tilgen werden, schließlich hat MW2 von all dem schon reichlich.
Und obwohl die Steam-Zahlen für Modern Warfare 2 und Warzone nach wie vor sehr ordentlich aussehen, scheint auch Activision die Lunte zu riechen, denn im Spiel finden sich immer aggressivere Versuche, die Leute bei der Stange zu halten.
Erst gab es den Battle Pass, dann gab es kurzfristige Events, dann wurden die Seasons kürzer, damit ich in noch weniger Zeit noch mehr spielen muss, um alles freizuschalten. Jetzt bekomme ich tägliche Login-Boni, damit ich bloß jeden Tag irgendwas in Call of Duty tue.
Meine Prognose: Modern Warfare 3 bringt Verdansk mit großem Tamtam zurück, also jene Map, die damals den Warzone-Hype überhaupt erst lostrat. Aber wird das reichen? Launcht das neue Call of Duty wirklich mit einem großen Knall oder blubbert die Marke eher vor sich hin, bis irgendwann die nächste größere Revolution vor der Tür steht?
Ich bin sehr gespannt, welche Antworten Activision und die Entwicklerstudios auf diese Herausforderung finden.
Aber hey, zumindest auf einer positiven Note kann ich enden: Gerade weil Modern Warfare 3 so direkt auf MW2 aufbaut, dürfte der Release zumindest technisch kein so großer Fuckup werden wie 2022. Und das ist doch was.
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