Seite 2: Das Goldgeschäft - Ist Goldfarming legal?

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Vom Hersteller unerwünscht

Bloß die Videospielbranche, die will Eichmanns Traum nicht teilen. »Sie stimmen zu, dass Sie unter keinen Umständen Gold, Waffen, Rüstung oder andere virtuelle Gegenstände, die in World of Warcraft benutzt werden, außerhalb der World of Warcraft- Plattform für ›echtes‹ Geld kaufen oder verkaufen oder tauschen«, heißt es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von World of Warcraft. Ähnliche Formulierungen über die »kommerzielle Nutzung« eines Spiels finden sich in so gut wie jedem anderen Online-Rollenspiel. Publisher sehen das Geschäft mit dem Gold nicht gerne.

Seltene Bilder vom Arbeitsplatz asiatischer Goldlieferanten. Seltene Bilder vom Arbeitsplatz asiatischer Goldlieferanten.

Dabei kaufen ungefähr ein Viertel aller MMO-Spieler bei Portalen wie RandyRun ein, zumindest gemäß einer südkoreanische Studie. Alleine World of Warcraft dürfte somit drei bis vier Millionen mögliche Kunden bedeuten. Über 300 Dollar im Jahr sollen diese Spieler im Schnitt für Gold und Gegenstände ausgeben, so die Studie weiter.

Seiten wie RandyRun sehen sich als klassische Dienstleister für Spieler mit Zeitmangel und halten die AGB von Blizzard für unwirksam. »RandyRun verstößt definitiv nicht gegen das Gesetz. Der Kunde auch nicht«, sagt Michael Singer. »Wir würden ja nicht schon so lange existieren, wenn wir etwas Illegales täten. Das ist ja eine Frage der Existenz.« Dem lässt sich kaum widersprechen, schließlich ist RandyRun keine mafiöse Briefkastenfirma, sondern ein reguläres, ins Handelsregister eingetragenes Unternehmen in Schwabmünchen bei Augsburg. Wäre Blizzard daran gelegen, RandyRun vom Markt zu nehmen, dann hätten es der Entwickler längst versuchen können.

Nach der Zentrale einer illegalen Operation sehen die Büros von RandyRun nicht aus. Nach der Zentrale einer illegalen Operation sehen die Büros von RandyRun nicht aus.

Sind Goldhändler also ein Berufsstand, der zwar gegen die AGB vieler Spiele verstößt, dabei aber trotzdem im Rahmen des deutschen Gesetzes bleibt? Zumindest vor sieben Jahren schien es so für den Rechtsanwalt Dr. Andreas Lober. In einem gemeinsamen Gutachten mit dem Richter Olaf Weber für das Magazin c’t befand er, dass der Handel mit virtuellen Gegenständen legal ist. Wenn Gold und Gegenstände vom Spielehersteller ins Spiel gebracht werden, könne dieser die weitere Verbreitung und den Verkauf nicht mehr unterbinden, so Lobers Schlussfolgerung. Die Verbote in den AGB seien nicht rechtswirksam, weil sie so genannte »überraschende Klauseln« enthielten, die vom Nutzer übersehen werden könnten.

Nur falls Blizzard groß »Echtgeld-Handel verboten!« auf Spielepackungen drucken würde, sei das Verbot wirksam. Noch erfreulicher für die Item-Händler: Das EU-Kartellrecht würde sie schützen. Laut dem Gutachten sei es Spieleherstellern unmöglich, einen bestehenden Milliardenmarkt wie den Item-Handel zu behindern. Lobers Einschätzung hat Goldfarmern die nötige Legitimation gegeben. Der Händler VirtualGameWorlds etwa verweist in einem ausführlichen Eintrag zum »Kauf virtueller Güter in Online- Games« explizit auf den Anwalt. Auch Michael Singer zitiert Lober, wenn er nach der Legalität von RandyRun gefragt wird.

Goldselling in Zahlen

Wer glaubt, dass es sich beim Handel mit virtuellen Gegenständen nur um vereinzelte Kleinhändler handelt, irrt. Das Geschäft ist eine Industrie im Schatten der Online-Rollenspiele.

• Umsatz weltweit: drei Milliarden Dollar (lt. Weltbank 2009)
• Beschäftigte weltweit: 100.000 bis 400.000
• Größe einer Goldfarming-Firma: 10 bis 200 Mitarbeiter
• Durchschnittslohn in China: 1,70 Dollar/Stunde
• Durchschnittsarbeitszeit: 40 bis 60 Stunden/Woche
• Kosten einer Goldfarm in China: 4.000 bis 10.000 Dollar/Monat
• Kunden: Etwa 25 Prozent aller MMO-Spieler
• Preisrekord: 7.000 Dollar für den World-of Warcraft-Account des Schurken Zeuzo, der fünf Tage nach dem Verkauf gebannt wurde

Geduldet aber nicht erlaubt

Sieben Jahre nach Lobers Gutachten ist es allerdings schwer, noch einen Anwalt zu finden, der seine damaligen Ansichten teilt. »Ingameparadise & Co. übertragen ein Nutzungsrecht auf die Käufer, das ihnen der ursprüngliche Rechteinhaber – der Betreiber des Spiels – in der Regel zu keinem Zeitpunkt übertragen hat«, erklärt Ramak Molavi, Rechtsanwältin aus Berlin mit Schwerpunkt IT- und Games-Recht.

Heißt: Nicht die Item-Händler besitzen die virtuellen Gegenstände, sondern weiterhin der Hersteller. Und wer etwas nicht besitzt, kann es auch nicht verkaufen. »Viele Publisher haben bislang diesen Handel geduldet, denn indirekt hat es ihnen genutzt und zu mehr Aktivität im entsprechenden Spiel geführt. Sobald ein Spielebetreiber allerdings ein eigenes Echtgeldportal anbietet, wird er ein Interesse daran haben, den Handel allein in diesem Rahmen stattfinden zu lassen, um an der Provision zu verdienen. Es kann also gut sein, dass die Spielebetreiber aus diesem Grund früher oder später rechtlich gegen diese Drittanbieter vorgehen werden.«

Item-Händler halten dagegen, dass sie ja gar nicht die Spielgegenstände verkaufen, sondern stattdessen für ihren Arbeitsaufwand entlohnt würden. Stephan Mathé, ehemaliger Produktmanager bei Eidos und jetzt Partner der Hamburger Medien- und Wirtschaftskanzlei Rode + Mathé Rechtsanwälte, findet das nicht überzeugend: »Sicherlich ist die investierte Mühe und Zeit der Grund, warum diesen Gegenständen ein so hoher wirtschaftlicher Wert zukommt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass grundsätzlich der Spielentwickler als Urheber bestimmen darf, was mit dem von ihm geschaffenen Spiel und allen darin enthaltenen Gegenständen und Charakteren geschieht. Ohne das Spiel gäbe es auch keinen Handel mit Items.«

Und auch die Klauseln in den AGB gehören heute zum Alltag. »Eine Klausel ist nur dann ›überraschend‹, wenn sie im Kontext so ungewöhnlich ist, dass der User nicht mit ihrer Existenz rechnen kann«, erklärt Ramak Molavi. »Aus meiner Sicht konnte man am Anfang der Diskussion gut vertreten, dass eine solche Klausel überraschend ist. Inzwischen haben die meisten Spieler davon gehört, schließlich wird das inzwischen nicht nur ›versteckt‹ in den AGB aufgelistet, sondern auch in FAQs besprochen. Es ist zu bezweifeln, dass ein Gericht eine solche Klausel im Jahr 2012 als überraschend werten würde.«

Die Zeiten ändern sich

Rechtsanwalt Stephan Mathé Rechtsanwalt Stephan Mathé

Was den Status als kartellrechtlich zu schützenden Markt angeht, ist Stephan Mathé skeptisch: »Sicherlich gibt es im betriebswirtschaftlichen Sinne einen ›Markt‹, auf dem Spieler kaufen und verkaufen, aber dieser geht stets zurück auf den Schöpfer des Spiels und seine Rechte am Spiel. Im Gegensatz zum normalen Markt, der sich aus Angebot und Nachfrage für allgemein verbreitete Waren und Dienstleistungen ergibt, sind virtuelle Güter eben nicht allgemein zugänglich. Sie stammen vom jeweiligen Entwickler und sind ohne den laufenden Spielbetrieb wertlos. Wenn der Server abgeschaltet wird, existieren die Items schlicht nicht mehr. Daher greift das Wettbewerbsrecht aus meiner Sicht nicht, die Urheberrechte der Entwickler haben Vorrang.«

Selbst Dr. Andreas Lober, der ehemalige Fürsprecher der Legalität, relativiert seine Aussagen heute: »Ob entsprechende Klauseln sieben Jahre später noch überraschend sind, ist die Frage. Seinerzeit war der Item-Handel gerade in Korea von vielen Anbietern durchaus nicht ungern gesehen. Heutzutage verbieten – zumindest in Europa – fast alle Spielehersteller den Handel. Insofern könnte sich die Lage hier geändert haben.« Firmen, die gegen die AGB verstoßen, haben laut Lober mit Abmahnungen, einstweiligen Verfügungen und Schadensersatzklagen zu rechnen. Wie kommt es also, dass RandyRun & Co. immer noch geduldet werden?

»Goldfarmer zahlen Abogebühren und spielen das Spiel legitim wie jeder andere auch. Sie sollten eigentlich kein Problem sein für Publisher«, erklärt Steven Davis, einer der angesehensten Sicherheitsexperten für Online-Spiele. »Die Betonung liegt hier aber auf ›sollten‹. Denn leider funktioniert die Welt selten ideal.« Tatsächlich kommen nur 30 Prozent allen Goldes über legales Spielen in die Portale.

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