Seite 4: Wie man den perfekten Schurken schreibt - Hinter den Kulissen bei The Witcher, BioWare und Co

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Selbst im Wahnsinn bleibt er nachvollziehbar

Nicolas Lietzau, Autor, THQ Nordic
(SpellForce 3, Enderal)

Für mich steht an erster Stelle die Nachvollziehbarkeit. Bis auf wenige Ausnahmen begreifen sich "Schurken" im echten Leben selten als böse. Wenn man also einen glaubwürdigen, spannenden Antagonisten schreiben will, sollte man seinen Motiven mindestens genau so viel Aufmerksamkeit widmen wie den Protagonisten. Nur dann wirkt es authentisch und weckt das Interesse der Spieler. Dabei müssen diese Motive gar nicht unbedingt verirrtem Idealismus entspringen, sondern können auch auf eine verschrobene Gefühlswelt zurückzuführen sein. Ein gutes Beispiel dafür ist Vaas aus Far Cry 3: Seine Taten sind abscheulich, ergeben aber aus seiner Perspektive heraus vollkommen Sinn.

Die zweite "Kernzutat" ergibt sich aus der ersten: Vielschichtigkeit. Natürlich spricht nichts gegen einen typischen "Ich bin böse und würde Euch zerschmettern!"-Obermotz, aber gerade heutzutage wirkt dieses Schwarz/Weiß-Modell schnell veraltet. Charaktere wie Cersei aus Game of Thrones sind deshalb so spannend, weil sie mehr sind als ein Abziehbild - sie haben komplexe Persönlichkeiten.

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In anderen Worten, ein echter Schurke mag grausam sein, aber selten ist diese Grausamkeit alles, was ihn ausmacht - Cersei ist beispielsweise machthungrig, aber gleichermaßen von der Liebe zu ihren Kindern getrieben. Gerade Videospiele haben in der Hinsicht noch viel zu lernen - oft sind Antagonisten dort nämlich nur eindimensionale Mittel zum Zweck.

Behält man diese beiden Kernaspekte (Nachvollziehbarkeit und Vielschichtigkeit) im Hinterkopf, kann man auch auf Tropes oder Archetypen beim Designprozess verzichten, denn als Konsument von Pop-Kultur arbeitet man sie ohnehin unterbewusst von selbst ein. Beim Design-Prozess hilft es, sich folgendes in Erinnerung zu rufen: Ein guter Schurke soll im Spieler Emotionen auslösen- und wenn man diese als Writer beim Schreiben selbst nicht fühlt, warum sollten die Spieler es dann tun?

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Er hätte es verdient, zu gewinnen

Gavin Jurgens-Fyhrie, leitender Autor, inXile Entertainment
(Torment: Tides of Numenera, Diablo 3)

Ein Schurke muss besser sein als der Held. Wenn der Held schlau ist, muss der Schurke schlauer sein. Wenn der Held zäh ist, muss der Schurke beinah kugelsicher sein. Nach jeder Begegnung mit dem Schurken sollte der Held überrascht sein, dass er überhaupt überlebt hat.

Und doch ist der Schurke nicht einfach nur für den Helden da. Schurken sind per Definition Erfolgsgeschichten. Sie haben schreckliche Verluste erlitten und sich aufgemacht, die Dinge wieder ins Lot zu rücken - um jeden Preis. Daran haben sie schon seit Jahren gearbeitet, während der Held immer noch in seinem abgelegenen Bergdorf Schafe gehütet hat.

In anderen Worten sind Schurken Charaktere, die es verdient haben, zu gewinnen. Selbst wenn ihre Ziele schrecklich sind und der Held nur eine winzige Chance hat, sie aufzuhalten.

Torment: Tides of Numenera - Test-Video: Die beste Story seit The Witcher 3 Video starten 10:26 Torment: Tides of Numenera - Test-Video: Die beste Story seit The Witcher 3

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