Die deutsche Spieleindustrie geht also mal wieder den Bach runter. Wer viele Games-Medien liest und vielleicht auch selbst Entwickler ist, kann sich dieser Tage seine tägliche Portion Doomsday-Gruseln abholen. Und dabei betrifft es nicht nur die hiesige Industrie, sondern auch Marken aus internationalen Gewässern, die man eigentlich für eine sichere Nummer hielt. Winter is coming, everybody!
Da wirkt die aktuelle Meldung über die Zukunft des Deutschen Computerspielpreises aus dem Haushaltsausschuss des Bundestages fast wie eine Randnotiz, mit der man irgendwie schon gerechnet hat.
Aber worum geht's eigentlich? Der Antrag des Verkehrsministeriums auf Erhöhung des Preisgeldes wurde abgelehnt und damit die Gesamtsumme von 470.000 Euro vorerst eingefroren. Was sich erst mal nach viel anhört, wurde letztes Jahr an immerhin 14 Gewinner-Teams verteilt. Schon deshalb wäre eine Erhöhung wünschenswert. Außerdem müssen die beiden Branchenverbände BIU und GAME nun zwingend die Hälfte des Preisgeldes mittragen, während in der Vergangenheit nur von einer »angemessenen« Summe die Rede war. Von einer staatlichen Förderung kann da fast schon nicht mehr die Rede sein.
In seiner Eröffnungsrede für die diesjährige Verleihung im April lobte der Bundesverkehrsminister das Preisgeld noch als eine von drei Errungenschaften, die den DCP so großartig machen: »Das höhere Preisgeld, ganz selbstverständlich. [...] Meine Damen und Herren, das kann nicht das Ende sein des Aufwuchses.« Es gibt Gründe, warum man sich die Eröffnungsreden auch sparen kann, leider. Nicht von ungefähr gibt es ein Bullshit-Bingo rund um den Preis.
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Die Autorin
Mit dem DCP verbindet Jana Reinhardt die wunderbare Erinnerung, dass sie den Preis 2015 selbst mal gewonnen hat. Das »Beste Jugendspiel«; gab es damals für TRI: Of Friendship und Madness. Seit 2011 entwickelt sie zusammen mit Friedrich Hanisch als RAT KING Indie-Spiele. Jana ist dort zuständig für den Zucker in die Augen.
Was der DCP bedeutet
Was Spieleentwicklung in Deutschland in den Augen der Politik wert ist, wird dann auch in der Interviewrunde vor Beginn der letzten Preisverleihung klar. YouTuber Sarazar fragt Dobrindt wie er den deutschen Gamesmarkt einschätzt, worauf dieser antwortet: »Es ist eigentlich ein starker Markt. Die Spieleentwickler haben für uns eine besonders hohe Bedeutung, weil sie der Innovationstreiber in der digitalen Technik sind. [...] Die Gamer sind diejenigen, die heute schon zeigen, was der Trend in vielen anderen Bereichen in Zukunft sein wird.«
Deutscher Computerspielpreis:Das waren die Preisträger 2016
Im Land der Autobauer sollen wir also die Innovationstreiber sein. Was mit Computern und Zukunft und so. Haben wir nicht geliefert? Sollten wir mehr VR-Brillen in Interviews tragen? Was ist mit Spielen als Kulturgut? Wer jetzt anfängt, abzuschalten, weil er das Geheule leid ist und den Preis eh Mist findet, peinlich und uncool, dem muss ich vielleicht erst mal erzählen, was der Preis für uns Entwickler bedeutet. Natürlich habe ich hier als letztjähriger Preisträger die rosarote Brille auf, aber das bedeutet der DCP für mich:
Erstens haben wir nur diesen Preis! Natürlich gibt es noch den Deutschen Entwicklerpreis, der jetzt im Dezember verliehen wird, aber der DEP ist doch eher branchenintern, und zudem fehlt die finanzielle Zuneigung, die wir alle nötig haben. Den Deutschen Computerspielpreis abzuschaffen, kann also nicht ernst gemeint sein. So schnell baut sich da bestimmt nichts Neues auf.
Zweitens: Das Preisgeld - und das macht wahnsinnig viel aus! Ganz ehrlich, ohne den DCP gäbe es RAT KING vermutlich nicht mehr. Wir sind wie so viele Indies 2011 in Deutschland gestartet. Wir waren blauäugige Anfänger mit Talent, aber ohne jegliche betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Wir hatten einfach Bock, selbst Spiele zu entwickeln. Aber das reicht heute nicht mehr. Wer seinen ersten Titel verkackt, ist raus. Der DCP schafft aber Jahr für Jahr Zäsuren als Signal an die gesamte Branche. Lobt nicht nur wohlgemeint, sondern finanziert mit einer nicht unerheblichen Geldspritze auch das nächste Spiel.
Kohle zum Heizen
Und damit ist für uns Indies - und nur für die kann ich sprechen - nicht Schluss. Dank des Zuspruchs der Jury und der Finanzierung des DCP öffnen sich für uns plötzlich Türen und Möglichkeiten, die wir so nicht gehabt hätten. Natürlich ist dafür auch unser fertiges Spiel TRI: Of Friendship and Madness verantwortlich, aber eben auch die nette Summe von 50.000 Euro (minus Steuern!).
Jetzt erst können wir Förderungen beantragen, die uns eine stabile Vorfinanzierung ermöglichen. Nur dank des DCP konnten wir uns auf die EU-weit ausgeschriebene Creative-Media-Förderung bewerben. Und zwar mit Erfolg. Auch der Antrag auf unsere lokale Förderung - der Mitteldeutschen Medienförderung - ist uns nur deshalb gelungen. Wer Geld will, muss leider schon Geld haben.
Ja, es braucht Kohle zum Heizen, auch im Winter der Games-Branche! Neuartige Konzepte, Experimente und Produktionen die nicht so aussehen, wie Spiele die man schon mal irgendwo gesehen hat, technologische Exzellenz und tiefer gehende interaktive Erzählungen aber sind nur möglich, wenn man auch mal Fehler machen kann. Sich ausprobiert.
Dass die Politik da keine Weitsicht hat und die Zeichen der Zeit nicht erkennt, wie wichtig und einzigartig dieses interaktive Medium ist, macht traurig.
Dabei werden hier echt gut Spiele gemacht! Die müsst ihr pushen - nicht nur liken! Ich schlage kurzfristig vor, dass jeder von uns mindestens drei geile Spiele aus Deutschland noch dieses Jahr kauft. Nicht in Bundles. Vollpreis - wisst ihr noch, was das ist? So helft ihr der Industrie, euren Freunden und Kollegen, am Allermeisten! Wir brauchen immer noch den DCP, um die Produktionen anzupacken, aber so übersteht man auch wenigstens den Winter.
Wir machen echt gute Spiele. Lasst es alle wissen - vielleicht erreicht es die Politik auch mal und dann sieht auch der Preis anders aus. Ich habe hier The Curious Expedition, am Freitag kommen Die Zwerge und zum Nikolaus gibt's Shadow Tactics.
Und ihr so? #GreatGermanGames
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