Seite 3: Diablo 3 im Test - Aus der Asche

Ursprünglicher Inferno-Nachtest

Das Spielspaß-Inferno

Auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad »Inferno« mutiert Blizzards Monsterhatz zu einem völlig anderen Spiel. Das wirkt sich auch auf unsere Wertung aus.

ACHTUNG: Nachtest #1 mit Wertungs-Abzug!
Wir haben Diablo 3 wochenlang im Inferno-Modus gespielt und passen in unserem Kontrollbesuch die Wertung für Blizzards Action-Rollenspiel entsprechend an. Die neue Wertung finden Sie im Wertungskasten. Einen neuen Meinungskasten zum Nachtest lesen Sie im Fazit. Den ursprünglichen Test-Text finden Sie ab Seite 5 des Artikels.

Klarer hätte Alex Curelea seinen Blogeintrag nicht überschreiben können: »Warum Diablo 3weniger süchtig macht als Diablo 2«, das sitzt. Anhand von Beispielen aus der Verhaltenspsychologie umreißt der kanadische Software-Entwickler den Unterschied zwischen den Beutesystemen der beiden Blizzard-Spiele.

Die wissenschaftlichen Details wollen wir an dieser Stelle überspringen, uns geht’s um Cureleas Schlussfolgerung: Während Diablo 2 seine hochstufigen Spieler in eine Belohnungsspirale saugt, strudeln sie in Diablo 3 in eine Frustspirale.

Wer in Diablo 2 einen nützlichen Gegenstand findet, fühlt sich stärker, metzelt sich leichter durch die Monsterhorden und ist so motiviert, wieder ein Weilchen weiterzuspielen, bis zur nächsten Belohnung. Diablo 3 sollte eigentlich genauso funktionieren, erweist sich auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad »Inferno« aber als so knüppelhart, dass die Helden schnell in Sackgassen geraten, weil die Monster zu stark sind.

Das bremst den Spielfluss aus, bessere Ausrüstung gibt‘s nur noch selten. Also wenden sich die Spieler dem Auktionshaus zu, um Gegenstände zu ersteigern und ihren Frust zeitweise zu lindern – bevor sie auf die nächste Stelle stoßen, an der sie nicht weiterkommen.

Daraus destilliert Curelea den Vorwurf, das komplette Item-System von Diablo 3 sei aufs Auktionshaus ausgelegt. Im Langzeit-Test stellen wir das Endgame der Monsterhatz daher auf die Probe, denn um es klar zu sagen: Mit derart gravierenden Schwächen hätte Diablo 3 keine 90er-Wertung mehr verdient.

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Fortschritt durch Farming

Cureleas Blogeintrag ist weder Einzel- noch Präzedenzfall, er steht einfach stellvertretend für die Beschwerden vieler Spieler über das Charakter- und Beutesystem von Diablo 3. Weil die Helden-Höchststufe 60 bereits am Ende der zweithöchsten Anspruchsstufe »Hölle« erreicht ist, entfallen auf »Inferno« die Levelaufstiege als Motivationsmotor. Fortschritt findet nur noch über die Ausrüstung statt; wer besser kämpfen will, braucht schärfere Schwerter und dickere Rüstungen, so einfach ist das.

Elite-Feinde mit der Fähigkeit »Unverletzliche Diener« hüllen ihre Begleiter in undurchdringliche Schutzschilde. Elite-Feinde mit der Fähigkeit »Unverletzliche Diener« hüllen ihre Begleiter in undurchdringliche Schutzschilde.

Die meisten Online-Rollenspiele funktionieren genauso, auf der Höchststufe geht’s ums Optimieren der Gegenstände, um Werteboni, Zahlenspiele. Bei World of Warcraft & Co. weiß man allerdings meist im Voraus, wo es hochwertige Beute gibt – bei Raids, PvP-Kämpfen, Fraktionshändlern. Das Diablo-Beutesystem basiert hingegen auf Zufall, niemand weiß, ob das nächste Monster ein »Kümmerliches Stöckchen der Einfalt« oder die »Axt der absoluten Zerstörung« fallen lässt.

Das macht es auch so trocken, sich auf »Inferno« durch die Monsterhorden zu hacken – man weiß nicht, ob dabei überhaupt etwas herauskommt oder die Schnetzelmüh‘ umsonst ist. Um sich diesen Frust zu ersparen, gehen viele Spieler lieber direkt ins Auktionshaus.

Nun müssen wir fairnesshalber ergänzen, dass Curelea seinen Blogeintrag schon Anfang Juni verfasst hat. Seitdem hat sich einiges getan, die Entwickler scheinen die Probleme erkannt zu haben – zumindest ansatzweise. Mit dem Patch 1.3 hat Blizzard die Beutechance auf brauchbare Gegenstände spürbar erhöht, Waffen und Rüstungen der maximalen Item-Stufe 63 finden »Inferno«-Helden nun bereits im ersten Story-Akt.

Wobei »maximale Item-Stufe« nicht automatisch »maximal gute Gegenstände« bedeutet, ein Großteil der Beute bleibt Schrott und das Auktionshaus eine wichtige Anlaufstelle für Spieler, die nicht tagelang kämpfen möchten, um endlich mal wieder etwas Nützliches zu finden.

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Legendär nutzlos

Derweil antwortet Blizzard auch direkt auf Cureleas Vorwürfe: Das Beutesystem seien keineswegs darauf ausgelegt, die Spieler ins Auktionshaus zu treiben, erklärt der Designer Wyatt Cheng. Vielmehr sei es völlig normal, dass bessere Gegenstände entsprechend seltener vorkämen und die Spieler irgendwann an den Punkt stießen, an dem sie lange nach neuer nützlicher Beute suchen müssten.

Schatzkobolde (rechts) sind auf »Inferno gern gesehen, weil sie viel Beute abwerfen. Schatzkobolde (rechts) sind auf »Inferno gern gesehen, weil sie viel Beute abwerfen.

Das lässt sich nicht von der Hand weisen, in Diablo 2 war’s schließlich genauso: Auf »Hölle« und mit einem Level-70-Charakter konnte es Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern, bis man wieder etwas Sinnvolles erbeutet hatte.

Das Auktionshaus von Diablo 3 hält den Spielern nun jedoch stets eine Karotte vor die Nase – und macht sie damit unzufrieden. Denn hier gibt‘s haufenweise bessere Items, die man ganz einfach ersteigern kann – wenn man vorher genügend Gold sammelt (zu den Echtgeld-Auktionen kommen wir gleich). Wer schnelle Erfolge will, muss also stumpfsinnig Klimpermünzen anhäufen, was nun mal weniger Spaß macht, als die Ausrüstung im Kampf zu erbeuten.

Auch blau gefärbte Monster-Champions sind auf »Inferno« brandgefährlich. Auch blau gefärbte Monster-Champions sind auf »Inferno« brandgefährlich.

Durch das Auktionshaus lagert Blizzard also eine Belohnungsmechanik aus, die eigentlich IM Spiel greifen sollte. Noch dazu könnten die Versteigerungen komfortabler ablaufen, uns fehlt unter anderem eine Sortierfunktion nach der verbleibenden Auktionszeit oder ein Vergleichsfenster für beide aktuell ausgerüsteten Ringe statt nur für einen.

Cureleas lässt Chengs Einwand gelten, ergänzt aber: »In einem Punkt lasse ich trotzdem nicht locker – obwohl ich erst jetzt merke, dass ich ihn ursprünglich gar nicht gemacht hatte: Selbst wenn man das Auktionshaus beiseitelässt, ›fühlt‹ sich Diablo 3 weniger belohnend an als Diablo 2.«

Und damit hat er vollkommen Recht. Das beginnt schon damit, dass legendäre Gegenstände – eigentlich die mächtigste und mit Abstand seltenste Item-Klasse – wesentlich zu schwach sind. Viele Spieler finden nach Monaten ihr erstes legendäres oder gar Set-Item und können es sofort wieder wegwerfen, weil selbst seltene (»gelbe«) Gegenstände im Regelfall mächtiger ausfallen.

Damit entzieht Blizzard ausgerechnet dem Beute-Nonplusultra den Daseinsgrund – kein Vergleich zu den einzigartigen Gegenständen oder den Ausrüstungs-Sets von Diablo 2, die sich auch tatsächlich einzigartig und mächtig anfühlten.

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