Dungeons & Dragons: Es ist erschreckend, was beim größten Rollenspiel der Welt alles nicht funktioniert

Der Hype für D&D5 ist ungebrochen und wurde durch Baldur’s Gate 3 sogar noch weiter angefeuert. Aber Mháire findet: Dungeons& Dragons bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten zurück, weil es engstirnig an überholten Designkonzepten festhält.

Dungeons + Dragons ist das größte Rollenspiel der Welt, macht aber auch viel falsch. Bildquelle: Wizards of the Coast Dungeons & Dragons ist das größte Rollenspiel der Welt, macht aber auch viel falsch. Bildquelle: Wizards of the Coast

Ich spiele wirklich gerne Dungeons & Dragons in der fünften Edition. Es hat reihenweise unterhaltsame Optionen für Charaktere, ist in einer halben Stunde gelernt und ab Level 5 machen die Kämpfe richtig Spaß.

Ein guter Teil der Freude an D&D speist sich allerdings aus der Nostalgie, die ich für viele der Kampagnenwelten in mir trage. Je mehr Menschen in meinem Umfeld mit D&D anfangen - egal ob Freunde oder Streamer-Kolleginnen und -Kollegen - und davon maßlos begeistert sind, desto mehr frage ich mich aber: Wieso eigentlich? Es gibt so vieles, was andere Rollenspiele deutlich besser machen, vor allem aus Spielleitungs-Sicht.

Mháire Stritter
Mháire Stritter

Mháire Stritter spielt D&D seit ihrer Kindheit in den 90ern. Sie moderiert seit 2009 bei OrkenspalterTV, wo sie bereits über 100 verschiedene Rollenspielsysteme rezensiert und viele davon auch im Livestream gespielt hat. Sie ist außerdem Autorin für Das Schwarze Auge, Cthulhu, das Deponia RPG, Space 1889 und viele mehr.

Ich kann es mir nur so erklären: D&D ist wie das Marvel Cinematic Universe. Diese Filme sind alle absolut brauchbar, einige sind sogar genial, sie sind auf Mainstream-Appeal getrimmt und sehen hübsch aus. Aber wenn man außer dem MCU noch nie einen Film gesehen hat, merkt man vermutlich nicht, was hier alles nicht funktioniert.

Und bei D&D5 sind es zum Beispiel diese 5 Schnitzer:

Langweilige NSCs

Viele NSCs (oder NPCs) in offiziellen Kampagnen haben in etwa so viel Charme wie eine Excel-Tabelle. Dabei sind das doch die Figuren, mit denen die SL die Spielwelt lebendig machen muss. Manchmal bekommen sie ein Bild, ansonsten bestehen sie bei D&D5 oft nur aus Namen und Werten.  Anregungen, wie man diese Charaktere als Spielleitung mit Leben füllen kann, gibt es fast nie.

Zum Vergleich: Bei Spielen wie Das Schwarze Auge bekommt jeder NSC eine kurze Liste mit Stichworten, die bei der Darstellung helfen sollen. Da reichen simple Eigenschaften wie »Fistelstimme« oder »Klamotten eine Nummer zu eng«, damit die Figur in Erinnerung bleibt. Beim Retro-Spiel Dragonbane bekommt jeder(!) NSC sogar einen eigenen Kasten mit Kurzbeschreibungen und aussagekräftigen Porträts.

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Zu große Dungeons 

Bei D&D geht es seit 50 Jahren darum, Verliese leerzuräumen. Aber muss das heißen, dass fast jede Kampagne einen Megadungeon braucht? Oft enthalten diese Dungeons viele öde Räume und die dienen allein dem Grind: Sie sind Heimstatt für laufende XP-Dosen (aka Monster), die die SCs auf die nächste Stufe bringen sollen.

In einer Zeit, in der viele die Meilenstein-Regel nutzen (also eine Stufe aufsteigen, wenn es in die Story passt), sollte das eigentlich nicht mehr nötig sein. Viele andere Spiele dampfen ihre Kerker auf die relevanten Räume ein, wodurch mehr Zeit für das eigentliche Rollenspiel bleibt.

Dragonbane In Dragonbane sind Dungeons oft kompakt und übersichtlich.

Dungeons & Dragons Bei D&D steckt Dungeon im Namen und das nimmt der Publisher wohl sehr ernst.

Textwüsten und faules Layout

Kennt ihr das Abenteuer Out of the Abyss? Die Szene ist sich meist einig: Man kann dieses Buch, so wie es geschrieben ist, nicht leiten. Entweder holt man sich einen von Fans erstellten Guide oder verfasst selbst ein Übersichts-Notizbuch. Abyss ist ein Extrem- aber kein Einzelfall.

Gerade die Dungeon-Beschreibungstexte bei D&D 5e sind mechanisch klingende Textwüsten ohne Flair, die im Layout nur durch die Fettung der Monsternamen aufgebrochen werden. Kerninfos zum Plot muss man in diesen Textmengen mühsam suchen. Nebenquesten werden genauso irgendwo in einem Nebensatz dieser unstrukturierten Textbrocken gegeben und bleiben dann unauffindbar, wenn man sie mehrere Sessions später angehen will.

Gerade für Spielleiter sind die Textblöcke in D+D-Büchern oft unübersichtlich. Gerade für Spielleiter sind die Textblöcke in D&D-Büchern oft unübersichtlich.

Das erschwert die Aufgabe der SL, dabei ist die Lösung denkbar einfach: bessere Struktur. Tabellen können auflisten, wo und auf welcher Seite und bei welchen NSCs welche Quest abgeholt oder gelöst werden kann. Raumbeschreibungen könnten in Offensichtliches, Verstecktes, Begegnungen, und »Wenn-Danns« aufgeteilt werden. Generell könnten sie auch einfach in Stichworten daherkommen.

Indie-Spiele wie Mörk Borg machen das vor: Ein ganzes Abenteuer passt da auf eine Doppelseite, weil es nur aus dem hervorragend gelayouteten Dungeonplan und Stichworten besteht. So etwas ist fast ohne Vorbereitung leitbar. Dass D&D diese paar Extra-Tage Arbeit in ein gutes Layout nicht investiert, grenzt an Dreistigkeit. Natürlich kann ich mit so etwas arbeiten, aber warum sollte ich noch so viel Zeit investieren, wenn ein 1-Mann-Projekt aus Schweden das besser kann als »das größte Rollenspiel der Welt«?

Mörk Borg ist super, wenn ihr einfach und schnell ins Abenteuer starten wollt. Mörk Borg ist super, wenn ihr einfach und schnell ins Abenteuer starten wollt.

Mangel an kleinen Publikationen

Mit Ausnahme der Einsteigerboxen muss offenbar jedes D&D-Werk ein 200-Seiten Hardcover für 50 Euro sein.  Zu Zeiten von Advanced D&D wurden uns noch Boxen und kurze Softcover-Abenteuer beschert. Ich mag zwar, wie sich die Hardcover im Regal machen, aber einsteigerfreundlich geht anders.

Wer knapp bei Kasse ist oder nur ein kurzes Abenteuer für eine Session braucht, muss auf 3rd Party-Kram oder PDFs zurückgreifen. Der Zwang zum teuren Hardcover heißt, dass man oft auch Geld für Totholz ausgibt, von dem man dann nur einen Bruchteil nutzt, wie etwa im Fall des aktuellen Abenteuers The Shattered Obelisk, das zu 30 Prozent ein Reprint eines Abenteuers aus der Einsteigerbox ist.

D+D-Bücher machen im Regal was her, doch eine schlanke Version wäre auch mal nett. D&D-Bücher machen im Regal was her, doch eine schlanke Version wäre auch mal nett.

Fehlende Social Skills

Nur vier oder fünf der Fertigkeiten in 5E beziehen sich auf soziale Interaktionen. D&D ist im Kern ja auch ein Kampfspiel, aber wenn ich mir all die eigenen Runden und viele Twitch-Streams anschaue, ist das nicht mehr unbedingt die Art, wie es gespielt wird. Die heutige Zielgruppe nutzt das Spiel, um Geschichten mit persönlichem Drama und Interaktion der Charaktere aufzuziehen, aber die Tools dafür liefert D&D gar nicht mit.

Abenteuer wie The Wild Beyond the Witchlight kommen zwar komplett ohne Dungeons aus, sind aber die Ausnahme. Dragonheist will ein Stadt-Abenteuer mit Ermittlungsaspekten sein, wurde aber dann doch wie ein linearer Dungeon designt. D&D fehlt ein richtig schön sandboxiges Stadt-Abenteuer mit echten Freiheiten für die SCs und mehr Optionen für soziale Charaktere wären auch super! 

The One Ring macht das recht gut. Hier wird das Vorsprechen bei Schwergewichten wie Elrond ähnlich dramatisch abgehandelt, wie ein Kampf gegen eine Bande Orks. Der Archetypus des Face ist in Shadowrun da, um zu überreden, flirten, verhandeln und belügen, maßgeschneiderte Pheromone inklusive.

In The One Ring liegt ein größeres Augenmerk darauf, auch Gespräche regeltechnisch abzuhandeln. In The One Ring liegt ein größeres Augenmerk darauf, auch Gespräche regeltechnisch abzuhandeln.

Die Designer haben bereits angekündigt, dass die kommende Edition einige dieser Probleme ausmerzen wird und auch wenn die hier nicht mitlesen, hoffe ich persönlich vor allem, dass das Layout nutzbarer wird und mir dadurch weniger Zeit in der Vorbereitung gestohlen wird. Alles andere liegt am Ende ja auch immer in der Hand der Spielrunde, die mit den Regeln machen kann, was sie will (auch wenn es dafür etwas Erfahrung braucht).

Ich könnte natürlich einfach ein anderes Spiel spielen, wenn mir das alles nicht passt, und persönlich mache ich das oft genug. Aber dazu muss man seine Freunde erstmal motivieren und oft kennen die bisher nichts anderes als D&D. Und Spaß macht es bei all der Kritik ja trotzdem. Von der Nostalgie für die Welt ganz zu schweigen.

Vielleicht habt ihr ja jetzt Lust bekommen, euch die genannten Systeme selbst einmal anzuschauen - oder ihr verratet mir, was eure liebsten D&D-Alternativen sind? Oder gibt es nichts auf der Welt, das euch von Dungeons & Dragons abbringen kann? Was sind eurer Meinung nach die größten Stärken des Systems? Der Kommentarbereich steht euch offen!

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