Spieleentwickler in Sorge um finanziellen Ruin: Verbreitete Engine schockt mit Preisänderung, erntet massive Kritik

Zahlreiche Entwicklerinnen und Entwickler sind wütend auf Unity, denn die Engine verändert ihr Bezahlmodell auf eine Art, die viele für zerstörerisch halten.

Viele Indie-Studios sind in Aufruhr, denn Unity passt die Geschäftsbedingungen an. Viele Indie-Studios sind in Aufruhr, denn Unity passt die Geschäftsbedingungen an.

Wer ein wenig in der Entwickler-Szene vernetzt ist, dem schlägt auf X (ehemals Twitter) an diesem Mittwochmorgen eine Welle der Entrüstung entgegen. Die komplette Plattform wird momentan von wütenden Tweets geflutet, die zum größten Teil von Entwicklerinnen und Entwicklern stammen.

Der Grund für diesen Ärger ist die Unity Engine, oder besser gesagt deren neue Preispolitik. Ab dem 1. Januar 2024 soll eine Gebühr erhoben werden, jedes mal, wenn ein Unity-Spiel irgendwo installiert wird. Zumindest war das vor dem Aufschrei noch der Plan.

So überarbeitet die Unity Engine ihre Preise

Die Unity Engine zählt zu den beliebtesten Engines der Spieleentwicklung und ist in ihrer Grundform sogar kostenlos zu haben. Erst die etwas fortgeschrittene Variante kostet Studios eine jährliche Gebühr.

Zusätzlich kündigte Unity nun aber am 12. September 2023 eine Preisänderung an. Demnach kommt auf die Studios ein Gebühr hinzu, die davon abhängt, wie oft ihr Spiel auf Konsolen oder dem PC installiert wird.

Die Gebühr wird dabei von den installierten Einheiten und den Einnahmen beeinflusst. Auch, ob eine kostenlose oder kostenpflichtige Version von Unity verwendet wird, spielt hier mit rein.

Eine Gebühr von 0,20 US-Dollar für jede Installation wird etwa fällig, sobald folgende Anforderungen erfüllt sind:

  • Das Spiel muss in den letzten 12 Monaten 200.000 US-Dollar eingenommen haben.
  • Das Spiel muss insgesamt 200.000 mal installiert worden sein.

Mit einer kostenpflichtigen Version von Unity werden die Schwellenwerte angehoben und die Kosten reduziert, bis zu einer Gebühr von mindestens 0,01 US-Dollar. Außerdem können die Kosten je nach Region variieren.

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So reagieren die Entwickler

Wie eingangs erwähnt, sorgt diese Ankündigung nicht gerade für Jubelstürme. Auf X teilten viele Studios ihre Sorgen und einige sprachen sogar davon, bei laufenden Entwicklungen die Engine zu wechseln oder gar ihre Spiele zu löschen.

Das Studio hinter dem für 2024 geplanten Krabben-Spiel Another Crab's Treasure verfasste ein ausführliches Statement, in dem sie erklären, wie diese Änderung die Stabilität ihres Unternehmens gefährdet:

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In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Massive Monster, das Entwicklungsstudio hinter dem Indie-Geheimtipp Cult of the Lamb. Die Änderung soll zu einer massiven Verschiebung ihrer geplanten Projekte führen, da sie ebenfalls erst lernen müssten, mit einer neuen Engine zu arbeiten.

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In einem anderen Tweet spricht das Studio mit einem Augenzwinkern sogar darüber, Cult of the Lamb am 1. Januar 2024 einfach zu löschen.

Wir haben auch bei deutschen Studios nach Statements gefragt. So äußerte sich Jan Theysen, Creative Director bei King Art (Iron Harvest, Die Zwerge), folgendermaßen:

Ich habe mich über die Änderungen sehr gewundert. Ich kann verstehen, dass Unity (mehr) Geld verdienen muss. Aber warum wirft man der Community ein unausgegorenes Modell vor die Füße, das erhebliche Risiken und Unsicherheiten birgt? Es wird wieder einmal eine Menge Vertrauen verspielt und Unity wird wieder einmal zurückrudern müssen. Ich würde mir wünschen, dass bei Unity mal wieder Spieleentwickler anstatt Suits die Marschrichtung bestimmen würden.

- Jan Theysen, King Art

Auch Johannes Roth von dem Münchner Studio Mimimi (Desperados 3, Shadow Gambit) zeigte sich von dieser spontanen Vertragsänderung schockiert und spricht von einer Katastrophe, vor allem in der Kommunikation.

2012 konnte man noch eine Lizenz kaufen und man hatte diese dann "für immer", bis halt die Patches nach einer gewissen Zeit ausliefen. In den letzten Jahren gab es mehrfach Preiserhöhungen um 20%, alle Rabatte wurden gestrichen und neue, teurere Lizenzversionen eingeführt. Zusätzlich zahlen wir nun seit vielen Jahren monatlich Gebühren für die Engine, mit der Begründung, dass genau das die Weiterentwicklung finanziert. Wenn sich dann also auf Studioseite eine Spielentwicklung verlängert, kostet das jeden Monat auch wieder Engine-Gebühren, obwohl man die Version zu diesen Entwicklungszeitpunkten nicht mehr ändert und an der Weiterentwicklung der Engine gar nicht mehr interessiert ist.

Wenn das so in der Form durchgeht, insbesondere für bestehende Games und Verträge, verliere ich jeden Glauben an jegliches System. Für neue Projekte kann man es ja einpreisen und sich entscheiden, und ja, Unity muss letztlich als Unternehmen funktionieren, um eine gesunde Engine anzubieten. Aber rückwirkend jedes Unity Spiel abzurechnen ist schlichtweg irre.

- Johannes Roth, Mimimi

Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Tweets, in denen Entwicklerinnen und Entwickler sich über diese Änderung aufregen. Im Kern wurden folgende Sorgen geäußert:

  • Demos könnten zu einem finanziellen Risiko werden.
  • Spiele ohne Kopierschutz sind ebenfalls ein Risiko.
  • Charity-Games ohne Gewinnorientierung werden noch seltener.
  • Kostenlose Spiele wie etwa im Epic Store könnten finanzielle Schäden verursachen.
  • Es lohnt sich unter Umständen nicht, Teil vom Xbox Game Pass oder von PS Plus zu werden.
  • Crossplattform-Spiele werden zu einer finanziellen Belastung.
  • Wütende Spielerinnen und Spieler könnten durch gezieltes Installations-Bombing ein Studio aktiv in den Ruin treiben.

Allgemein zeigen sich Entwickler außerdem darüber schockiert, dass Unity einfach so ohne groß Kontakt aufzunehmen vertragliche Bedingungen verändert, die für viele Studios wie aus dem Nichts kommen und sie massiv beeinflussen.

Unity rudert bereits zurück

Allerdings scheint es momentan so, als würde Unity aufgrund des heftigen Gegenwinds bereits zurückrudern. Offiziell wurde die Preisänderung seit der Ankündigung noch nicht rückgängig gemacht und soll ja auch erst am 1. Januar 2024 eintreten.

Allerdings wurden bereits Statements eingeholt, die einige Begebenheiten anders darstellen. In einem Statement von Unity-Präsident Marc Whitten an Axios wurde etwa folgendes gesagt:

  • Es wird immer nur die erste Installation berechnet, keine weiteren auf dem gleichen Gerät.
  • Demos sollen ebenfalls keine Gebühren erzeugen, sofern es sich nicht um einen Early Access handelt.
  • Auch Charity-Games sollen keine Gebühren erzeugen.
  • Bei Abo-Services wie dem Game Pass soll der Vertreiber die Gebühren übernehmen. Im Falle vom Game Pass müsste also Microsoft in die Tasche greifen, nicht das Studio.

Als Begründung für die Preisänderung nannte Whitten künftige Investitionen:

Unser Kernargument damit ist einfach, dass wir einen richtigen Wertaustausch sicherstellen wollen, um in unsere fundamentale Mission zu investieren, die darin besteht, die besten Werkzeuge für Leute zu liefern, die großartige Spiele machen wollen.

- Marc Whitten, Unity Create

Es muss sich zeigen, wie Unity mit dem Gegenwind nun weiter verfährt und welche Änderungen noch vorgenommen werden. Im schlimmsten Fall könnte sich eine solche Änderung an der Preispolitik von Unity natürlich auch auf uns Spieler auswirken.

Was haltet ihr von der Situation? Versteht ihr die Sorgen und Ängste der Studios oder haben diese eurer Meinung nach überreagiert? Schreibt es uns in die Kommentare!

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