Firewatch im Test - Atmosphärisches Grafikwunder

Im Test hat Firewatch mit die dichteste Atmosphäre, die wir je erlebt haben. An anderer Stelle will das Feuer jedoch nicht so recht zünden.

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Wir sitzen an einem alten Holztisch und tippen in eine nicht weniger altbackene Schreibmaschine. Immer wieder wischen wir uns den Schweiß von der Stirn. Wir schreiben das Jahr 1989 und es ist verdammt heiß, denn wir befinden uns mitten im Sommer in einem Nationalpark. Unser Job: Nach Feuern Ausschau halten und der Feuerwehr Bescheid geben. Firewatch eben.

Doch als wir in der Ferne ein Feuerwerk erblicken, schickt uns unsere Chefin Delilah auf die Reise, der Sache auf den Grund zu gehen. Wer veranstaltet denn bitte mitten im Nationalpark so einen Radau? Also machen wir uns mit Rucksack, Karte und Kompass in die Wildnis auf. Doch was wie ein routinierter Job beginnt, wird schnell zu einem packenden Mysterium im vermeintlichen Natur-Idyll.

Ab ins Grüne

Wir sind Henry, 39 und arbeiten in diesem Sommer zum ersten Mal als sogenannter »Lookout« in Wyoming. Nicht etwa aus Liebe zur Natur, sondern weil wir unserem Alltag daheim entfliehen wollen. Zu Beginn können wir einige Hintergrundinfos zu Henry selbst festlegen, die grundlegende Motivation bleibt aber immer gleich. Unsere Entscheidungen werden später wieder aufgegriffen, wenn wir beispielsweise Delilah von unserer Vergangenheit erzählen.

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Insgesamt bleiben die Konsequenzen in Gesprächen aber gering: Zwar haben wir immer verschiedene Antwortmöglichkeiten zur Auswahl oder können auch einfach schweigen (ähnlich wie bei Telltale-Adventures), die Dialoge verändern sich aber nur minimal. Lediglich unsere Beziehung zu Delilah können wir selbst gestalten, je nachdem wie offen oder regelmäßig wir der Dame antworten. Trotzdem ist die Story von Firewatch unterm Strich linear - ähnlich wie The Vanishing of Ethan Carter.

Eigentlich ist unsere Aufgabe als Lookout, unerlaubte Lagerfeuer oder wie zu Beginn des Spiels ein nicht genehmigtes Feuerwerk zu unterbinden. Klingt nicht besonders spannend, allerdings zieht uns überraschenderweise bald ein packendes Mysterium in seinen Bann. Als wir von einer Park-Tour zurückkehren, werden wir von einem Mann beobachtet und wenig später bricht man bei uns ein. Hinzu kommt ein merkwürdiger Zaun, von dem man uns um jeden Preis fernhalten will.

Plötzlich Detektiv

Mehr wollen wir allerdings nicht zur Story verraten, schließlich ist sie ein wichtiger Teil des Spiels. Deshalb ein kurzes Fazit: Sie ist durchweg spannend, auch wenn es während der ganzen Erkunderei ab und an Leerläufe gibt. Während das Mysterium uns zu Beginn unheimlich motiviert, geht Firewatchs Flamme am Ende die Luft aus. Es fehlt ein echter Höhepunkt, obwohl die Spannung bis zu diesem Punkt fesselnd aufgebaut wurde.

Aber je mehr Zeit wir mit der Welt von Wyoming verbringen, desto klarer wird uns, dass es die Atmosphäre und die Spielwelt wichtiger sind als der eigentliche Plot. Wirklich gelungen ist beispielsweise die Charakterzeichnung: Obwohl man keiner Figur persönlich begegnet, sondern nur über Funk, sind vor allem die Menschen und ihre Beziehungen wichtig. Beinahe jeder im Park versucht, vor irgend etwas zu entkommen oder ist auf der Suche nach sich selbst.

Wer die Geduld für eine eher persönliche Erzählung hat, kommt hier voll auf seine Kosten. Die Menschen in der Story erwachen auf eine ganz natürliche Art und Weise in unseren Köpfen zum Leben - so einen organischen Ansatz gibt es selten in Spielen.

Spaziergang mit Hindernissen

Wer hingegen schnelles Gameplay sucht, wird enttäuscht: Eigentlich sind wir über die komplette Spielzeit (etwa sechs Stunden) nur mit Erkunden beschäftigt - Firewatch ähnelt in dieser Hinsicht einem »Walking Simulator«. Zwar können wir beinahe alle herumliegenden Gegenstände hochheben und näher begutachten, allerdings erfüllt das im klassischen Sinn keinen spielerischen Nutzen. Stattdessen erzählt jedes Kleinod eine eigene Geschichte - in der Summe ergibt sich ein atmosphärisches Mosaik.

Während wir die Wildnis durchstreifen, müssen wir klettern und uns mit verschiedenen Hilfsmitteln eindecken, die wir nach und nach in der Spielwelt finden. So helfen uns Seile, Hänge zu überwinden, während wir Bäume mit unserer Axt zu Brücken machen. Wirklich oft passiert das aber nicht, der Fokus liegt ganz klar auf dem Erforschen der liebevoll gestalteten Umgebung.

Firewatch - Teaser-Trailer »June Fire« Video starten 0:45 Firewatch - Teaser-Trailer »June Fire«

Hier finden Unmengen von tollen Details am Wegesrand. Beispielsweise eine Schildkröte, die wir als Haustier adoptieren können oder Vorratskisten mit Briefen von anderen Rangern. Optionale Rätsel gibt es aber nicht zu entdecken, als Belohnung für Entdecker bleibt meistens nur ein zusätzlicher Dialog.

Firewatch lebt von seinen Details - und das auf eine Art und Weise, die herausragend ist. Die größte Stärke des Spiels ist eine fesselnde Atmosphäre, die wir in dieser Form selten erlebt haben. Wir verlieren uns in dieser Welt aus kleinen Geschichten, Entdeckungen und Mysterien. Der Nationalpark erwacht dadurch so zum Leben, das man gar nicht aufhören kann mit dem Erkunden. Es ist ein einzigartiges Spielgefühl, das man erlebt haben muss.

Schöne raue Wildnis

Und es gibt noch einen weiteren Grund, warum das Erkunden Belohnung in sich ist: Firewatch sieht fantastisch aus! Der Comic-Stil ist eine echte Augenweide. Außerdem können wir das Tal zu verschiedenen Tageszeiten besuchen. Nachts glitzert über uns also ein wunderschöner Sternenhimmel, morgens ziehen Nebelschwaden vorbei und abends leuchtet uns eine große, feuerrote Sonne entgegen. Nicht selten hat man das Gefühl, ein Gemälde zu durchwandern.

Hinzu kommt, dass Entwickler Campo Santo vollständig auf ein Interface verzichtet. Wir finden uns im Spiel lediglich mit Karte und Kompass zurecht, die wir beide bei Bedarf aufrufen können. Das wirkt nicht nur stimmig, sondern sorgt auch tatsächlich dafür, dass wir uns schnell im schönen Tal auskennen und die Landschaft genießen können, statt nur stumpf auf eine Mini-Map zu starren. Firewatch bietet also vor allem eines: Atmosphäre.

Wen das über die Schwächen im Gameplay und unaufgeregt inszenierte Geschichte hinwegtrösten kann, der bekommt eine andächtige, fesselnde Reise in eine malerische Welt. Man sollte nur keine Beschäftigungstherapie erwarten.

Firewatch - Teaser-Trailer zeigt Locations Video starten 0:42 Firewatch - Teaser-Trailer zeigt Locations

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