Seite 3: Was wir gegen Sexismus tun können und wie sich die Spielebranche ändern muss

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Taten statt Worte

Diversität ist kein Makel, sondern eine Chance. Von der die Studios selbst enorm profitieren. Und auch die Spiele. So hat es Lea Schönfelder erlebt. Die Designerin hat vor kurzem das Indie-Studio Fein gegründet, das sich auf Casual Games für Frauen spezialisiert: »In vielen Studios herrscht schon ein Bewusstsein dafür, dass mehr Innovation möglich ist, wenn die Entwicklerinnen verschiedene Backgrounds haben.« 

Lena Fischer ist überzeugt davon, dass das den Spielen selbst auch guttut: »Je mehr unterschiedliche Erfahrungen in die Entwicklung eines Games einfließen, desto diverser - und glaubhaft diverser - können auch die erzählten Geschichten, spielmechanischen Ansätze und agierenden Figuren werden.« 

Lena Fischer ist Project Lead Games bei WERK1.Bayern GmbH (GamesBavaria). Lena Fischer ist Project Lead Games bei WERK1.Bayern GmbH (Games/Bavaria).

Was es aber vor allem braucht, da sind sich alle Befragten einig: Taten statt Worte. Nina Kiel bringt das auf den Punkt: »Größere Spielefirmen schreiben sich schon seit Jahren Diversität und Inklusion auf die (Regenbogen)Fahnen, aber viel davon ist nicht mehr als Marketing-Phrasendrescherei, wie die Fälle bei Riot Games, Ubisoft und Activision Blizzard eindrücklich beweisen.« Es brauche Handfestes. Etwa eine Quote, wie sie auch Marina Amores, spanische Games-Aktivistin vorschlägt: 

»Ich halte die Festlegung von Quoten für unabdingbar, damit sich wirklich etwas ändert. Wünschenswert wäre – neben der Einstellung von Frauen – auch ein Budget für feministisches Engagement im Videospielsektor, damit ein größeres Bewusstsein geschaffen und ein breiteres Publikum erreicht werden kann.« 

Marina Amores ist eine spanische Games-Aktivistin. Marina Amores ist eine spanische Games-Aktivistin.

Wichtige Positionen sollten gezielt mit Frauen – und Angehörigen anderer marginalisierter Gruppen – besetzt werden. Und natürlich: Es braucht – endlich – die Gleichbezahlung von Frauen und Männern. Das alles wird Zeit brauchen. Wie Nina Kiel feststellt: »Etablierte Strukturen lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen lösen.« Zumal es sehr viel mehr als nur eines Frühjahrsputzes bedarf: »Langfristig sollte die gesamte Arbeitskultur in der Spielekultur überdacht werden«, so Kiel. 

Eine Mammutaufgabe. Aber eine ohne Alternative. Denn dass es so wie bisher definitiv nicht weitergehen kann, macht Nathalie Lawhead im Gespräch deutlich. Die Game Designerin machte2019 Schlagzeilen, als sie den bekannten Skyrim-Komponisten Jeremy Soule der Vergewaltigung bezichtigte.

»Es ist immer noch zu viel Rhetorik in der ganzen Thematik unterwegs. Opfer, die mit ihren Geschichten an die Öffentlichkeit gehen, sind immer noch nicht sicher. Sie sind wütenden Online-Mobs ausgeliefert, müssen um ihren Arbeitsplatz fürchten.« Und manchmal sogar um ihr Leben. Es scheint, als wird der lange überfällige gesellschaftliche Diskurs auf dem Rücken der Opfer ausgeführt, so Lawhead: 

»Das fühlt sich an, als mache man die Verletzlichsten zum Kanonenfutter für die Veränderung. Wenn man nur genug Opfer gegen irgendwas wirft, dann wird man damit schon Veränderung erreichen. Als wäre eine einzige Horrorgeschichte nicht hinreichend, um Änderung zu erreichen, braucht man unzählige Verletzte und Geschädigte«. Bis man sagen kann: So, jetzt ist es aber genug. Jetzt müssen wir was unternehmen. 

Nathalie Lawhead, Game Designerin, macht 2019 Schlagzeilen, als sie den bekannten Skyrim-Komponisten Jeremy Soule der Vergewaltigung bezichtigt. Nathalie Lawhead, Game Designerin, macht 2019 Schlagzeilen, als sie den bekannten Skyrim-Komponisten Jeremy Soule der Vergewaltigung bezichtigt.

Licht am Ende des Tunnels?

Simone Lackerbauer von Games/Bavaria meint: »Ich wünsche mir mehr Sichtbarkeit dafür, wie die Lage überhaupt in der deutschen Branche ist. Aktuell ist nirgendwo die Rede davon, dass Frauen Sexismus oder Diskriminierung erfahren.« Zumindest nicht in den Ausmaßen öffentlicher Aufmerksamkeit wie derzeit bei Activision Blizzard und Co. 

Stimmen gibt es dennoch, die unermüdlich die Situation und Perspektive der Frauen in der deutschen Spielebranche reflektieren, beleuchten und sich einsetzen für ein Umdenken. Nina Kiel etwa, die in diesem Artikel auch zu Wort kommt. Und auch aufseiten der Unternehmen tut sich etwas. Xbox Deutschland etwa - mit ihrer Kampagne zum Internationalen Frauentag 2021. 

Gefragt seien auch Institutionen wie game e.V., fügt Lackerbauer hinzu: »Eine Bestandsaufnahme als Augenöffner dafür, wie gut oder schlecht die Situation ist, würde sehr dabei helfen, daraus Maßnahmen abzuleiten.«  Wir haben also nachgefragt - und Felix Falk, Geschäftsführer des game - Verband der deutschen Gamesbranche e.V. hat prompt geantwortet. Seine Einschätzung zur derzeitigen Situation in der deutschen Games-Branche: 

»Es gibt noch viel zu tun, auch wenn wir im Vergleich zu anderen Ländern und anderen Branchen schon auf einem guten Weg sind.« 

Felix Falk ist Geschäftsführer von game - Verband der deutschen Games-Branche. Felix Falk ist Geschäftsführer von game - Verband der deutschen Games-Branche.

Immerhin: Die große Mehrheit der Branche habe deutlich gemacht, für welche Werte sie stehe: »1.500 Unternehmen und Einzelpersonen haben die gemeinsame Erklärung von ›Hier spielt Vielfalt‹ unterschrieben«. Die Initiative setzt ein Zeichen für mehr Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und gegen Diskriminierung in der Spielebranche. Zeichen allein reichen aber nicht, meint Felix Falk:

»Umso wichtiger ist, dass wir als Games-Branche alle Fälle von Sexismus oder Diskriminierung deutlich verurteilen und betroffene Unternehmen substanzielle Konsequenzen ergreifen.« Lackerbauers Forderung nach mehr Verantwortung und Einsatz aufseiten der Verbände stimmt Falk zu: »Wir sehen eine große Verantwortung auch bei uns und engagieren uns deshalb auf vielen Ebenen.« Etwa mit der Initiative »Hier spielt Vielfalt« oder der »Equal Esports Initiative«, die sich für Frauen im Esport einsetzt. Oder mit Diversity-Guide Tipps oder der Vorstellung von Best Practice-Beispielen. Diese Werte sollen auch selbst gelebt werden: 

»Frauen sind in unseren Institutionen, Jurys, bei Veranstaltungen und Projekten ganz selbstverständlich gleichberechtigter Teil.« 

Teil 1 verpasst?
Der erste Teil unseres großen Reports zu Sexismus in der Spieleindustrie lässt Frauen zu Wort kommen, die aus ihrem täglichen Leben in der Branche berichten - und welche Arten von Diskriminierung und sexuellen Übergriffen sie dabei erfahren.

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