Was wir gegen Sexismus tun können und wie sich die Spielebranche ändern muss

Sexismus am Arbeitsplatz kennt viele Gesichter. Aber wie sollte man sich im Fall der Fälle verhalten? Und wie muss sich die Spieleindustrie ändern?

Frauen stoßen in der Spieleindustrie immer wieder auf Sexismus und Diskriminierung. Experten erklären, was Betroffene tun können. Frauen stoßen in der Spieleindustrie immer wieder auf Sexismus und Diskriminierung. Experten erklären, was Betroffene tun können.

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Update vom 08.03.2024: Dieser Artikel ist ursprünglich als aufwändige Reportage bei GameStar Plus erschienen. Anlässlich des Weltfrauentags haben wir uns entschieden, diesen zweiteiligen Report auf Dauer hinter der Paywall hervorzuholen. Sexismus ist auch in der Games-Branche nach wie vor ein Problem, auf das wir aufmerksam machen wollen.

Weitere Artikel zum Thema findet ihr hier:
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Frauen in der Spielebranche sind immer noch eine Minderheit. Eine, die Diskriminierung, Marginalisierung und Belästigung am Arbeitsplatz ausgesetzt ist. Mit den Klagen gegen Activision Blizzard und andere große Spieleunternehmen kommt jetzt an die Öffentlichkeit, was in der Branche selbst schon lange ein offenes Geheimnis ist. Zeit für eine Bilanz.

Wir haben mit Betroffenen, Spieleentwicklerinnen und Rechtswissenschaftlerinnen gesprochen. Im ersten Teil unseres Reports haben betroffene Frauen von ihren Erfahrungen berichtet. Im zweiten Teil erklären Experten, wie wir uns im Fall der Fälle verhalten sollten, und lassen Frauen aus der Spielebranche aus den USA, Frankreich, Spanien und Deutschland zu Wort kommen, wie sich ihrer Meinung nach die Branche ändern muss.

Wichtige Links und Telefonnummern zum Thema

  • Für Arbeitgeber: Hinweise & Downloads der Antidiskriminierungsstelle
  • Für Betroffene: Ein Hilfetelefon für Betroffene gibt es etwa bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes unter (030) 18555 – 1855, beim Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (08000 116 016) oder bei den bundesweiten Beratungsstellen.

Listenweise Widerwärtigkeiten

Die Anklageschrift, die die kalifornische Behörde Department of Fair Emplyoment and Housing (DFEH) nach zweijähriger Untersuchung gegen Activision Blizzard eingereicht hat, liest sich wie ein Who is Who sexistisch motivierter Übergriffe. Die lassen sich aber längst nicht nur dort finden. Ähnliches macht die Runde auch bei anderen Spieleunternehmen wie Riot Games und Ubisoft. 

Die Anklageschrift der kalifornischen Behörde Department of Fair Emplyoment and Housing (DFEH) gegen ActivisionBlizzard liest sich wie ein Who is Who sexistisch motivierter Übergriffe. Die Anklageschrift der kalifornischen Behörde Department of Fair Emplyoment and Housing (DFEH) gegen Activision/Blizzard liest sich wie ein Who is Who sexistisch motivierter Übergriffe.

Weibliche Beschäftigte werden in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Vergütung, Beförderung und Kündigung diskriminiert. Aufstiegschancen werden verweigert, Frauen nach optischem Gefallen eingestellt – oder abgelehnt. Die »Frat Bro« Kultur – in der toxisches Verhalten von Männern geduldet wird – macht den weiblichen Angestellten das Arbeitsleben zur Hölle. In sogenannten »Cube Crawls« betrinken sich Männer, ziehen durch die Büros und belästigen ihre Kolleginnen. Es gibt Berichte über Scherze über sexuelle Begegnungen, objektifizierende Bewertungen der Körper weiblicher Kolleginnen, Witze über Vergewaltigungen bei Activision Blizzard, Schläge auf den Hintern, ungewünschte Berührungen auf Partys bis hin zu Vergewaltigungen bei Riot Games

Dazu kommen E-Mails mit übergriffigen Fantasien von One-Night-Stands mit Kolleginnen, Anfassen der Genitalien, Fürze ins Gesicht am Arbeitsplatz. Und oben drauf die strukturelle Ungleichheit: Unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen, schlechtere oder gar keine Beförderungsmöglichkeiten. 

Ein ähnlich erschreckendes Bild bei Ubisoft: Eine Frau berichtet davon, von einem Vorgesetzten gewürgt worden zu sein, und von einer Kultur, die bestraft, wenn solcherart Vorfälle gemeldet werden. Betroffene schildern, wie Sexismus und Belästigung normalisiert, Täter entschuldigt und geschützt und Beschwerden ungehört bleiben. Wer aufmuckt, dem drohen Vergeltungsmaßnahmen – die Versetzung in andere Abteilungen oder gar die Entlassung. Listenweise Widerwärtigkeiten.

(Quelle: Kira JohnsonDaily Collegian via NYT) (Quelle: Kira Johnson/Daily Collegian via NYT)

Die »Frat Bro«-Kultur – in der toxisches Verhalten von Männern geduldet wird – macht den weiblichen Angestellten das Arbeitsleben zur Hölle. Sie hat ihre Wurzeln in US-Studentenverbindungen (Frat Bro ist kurz für Fraternity Brothers), die berüchtigt sind für Sexismus und Rassismus. Studien zeigen, dass Männer in Studentenverbindungen mit dreimal höherer Wahrscheinlichkeit Vergewaltigungen begehen. Immer wieder wird gegen die Verbindungen protestiert, wie hier an der University of Massachusetts in Amherst 2021.

Rechtlich: Wie ist Sexismus überhaupt definiert?

Die Folgen dieser toxischen Kultur sind für die Betroffenen extrem. Manche beenden ihre Karriere, wie die Spieleentwicklerin und Bloggerin Kathy Sierra, die 2007 ihren Wohnort wechseln muss, nachdem sie Vergewaltigungs- und Morddrohungen erhält. Oder die Cosplayerin Christine Sprankle, die zwischen 2017 und 2019 ihre Karriere aussetzt – wegen ständiger sexueller Belästigung.

Manche Folgen sind schlicht unerträglich: In einem besonders tragischen Fall bei Activision Blizzard soll sich laut Anklageschrift eine Mitarbeiterin während eines Betriebsausflugs das Leben genommen haben. Der Grund: ihr männlicher Vorgesetzten, der sie begleitete, hatte Butt-Plugs und Gleitgel mit auf die Reise genommen.

Ehemalige Mitarbeiterinnen von ActivisionBlizzard berichten auf Twitter von sogenannten »Cube Crawls«, in denen sich Männer am Arbeitsplatz betrinken und dann durch die Büros ziehen – ihre Kolleginnen belästigend. Ehemalige Mitarbeiterinnen von Activision/Blizzard berichten auf Twitter von sogenannten »Cube Crawls«, in denen sich Männer am Arbeitsplatz betrinken und dann durch die Büros ziehen – ihre Kolleginnen belästigend.

Es gilt einzugreifen, bevor es überhaupt so weit kommen kann. Aber wie? Wie ist Sexismus rechtlich überhaupt definiert und wie sollten sich Betroffene verhalten? Wir haben uns die Lage im deutschen Arbeitsrecht angeschaut. Dazu haben wir mit zwei Experten gesprochen - Prof. Dr. Dr. h.c. Monika Schlachter von der Universität Trier und Prof. Dr. iur. Martin Maties von der Universität Augsburg. 

Prof. Dr. Dr. h.c. Monika Schlachter arbeitet an der Universität Trier (Quelle: Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Union) Prof. Dr. Dr. h.c. Monika Schlachter arbeitet an der Universität Trier (Quelle: Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Union)

Grundsätzlich gilt ihnen zufolge in Deutschland: »›Sexismus‹ ist kein Rechtsbegriff.« Monika Schlachter erläutert: »Geht es um Fragen wie verweigerte Einstellung oder Beförderung oder ungleiche Bezahlung, dann kann es sich arbeitsrechtlich um eine ›Benachteiligung wegen des Geschlechts‹ handeln, deren Verbot im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beziehungsweise. im Entgelttransparenzgesetz geregelt ist.« Da heißt es: 

»Verboten ist jede Benachteiligung wegen des Geschlechts bei Einstellung, Arbeitsbedingungen oder Entlassungen. Wird dieses Verbot nachweislich verletzt, kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht.« 

Geht es um »sexuell konnotiertes Fehlverhalten«, so Schlachter, dann »kann es sich arbeitsrechtlich um eine ›sexuelle Belästigung‹ handeln, deren Verbot ebenfalls im AGG verankert ist. Belästigungen in diesem Sinne sind sexuell bestimmte Verhaltensweisen wie etwa Handlungen, Aufforderungen, körperliche Berührungen, Zeigen oder Sichtbarmachen pornographischer Darstellungen – sofern diese bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Betroffenen verletzt, oder ein von Anfeindungen oder Erniedrigung geprägtes Arbeitsumfeld geschaffen wird.« 

Das AGG verpflichtet deutsche Arbeitgeber, Maßnahmen zu treffen, um die Beschäftigten zu schützen. Falls Vorfälle bekanntwerden, müssen »alle arbeitsrechtlich zulässigen Sanktionsmaßnahmen (Abmahnung, Versetzung, Kündigung) dagegen ergriffen werden«. 

Wird der Blizzard-Schock endlich was ändern? Video starten 56:56 Wird der Blizzard-Schock endlich was ändern?

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