Seite 2: Ghost Recon: Breakpoint im Test: Wenn ein Spiel die falschen Dinge will

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Das Loot-System funktioniert nicht

Die Jagd nach neuer Beute macht nur dann Spaß, wenn dieser Loot auch was bringt. In Loot-Shootern oder Action-Rollenspielen halten Feinde unheimlich viele Treffer aus. Und umso motivierter suchen wir uns den optimalen Ausrüstungs-Build zusammen, der selbst die dicksten Brocken dank Feuer-Spezial-Skillung in Windeseile auf die Bretter schickt. Ghost Recon: Breakpoint fehlt diese Komplexität.

Theoretisch haben Waffen und Klamotten Statuswerte, aber die bringen nur selten was. Im Kern muss Ghost Recon für die Fans nämlich ein Shooter bleiben, Kopfschüsse auf Soldaten sind also immer tödlich, denn sonst fiele der Realismus-Anspruch ja vollends über die Reling. In der Folge fühlt sich die popelige Start-Sniper genauso tödlich an wie die legendäre Super-Duper-Variante. Wenig motivierend.

Im Koop macht Ghost Recon mit Abstand am meisten Spaß. Im Koop macht Ghost Recon mit Abstand am meisten Spaß.

Das wissen auch die Entwickler. Um diesem Loot-System also irgendeine Berechtigung zu verschaffen, gibt es neben Soldaten einen anderen großen Gegner-Typ: die Drohnen. Fliegende Roboter, fahrende Roboter, stationäre Roboter - diese Maschinen findet man in jeder größeren Basis. Und sie schlucken Kugeln. Viele, viele Kugeln.

Wenn Roboter zum Schwamm mutieren

So kann es passieren, dass ihr wie ein Ninja eine Basis infiltriert habt, klammheimlich Wachen erledigt, Breakpoint von seiner besten Seite erlebt - und plötzlich erspäht euch eine Drohne, wodurch das Spiel kurzzeitig zum Loot-Shooter wird, weil ihr wie in Destiny 2 drei komplette Magazine in die Belchbüchse pumpem müsst, bis sie endlich in ihre Einzelteile zerfällt. Drohnen lassen sich nur sehr schwer leise aus dem Weg räumen, andauernd erspäht mich von irgendwo ein fliegender Roboter und versaut mir meine Stealth-Atmosphäre.

Die Drohnen von Ghost Recon: Breakpoint spielen einerseits zu selten eine Rolle, um das Loot-System wirklich motivierend zu machen. Andererseits stören sie oft genug meine Spec-Ops-Einsätze, um mir furchtbar auf den Keks zu gehen. Vielleicht seht ihr das anders, aber ich kaufe mir kein Ghost Recon, um drei Magazine auf einen Roboter zu verschießen.

Nomad kann sich im Matsch eingraben. Dieses Feature braucht man dank der dummen KI quasi nie. Nomad kann sich im Matsch eingraben. Dieses Feature braucht man dank der dummen KI quasi nie.

Dabei können Panzer und Artillerie theoretisch wirklich spannende Spielelemente sein wie damals in Ghost Recon: Advanced Warfighter. Wenn dort ein Panzer über den Plaza rollte, musste man wirklich umdenken, wurde taktisch herausgefordert. In Breakpoint existieren sie nur, um als Kugelschwämme dem Loot-Grind eine Berechtigung zu verschaffen. Eine verschenkte Chance.

Schwächen in Story und KI

Was die abseits der Nerv-Drohnen eigentlich gelungenen Infiltrationen zusätzlich noch plagt, ist die doofe KI. Schon in Wildlands gehörten die Sicarios nicht zu den hellsten Kerzen auf dem Leuchter, aber zumindest verstanden es die Gegner, uns für Fehler zu bestrafen.

In Breakpoint stehen selbst auf dem höchsten der vier Schwierigkeitsgrade feindliche Spezialeinheiten immer mal blöd in der Landschaft rum, während wir nebenan ihre Kollegen um die Ecke bringen. In Innenräumen finden sie ihren Weg nicht. Und wer in einem kleinen Räumchen auf den Boden schießt, kann die feindlichen Horden draußen Mann für Mann vor die eigene Flinte locken. Puh.

Day-One-Patch soll helfen: Erstes Update verbessert die Breakpoint-KI (und das ist auch nötig)

Die eigentlich spannende Geschichte zerfasert sich nach dem Prolog in belanglose Botengänge. Ständig müsst ihr für irgendwelche schlecht geschriebenen (aber immerhin gut vertonten) Leute Stationen sabotieren, Leute retten, Schalter drücken. Die ganze anfängliche Dramaturgie rund um Walker und Nomad verliert sich in Nichtigkeiten.

Was ändert das Endgame?

Außerdem stießen wir beim Durchspielen auf einen Plot-Stopper-Bug, konnten folglich einen Strang der Hauptgeschichte nicht durchspielen. Glücklicherweise lässt sich der Endgegner ab einem gewissen Level auch dann herausfordern, wenn wir nicht alle Hauptmissionen beendet haben. Das verrät viel über die dramaturgische Dichte der Breakpoint-Kampagne.

Im Endgame ändert sich übrigens am grundlegenden Gameplay nichts. Ihr fliegt Basis für Basis ab, erledigt die immer gleichen Gegner, sprengt hier und da Drohnen, sammelt neue Waffen, Hosen, Westen, Hüte - und steigt im Gear Score auf.

Im Lager wendet Nomad die geheime Spec-Ops-Technik des Schulterknackens an, um mit mehr Ausdauer ins Gefecht zu starten. Im Lager wendet Nomad die geheime Spec-Ops-Technik des Schulterknackens an, um mit mehr Ausdauer ins Gefecht zu starten.

Einige Neben- und Fraktionsmissionen benötigen sehr starke Ausrüstung, fühlen sich spielmechanisch allerdings an wie jeder andere Auftrag auch. Ubisoft will nach Release diverse Raids liefern , bis dato fehlt dem Spiel eine motivierende Endgame-Herausforderung wie etwa die Black Tusk bei The Division 2.

Die verfügbaren Skillpunkte in der Welt reichen übrigens, um jede Fähigkeit im Spiel zu erlernen. Allerdings dürftet ihr auf Stufe 20 von 30 ohnehin schon jeden Skill besitzen, den ihr im Spiel braucht. Der Fertigkeitsbaum glänzt nicht unbedingt mit spannenden Talenten. Hier ein geringerer Cooldown, dort ein Boost auf Ausdauer. Nützliche Gadgets wie die Lötfackel zum Öffnen von Zäunen gehören zu den wenigen Ausnahmen.

Spannender PvP mit Schwächen

Wer ein Päuschen vom Kampf gegen sturköpfige KI-Gegner braucht, springt alternativ in den PvP-Multiplayer. Dort treten vier Ghosts gegen vier Kontrahenten an. In seinen besten Momenten entfaltet dieser Ghost War ein wirklich einzigartiges Potenzial: Die Maps fallen sehr groß aus, Schüsse sind äußerst tödlich, Feinde gut versteckt. Wer wie in Call of Duty plump ballernd durch die Landschaft rennt, verliert in Sekundenschnelle.

Gehen wir hingegen taktisch vor, tarnen uns gemeinsam mit den Kollegen, planen Zangen- und Ablenkungsmanöver, dann gelingt bisweilen ein grandioser Sieg. Im PvP von Ghost Recon triumphiert Strategie über Schussgeschick. Das galt schon bei Wildlands, allerdings blockiert sich Nachfolger Breakpoint auch hier durch fragwürdige Designentscheidungen aus.

Ghost Recon: Breakpoint - Was ändert sich im Multiplayer von Ghost War 2.0? Video starten 10:03 Ghost Recon: Breakpoint - Was ändert sich im Multiplayer von Ghost War 2.0?

Da die Teams anders als früher beispielsweise zu Beginn keine Drohne im Gepäck haben, fehlen wirksame Utensilien, um die Feinde aus ihrem Versteck zu scheuchen. Das führt in der Mehrheit der Gefechte zu üblem Camper-Verhalten. Beide Teams verschanzen sich mit Sniper-Gewehr im Gebüsch, jeder wartet auf einen Fehler des anderen Squads. Am Ende scheucht uns zwar wie im Battle Royale eine immer kleiner werdende Kampfzone näher zusammen, doch bis dahin herrscht in den Breakpoint-PvP-Gefechten häufig mehr Langeweile als bei Wildlands. Auch hier verschenktes das Spiel wertvolles Potenzial.

Hakelige Menüführung

Und zu schlechter Letzt müssen wir noch über die misslungene Menüführung reden: Breakpoint hat so viele sperrige Systeme, deren Sinn sich uns einfach nicht erschließt. Warum werden wir gezwungen, uns dauernd Hinweise in einem verschachtelten Menü anzuschauen, nur um dann auf einen »Rätsel lösen«-Button zu klicken? Sind Rätsel nicht eigentlich dafür da, dass Spieler sie mit ihrem Kopf lösen? Statt mit einem Klick?

In Wildlands ließ sich ein Hubschrauber mit einer Taste und einem Klick rufen. In Breakpoint müsst ihr einen Schnellreisepunkt finden, dort in einer langatmigen Sequenz ein Zelt aufschlagen, in das Werkstatt-Menü wechseln, dort den Hubschrauber auswählen, wieder zurück ins Lagermenü springen und dann auf Lager verlassen klicken. Und dann nochmal auf Lager JETZT verlassen. Im Anschluss findet ihr irgendwo in der Nähe eures Zeltes einen Helikopter. Solche Bedienungsprobleme und Komfortmängel findet man im Spiel zuhauf.

Ex-Ghost-Soldat Cole D. Walker ist in Breakpoint unser Erzfeind. Falls euch das Gesicht bekannt vorkommt: Der Schauspieler Jon Bernthal hat auch den Punisher in der gleichnamigen Netflix-Serie verkörpert. Ex-Ghost-Soldat Cole D. Walker ist in Breakpoint unser Erzfeind. Falls euch das Gesicht bekannt vorkommt: Der Schauspieler Jon Bernthal hat auch den Punisher in der gleichnamigen Netflix-Serie verkörpert.

Ghost Recon hadert mit seiner Identität

Dass Breakpoint den Weg zum Helikopter so umständlich gestaltet, ist kein Zufall. In seinem Kern wollte das Spiel ein härteres, realistischeres Wildlands sein. Die Realität sieht jedoch anders aus. Und das nicht nur, weil wir uns im riesigen Shop (wahlweise auch für echtes Geld) Sportwagen und Kampfhubschrauber kaufen können. Oder weil in der eigenen Basis Dutzende andere Ghosts herumlaufen, um in diesem Destiny-ähnlichen Social-Hub ihre Skins und Emotes zu präsentieren.

Breakpoint findet seine Identität einfach nicht - es wechselt permanent zwischen RPG-Shooter, Freischaltorgie und Wildlands-DNA hin und her Und es macht nichts davon sonderlich gut. Ubisoft will in Zukunft mit Updates und neuen Inhalten an Ghost Recon: Breakpoint weiterarbeiten.

Beim Vorgänger Wildlands ging diese Rechnung vollends auf: Das Spiel wurde über die Jahre deutlich besser. Ob sich dieses Kunststück wiederholen lässt oder die Probleme von Breakpoint zu tief für jeden Patch reichen, muss sich allerdings erst zeigen.

Peter paradox: Hassliebe Ghost Recon: Breakpoint

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