Wer mehr über das antike Rom lernen möchte, sollte lieber in ein Museum statt ins Kino gehen. Denn Gladiator 2 enthält – wie schon sein Vorgänger – nur Spuren von historischer Realität. Dennoch stecken ein paar Details drin, die erstmal wie Hollywood-Quatsch klingen, aber tatsächlich historisch verbürgt sind!
Wenn ihr erfahren wollt, was die schlimmsten historischen Schnitzer des Films sind, dann haben wir auch dafür den richtigen Artikel parat: Hier entlang zu 6 Erfindungen von Ridley Scott.
Fakt I: Graffiti in der Antike
In einigen Szenen des Films ist zu erkennen, dass Hauswände mit Kritzeleien und Sprüchen »verschönert« wurden. Graffiti verbinden wir intuitiv eher mit der modernen Sprayer-Szene als mit Rom vor 2.000 Jahren. Aber weit gefehlt! In Pompeii und Herculaneum, zwei durch Vulkanasche konservierten römischen Städten, wurden zahlreiche Wandbeschriftungen gefunden.
Die haben ganz ähnliche Themen wie vieles, das heute an Mauern gekritzelt wird: Zitate aus antiken Literaturwerken (sozusagen die Instagram-Sprüche der Antike), politische Meinungen, Liebesschwüre und natürlich massenhaft Obszönitäten. Menschen bleiben eben immer gleich.
Eine spannende Doku dazu findet ihr kostenlos beim ZDF, sie dauert nur 5 Minuten.
Fakt II: Schiffe im Kolosseum
Schon in den Trailern ein Highlight: Gladiator 2 inszeniert einen Schiffskampf im Kolosseum, das dafür geflutet wurde. Das war tatsächlich möglich und wurde auch durchgeführt. Nennt sich »Naumachie« und Begründer war möglicherweise Julius Caesar persönlich (allerdings auf einem gefluteten Feld). Im Kolosseum selbst wurde zur Einweihung eine Schlacht auf Wasser nachgestellt. Auch in andere Amphitheater konnte Wasser geleitet und wieder abgelassen werden – die antiken Römer waren extrem geschickt darin, schaut euch nur ihre Thermenkultur an!
Ob bei den Naumachien allerdings wirklich Haie im Wasser schwammen, darf bezweifelt werden. Im aufgewühlten Wasser wäre von denen vermutlich eh wenig zu sehen gewesen. Zwar berichtet der römische Historiker Cassius Dio davon, dass unter Kaiser Nero Krokodile und Fische im Wasser geschwommen seien. Der gute Cassius lebte allerdings 100 Jahre nach Nero, also ist sein Bericht aus zweiter und dritter Hand nicht unbedingt wahr.
Fakt III: Löwenhelme
Er ist nur kurz zu sehen und wirkt erstmal, als hätte sich ein Fantasy-Fan unter den Kostümdesignern ausgetobt: ein römischer Soldat mit einem ausgestopften Löwenkopf über dem Helm. Tatsächlich handelt es sich um eine zweifelsfrei überlieferte echte Position im römischen Heer. Der Kerl ist ein sogenannter Signifer, der Träger des Feldzeichens (also der Standarte). Sie trugen als Kennzeichnung Löwen-, Bären- oder Wolfsfelle über der Rüstung.
Was erstmal nach einer eher banalen Aufgabe klingt, war in Wirklichkeit eine hohe Ehre und nur den tapfersten Soldaten vorbehalten. Die Feldzeichen einer Einheit nämlich heilig und durfte auf keinen Fall in feindliche Hände geraten, sonst drohten empfindliche Strafen und Demütigungen. Einer meiner Dozenten hat das Ganze mal ungefähr so erklärt:
Stell dir vor, du musst auf ein feindliches Heer zustürmen und bist der Einzige, der dabei kein Schwert in den Händen hält. Da musst du noch mutiger oder noch dämlicher sein als der Rest der Bande. Oder beides.
Fakt IV: Die Geschichte mit der Wölfin
Lucius erzählt im Film nur kurz, was es mit der Statue einer Wölfin auf sich hat, an deren Gesäuge zwei menschliche Kinder nuckeln. Heute nennen wir das berühmte Bronze-Kunstwerk »Kapitolinische Wölfin«. Die Statue selbst entstand höchstwahrscheinlich erst lange nach der Antike und ist sehr viel kleiner als die im Film, aber sie stellt die echte Gründungssage von Rom dar.
Demnach wurden zwei Königssöhne, die Zwillinge Romulus und Remus, auf dem Fluss Tiber ausgesetzt. Eine Wölfin fand und säugte sie. Die beiden gründeten später die Stadt Rom. Dann stritten sie über die Grenzen und Romulus erschlug seinen Bruder und erklärte sich zum ersten König. Erkennt ihr die »subtilen« Parallelen zur Geschichte der Zwillingskaiser in Gladiator 2? Apropos!
Fakt V: Bruderkaiser
Gleich vorweg: An den beiden Kaisern des Films ist viel dazu gedichtet, ich werte es hier trotzdem grundsätzlich als Fakt, weil ich gerade großzügig drauf bin. Die Brüder Geta und Caracalla existierten nämlich wirklich und herrschten ein paar Monate gemeinsam über Rom. Dass mehrere Kaiser zusammenarbeiteten, war in der römischen Geschichte gar nicht mal so selten: In den späteren Jahren gab es sogar die Vier-Kaiser-Herrschaft.
In Wirklichkeit waren Geta und Caracalla allerdings keine Zwillinge und verstanden sich alles andere als gut. Geta wurde tatsächlich von seinem Bruder ermordet, Caracalla ein paar Jahre später durch den hochrangigen Prätorianer Macrinus (der mit Denzel Washingtons Figur im Film nur den Namen gemeinsam hat).
Fakt VI: Römische Ambitionen in Indien und Persien
Wir haben oft eine verschobene Vorstellung, dass weit voneinander entfernte Kulturen vor der Moderne keinen oder nur sehr wenig Kontakt hatten. Das ist historisch völliger Unfug. In der Antike (und früher!) gab es rege genutzte Handelswege über ganze Kontinente hinweg. Schon 115 vor Christus stattete eine Gesandtschaft des chinesischen Kaisers Rom einen Besuch ab. Globalisierung ist also viel, viel älter, als den meisten Leuten bewusst ist!
Mit Indien wurde im antiken Rom reger Handel getrieben, zum Beispiel mit Gewürzen, Stoffen und Weihrauch. In Persien kamen ungefähr zur Zeit von Gladiator 2 die Sassaniden an die Macht, mit denen Rom dann Jahrhunderte lang im meist blutigen Streit lag.
Im Film wollen die beiden Kaiser, dass General Acacius für sie Feldzüge in diese entlegenen Teile der Welt führt. Nicht unrealistisch – lassen wir mal kurz die vermutlich unbezahlbare Logistik außer Acht, die für einen Marsch nach Indien nötig gewesen wäre.
In unserer oben verlinkten Filmkritik lest ihr, warum Gladiator 2 nicht an seinen berühmten Vorgänger heranreicht und wem wir den Film guten Gewissens empfehlen können.
Und für alle, die gern mal hören würden, wie gesprochenes Latein eigentlich klang, ein Bonustipp: In der deutschen Netflix-Serie Barbarians gibt’s entsprechende Szenen. Dafür sprechen die Germanen darin modernes Hochdeutsch. Naja, man kann nie alles haben.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.