Gone Home im Test - Keiner zuhause

In knapp zwei Stunden erzählt Gone Home eine großartige, weil herzzereißend intime Geschichte. Testen kann ich es aber trotzdem nicht.

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Ach, Gone Home.Was mache ich bloß mit dir? Eigentlich müsste ich dir ja die Hammelbeine lang ziehen: nach zwei Stunden vorbei und trotzdem 19 Euro teuer, kein Wiederspielwert und so anspruchsvoll wie Verstecken gegen mich selbst, bei der Preis-Leistungs-Note (Spielzeit geteilt durch Kosten) hast du »mangelhaft« längst einkassiert, »ungenügend« rechts überholt und bist bei »unverschämt« dreimal durch den Kreisverkehr gerast.

Aber verdammt, es waren zwei großartige Stunden, mal wunderbar schaurig, dann herzzerreißend menschlich, immer spannend und nie kitschig, auch wenn dein Ende bestimmt nicht jedem gefällt, aber dazu kommen wir später noch. Ich kann dich also unmöglich als Spiel beurteilen und einen klassischen Test verfassen, denn das käme dem Versuch gleich, einen Schmetterling mit einer Stecknadel aufzuspießen, um seine Schönheit zu konservieren.

Wo kaufen?
Gone Home ist momentan ausschließlich über Steam sowie die offizielle Herstellerwebseite erhältlich. Der Preis liegt jeweils bei rund 19 Euro. Eine offizielle deutsche Version existiert nicht, es gibt aber von Fans erstellte deutsche Untertitel für die zahlreichen und mitunter schwierigen englischen Texte, zum Beispiel über Steam.

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Instinktiv vertraut

So ähnlich habe ich schon mal einen Artikel begonnen, knapp ein Jahr ist es her, damals hieß das Un-Spiel Dear Esther und erzählte eine poetische Geschichte über Schuld, Sühne und das menschliche Verlangen, Vergängliches zu konservieren, es in Formaldehyd zu ertränken und sich einzureden, es bleibe lebendig.

Gone Home ist so ähnlich - nur völlig anders. Meine Reise beginnt nicht auf einer namenlosen Insel in den schottischen Hebriden, sondern zuhause, ein erkennbar amerikanisches Zuhause zwar, aber trotzdem instinktiv vertraut, der Ersatzschlüssel liegt schlecht versteckt an einem jener stillschweigend vereinbarten Orte, die jede Familie kennt und von dem niemand so genau weiß, wer sie sich ursprünglich mal ausgedacht hat.

Mit dem Fund dieses Schlüssels ist meine interaktive Arbeit quasi schon getan, es werden noch ein paar kleine Rätsel folgen, aber ich müsste mich schon selten dämlich anstellen, um Gone Home nicht zu seinem kontroversen Ende zu »spielen«, die folgenden beiden Stunden stellen keinerlei Anspruch - sofern ich nur neugierig bin, alles anklicke, alles in mich aufnehme.

Nachricht aus Übersee: Protagonistin Kaitlin findet mitunter auch ihre eigenen Postkarten. Nachricht aus Übersee: Protagonistin Kaitlin findet mitunter auch ihre eigenen Postkarten.

Perfekt inszeniert

Während draußen ein Sturm tobt, erkunde ich ein Haus, das mein Haus ist … und irgendwie auch völlig fremd, ja unheimlich. Das klingt wie ein Widerspruch, wird von Gone Home aber perfekt inszeniert.

Ich spiele Kaitlin Greenbriar, gerade aus Amsterdam zurück, einen langen Trip durch Europa im Gepäck und voller Freude auf das Wiedersehen mit der Familie in Oregon, aber die Familie ist nicht da, das Haus gespenstisch leer und doch seltsam lebendig, so als seien die Bewohner nur mal kurz vor die Tür gegangen und nie mehr zurückgekommen.

Im Fernseher flimmert eine Unwetterwarnung. Aber keiner sieht zu. Im Fernseher flimmert eine Unwetterwarnung. Aber keiner sieht zu.

Im eingeschalteten Fernseher flimmert eine Unwetterwarnung, in der Schreibmaschine meines Vaters liegt eine halb geschriebene Manuskriptseite, ich finde Briefe meiner Mutter an eine Jugendfreundin, fühle mich einerseits wie ein Eindringling und andererseits eigentümlich daheim, es entsteht eine buchstäblich intime Atmosphäre, die Familie erwacht langsam zum Leben, mit allen liebenswerten Schrulligkeiten, alltäglichen Sorgen und unterschwelligen Abgründen, selten (wenn überhaupt) hat ein Spiel so glaubhafte Figuren gezeichnet, obwohl sie gar nicht anwesend sind.

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