Wir sind entsatzt
Mit unserem frischen Entsatzheer marschieren wir kurz darauf gen Alpen. Wer jetzt eine spektakulär inszenierte und taktisch anspruchsvolle Schlacht wie in Total War: Rome 2 erwartet, ist aber auf dem Holzweg. Die Echtzeitkämpfe von Grand Ages: Medieval sind das Strategiespiel-Äquivalent zu einer Fahrt durch die Autowaschanlage: hinfahren, richtig hinstellen, alles loslassen und abwarten.
Militäreinheiten verfeindeter Parteien, die sich begegnen, gehen automatisch aufeinander los. Uns bleibt nur, die Einheitenzahlen beim herunterrasseln zu beobachten und gegebenenfalls durch einen Klick auf die Flüchten-Taste die Notbremse zu ziehen. Dann zieht sich unsere Armee automatisch in die nächste Stadt zurück. Immerhin können wir komfortabel Verstärkung aus dem Umkreis anfordern.
Der Vergleich mit Rome 2 ist allerdings insofern ein wenig unfair, weil wir in Grand Ages: Medieval ja keinen lokalen Feldherren spielen sollen, sondern einen globalen Imperator, der ganze Armeen verschiebt und durch die Echtzeitkomponente außerdem in der Lage sein muss, an mehreren Frontlinien gleichzeitig zu agieren.
Trotz des totalen Kontrollverlusts während der Kämpfe gibt es zudem zahlreiche Kampfeinheiten von der bäuerlichen Landwehr über Schwertkämpfer bis zu berittenen Bogenschützen, regionale Spezialeinheiten wie Husaren, ein Schere-Stein-Papier-Prinzip, Geländeboni und sogar ein Veteranensystem. Die Voraussetzungen für einen spannenden Militärteil sind in der Theorie also durchaus vorhanden.
In der Praxis nützt uns das alles jedoch nichts. Wie sollen wir Geländeboni zu unserem Vorteil einsetzen, wenn wir unsere Truppen in der Schlacht nicht umpositionieren können, fragen wir Daniel Dumont. Und der muss zugeben, dass er die Geländevorteile selber ignoriert. Noch deutlicher wird das Problem bei den Veteranen. Einerseits ist es zwar toll, dass wir kampfstarke, erfahrene Truppen heranzüchten können, wenn wir sie stets vor der totalen Vernichtung aus Kämpfen abziehen. Andererseits haben wir keine Möglichkeit, unsere Gegenspieler genau davon abzuhalten, denn unsere Soldaten weigern sich, fliehende Feinde anzugreifen.
Unser Meinung nach sollten die Entwickler nochmal in sich gehen und überlegen, ob sie wirklich ein vielschichtiges Kampfsystem bieten wollen, das dann aber zwangsweise mehr Interaktionsmöglichkeiten und damit Mikromanagement erfordert. Oder ob sie lieber den eingeschlagenen Weg konsequent umsetzen und auf solche Details zugunsten des größeren Fokus verzichten. Beides auf einmal funktioniert nicht.
Die großen Baustellen
Ohnehin liegen einige der größten Probleme des Spiels noch im Konflikt mit dem Computer. Die KI agiert noch zu harmlos, lässt unsere schutzlosen, unversorgten Dörfer in Frieden statt sie zu erobern und greift nur selten massiert an. Ebenso wird noch fleißig am Balancing und der Nutzerführung gearbeitet. Wertvolles Feedback erhalten die Entwickler dabei aus regelmäßigen Testevents mit der Community. So wurde deutlich, dass viele Spieler die Wohlstandsanzeige (vier grüne oder rote Punkte unter dem Städtenamen) nicht verstanden haben.
Damit ist auch klar: Den ursprünglich für Frühling 2015 angesetzten Veröffentlichungstermin kann Gaming Minds nicht einhalten. Als neuer Releasetermin gilt: noch 2015. Wir sind über die Verschiebung heilfroh, denn mit Grand Ages: Medieval haben die Entwickler ein sehr vielversprechendes Projekt in der Mache. Man merkt allerdings auch, dass ein Spiel dieser Größenordnung für sie noch Neuland ist. Also Gaming Minds, lasst euch Zeit, denn die Freude über unsere endgültige Thronbesteigung soll nicht durch Bugs und KI-Probleme getrübt werden!
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