Wie gerne würde ich von Liebe auf den ersten Blick berichten, von Engelsstimmen und Harfenklängen. Doch als ich das erste Mal von Homeworld lese, bin ich gelangweilter als ein Vegetarier auf der Internationalen Fleischmesse. Am Wurmfortsatz der GameStar-News kauern im Mai 1998 ganze 353 Buchstaben über ein Spiel, das »das Beste aus den Welten Echtzeit-Strategie und Weltraum-Action« verbinden soll. Daneben klebt eine Raumschiff-Briefmarke, pardon, ein kleines Bild. Was beweist, dass selbst große Geschichten als Fußnote beginnen. Denn für mich ist Homeworld, bei aller Bescheidenheit, eines der besten Spiele aller Zeiten.
Wenigstens ist’s Liebe auf den zweiten Blick. Drei Monate nach der Mini-Meldung folgt eine Vorschau, die mir aus der Seele spricht, und zwar in Person des Homeworld-Vaters Alex Garden. Der Kanadier, so heißt es, verwirkliche seinen Traum: Als Fan von Krieg der Sterne und Kampfstern Galactica habe er schon immer ein Spiel mit großen Raumschlachten entwickeln wollen. Raumschlachten! Volltreffer! Herrje, ich bin derjenige, der die Star Trek-Serie Deep Space Nine auf Video aufgenommen hat, um sich die Kampfszenen wieder und wieder reinzuziehen. In Zeitlupe. Dafür habe ich ungläubige Blicke geerntet, wahrscheinlich zu Recht. Aber Raumschiffe, Laserstrahlen, Torpedos – das hat mich immer fasziniert. Deshalb habe ich Weltall-Simulationen à la Wing Commander geliebt, deshalb habe ich im rundenbasierten Master of Orion 2 wochenlang an meinen Sternenreichen gefeilt. Nun soll der Raumkrieg also auch mein erklärtes Lieblingsgenre erfassen, die Echtzeit-Strategie. Homeworld, an mein Herz!
Okay, ich bin voreingenommen. Als ich beim Importhändler die US-Version von Homeworld vorbestelle, hat das Spiel schon gewonnen. Es hätte Weltraumschrott sein können, ich hätte es geliebt. Oder zumindest gemocht – so wie man ein nasses Kätzchen mag, auch wenn man nicht unbedingt damit spielen möchte. Aber: Homeworld ist nicht nur mein Traumspiel, es ist auch ein sehr gutes Spiel. Alex Garden hat dafür ein eigenes Studio gegründet, Relic Entertainment. Ganz genau: Das sind die Jungs, die später große Namen wie Dawn of War und Company of Heroes prägen werden. Auch ihr Erstlingswerk wird mit Lob überhäuft, vor allem die US-Presse begräbt Homeworld unter »Spiel des Jahres«-Trophäen.
Deswegen legendär
- »echte«, weil dreidimensionale Raumschlachten
- grandioses »Allein im All«-Gefühl
- spektakuläre Präsentation
- Fummelbedienung
Denn für das Jahr 1999 ist das Weltraum-Strategiespiel geradezu epochal, weil dreidimensional. Die Raumschiffe können sich im 3D-All frei bewegen, also auch nach »oben« und »unten«. So bieten Flottenschlachten ein atemberaubendes Panorama: Vor den strahlend-schönen Weltraum-Hintergründen umschwärmen winzige Jäger träge Fregatten, titanische Zerstörer tranchieren Feinde mit gleißenden Ionenstrahlen, Geschütztürme krachen, Torpedos schwirren. Und ich zoomte und klickte mich durchs Geschehen, dass es eine Freude ist. Oder, wie mir Zuschauer versichern: eine Qual. Die Bedienung von Homeworld als »knifflig« zu bezeichnen, käme der Aussage gleich, eine Supernova sei »warm«. Angriffe von oben und unten, stete Wechsel zwischen der Schlachtansicht und der schematischen Sensorkarte, komplizierte Bewegungsbefehle (erst »M« drücken, dann bei gehaltener Shift-Taste den Zielpunkt im 3D-All festlegen, dann linksklicken) – all das stürzt Beobachter in die Übersichtskrise. Aber Homeworld ist ja auch kein Schach-, sondern ein dreidimensionales Strategiespiel, dem ich eine komplizierte Bedienung verzeihe. Zumal ich zu jenem Bruchteil der Menschheit gehöre, der sie problemlos verinnerlicht.
Außerdem schlummert im interstellaren Pseudo-Chaos ein gewisser taktischer Anspruch, besonders dank der zentralen Verhaltens- und Formationsbefehle. Merke: Das Geheimmittel gegen Angriffsfregatten sind aggressiv eingestellte Abfangjäger in Klauenformation. Die Balance hätte nach dem Motto »Klein schlägt groß« funktionieren sollen, lahme Großkampfschiffe dürften gegen wendige Bomber eigentlich kein Licht sehen. Wohlgemerkt »dürften«. Ein Schiff stellt dieses Konzept nämlich auf den Kopf: Der Raketenzerstörer, der mit seinen Geschossen ganze Jägergeschwader pulverisiert. Gruppen aus Raketen- und normalen Zerstörern sind demnach übermächtig, weil sie sowohl kleine als auch große Kontrahenten aus dem All bliesen. Erneut: Mir egal! Die grandiose Schlachtenstimmung bügelt solche Schönheitsfalten mühelos aus.
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