Den Blick durch Regale voller Spiele schweifen zu lassen, um danach von einem Verkäufer einen Geheimtipp empfohlen zu bekommen – damit könnte es in absehbarer Zeit vorbei sein. Zumindest, falls Alexander Funke recht behält. Dem 34-Jährigen gehörte mit der »Konsolerie« ein renommiertes Fachgeschäft für Computer- und Videospiele in Nürnberg. Im Juni 2010 hat er es aufgegeben. Zuvor hatte er über zwei Jahre alle Register gezogen, um in der Gewinnzone zu landen: attraktive Preise, familienfreundliches Ambiente, fachkundiges Personal und Turniere für die Stammkundschaft. Funkes Geschäftsaufgabe steht exemplarisch für das Siechtum vieler Fachhändler. GameStar sprach mit Funke über die Gründe für sein Scheitern und die Zukunft des Spielehandels.
GameStar: Herr Funke, ist der Videospiele-Einzelhandel am Ende?
Alexander Funke: Ich sehe zumindest mittelfristig keine guten Überlebenschancen.
Weshalb?
Weil der Verkauf als Download schneller kommt, als es die meisten erwarten. Die Entwicklungskosten für Spiele sind massiv gestiegen, und den Publishern war der Gebrauchthandel schon immer ein Dorn im Auge. Über die Möglichkeit, Spiele digital zu vertreiben, schaltet man den Gebrauchthandel quasi aus.
Ist das die Ursache dafür, dass Sie Ihren Laden nach zwei Jahren schließen?
Wir sind 2008 mit großen Ambitionen gestartet. Unser Geschäftsplan hat sich im Nachhinein als unrealistisch optimistisch herausgestellt. Just in dem Moment, als es darum ging, die Finanzierung aufzustellen, kam die Bankenkrise. Ab diesem Zeitpunkt hat nichts mehr glatt funktioniert, wir mussten immer kreativ sein, um unsere Finanzierungsvorhaben umzusetzen. Wenn man sich in Deutschland eine Existenz aufbauen will, kommt man ohnehin schwer an Geld. Sprich: Wer nichts hat, bekommt auch nichts. Erst sobald man drei Jahre lang ein erfolgreich laufendes Geschäft besitzt, werfen die Banken einem das Geld hinterher. Also dann, wenn man es im Grunde nicht mehr braucht.
Das heißt, der Laden hätte nicht schließen müssen, wenn Sie weitere Kredite von den Banken bekommen hätten?
Das hätte sicherlich vieles vereinfacht. Aber letztendlich war auch der Umsatz im Laden entscheidend. Wir hätten das Doppelte an Spielen verkaufen müssen.
Wie viele Spiele haben Sie abgesetzt?
Am Ende etwa 20 bis 30 Spiele pro Tag.
Sind 60 Spiele am Tag realistisch?
Das ist machbar. Andere Geschäfte in der Region verkaufen das Dreifache.
Warum hat das in Ihrem Geschäft nicht funktioniert? Ihr Laden war familienfreundlich eingerichtet, die Verkäufer hatten Ahnung von der Materie, die Preise waren fair.
Die Preise waren fair, ja, allerdings zu Lasten unserer Marge. Am Ende blieben bei einem Neuspiel ungefähr fünf Prozentpunkte bei uns hängen. Wenn man mit den unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller arbeitet, sind es etwa 25 Prozent.
Wo landet der Rest des Geldes?
Zunächst muss man die Mehrwertsteuer abziehen, die trägt ausschließlich der Endkunde. Wenn ich ein Spiel mit 59,95 Euro auszeichne, bleiben ohne Mehrwertsteuer ungefähr 48,55 Euro. 1,50 Euro davon sind mein Gewinn, der Rest geht an den Publisher. Wenn ein Großhändler dazwischengeschaltet ist, bleiben dort noch einmal zwei Euro hängen. Von seinem Erlös bezahlt der Publisher Kosten wie Marketing, Vertrieb, Firma, Miete, Entwickler, Lizenzgebühren pro Stück an den Konsolenhersteller und so weiter. Die durchschnittlichen Entwicklungskosten für einen Top-Titel liegen heute bei 20 bis 25 Millionen Dollar. Damit sich das für die Hersteller rechnet, darf der Kostenanteil pro verkauftem Spiel nicht höher als 15 Euro liegen. Das heißt, die müssen mindestens zwei Millionen Stück verkaufen, um überhaupt ihre Kosten wieder einzuspielen. Und das ist noch niedrig kalkuliert.
Gab es überhaupt Neuspiele, deren Verkauf sich für Sie gerechnet hat?
Die eine oder andere Special Edition war interessant, weil die Marge dort etwas höher ausfällt. Außerdem gibt es bei Special Editions meist keinen Preiskrieg mit den großen Ketten wie Media Markt oder Saturn. Davon abgesehen ist der Umsatz mit Neuspielen unattraktiv, es sei denn, man verlangt die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller. Damit ist man aber nicht konkurrenzfähig. Wenn sich jeder zweite Kunde beschwert, dass es das Spiel bei Amazon oder Spielegrotte zehn Euro billiger gibt, dann muss man sich schon überlegen, wie man diese Kunden bekommt. Dann bleibt einem nichts anderes außer Preissenkungen.
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