Warum Outriders lehrt, wie wichtig der Respekt vor unserer Spielzeit ist

Outriders macht bei weitem nicht alles richtig, hat aber für Heiko auch deshalb so großen Erfolg, weil es etwas Entscheidendes besser macht als Destiny oder The Division.

Ich möchte euch eine traurige Geschichte erzählen: Es war einmal eine Gilde in World of Warcraft namens "Die Diener des Humpens". Sie bestand ausschließlich aus Zwergen, deren Namen alle auf "ich" endeten - so gab es einen Schurken namens Dietrich oder auch einen stets gutgelaunten Magier, der Fröhlich hieß.

Es war eine gute Gilde, die viel Spaß zusammen hatte. Bis auf Fröhlich, der leider nicht so viel Zeit wie die anderen Zwerge hatte und irgendwann so sehr im Level hinterherhinkte, dass er sich ganz aus World of Warcraft verabschiedete.

Ja, dieser Zwerg war ich. Und es würde mich nicht wundern, wenn es im Entwicklerteam von Outriders an entscheidender Stelle auch einen Fröhlich gegeben hat. Also jemanden, der sich schon immer gefragt hat, warum Koop- und Online-Spiele nur dann am meisten Spaß machen dürfen, wenn man eine Gruppe aus Gleichgesinnten um sich schart, die jeden Tag Zeit zum Zocken haben. Mit fremden Leuten zu spielen ist für mich nicht das gleiche.

Outriders macht vieles schlechter als ein The Division, Borderlands oder Destiny.

Trotzdem spiele es schon jetzt länger und intensiver, ohne dass ein Ende meiner Motivation in Sicht wäre. Nicht weil es eine sensationell spannende Geschichte erzählt, besonders schick aussieht oder gar spielerisch innovativ ist. Sondern vor allem, weil es versteht, wie wertvoll meine Zeit fürs Spielen ist.

Der Autor

GameStar-Chefredakteur Heiko Klinge verputzt epische Rollenspiele und Action-Adventures zum Frühstück, spielt Shooter meist aber nur maximal 60 Minuten am Stück, danach werden hektische Schießereien für ihn zur Reizüberflutung, die ihm später sogar das Einschlafen erschwert. Entsprechend langsam ist sein Tempo in Loot-Shootern, weshalb ihm potenzielle Koop-Partner meist blitzfix enteilen, sodass er sie in der Regel dann doch allein spielt.

Weshalb meine Spielzeit so kostbar ist

Ich bin glücklich verheiratet, spiele erfolglos Tischtennis in Verein und Liga, gewinne dafür regelmäßig mit meinem Team in Musikquizzes, bespaße einen aufmerksamkeitsbedürftigen Kater, schaue jedes Spiel meines VfL Wolfsburg und habe nebenbei noch einen großartigen, allerdings auch recht anstrengenden Job. Meine Zeit zum Zocken ist entweder begrenzt oder findet dann statt, wenn andere lieber im Bett liegen, etwa Samstag- und Sonntagvormittag.

Heikos Kater Henry lässt sich leider nicht von jedem Spiel so bespaßen wie von Assassins Creed Valhalla. Video starten 0:35 Heikos Kater Henry lässt sich leider nicht von jedem Spiel so bespaßen wie von Assassin's Creed Valhalla.

Wenn ich richtig viel Zeit habe, wühle ich mich gern stundenlang in ein anspruchsvolleres Strategie- oder Rollenspiel rein. Loot-Shooter und Action-RPGs sind mir für solche längeren Zeiträume oft zu repetitiv.

Nach Feierabend unter der Woche bleiben mir aber oft nur maximal 60 Minuten, und da wäre der kurzweilige Mix aus Ballern, Beutesammeln und Charakterverbessern eigentlich genau das Richtige für mich.

Eigentlich, wenn sich diese Spiele mal nach mir richten würden, statt mir ihre Regeln aufzudrücken. Stattdessen limitieren sie bestimmte Modi auf Koop, oder ketten sie an Levelgrenzen, sodass mir einige ihrer Inhalte komplett verschlossen bleiben. Ich hätte wirklich gern mal einen Raid in Destiny ausprobiert, hatte dazu aber nie eine Chance. Auch wenn manche Kollegen der Meinung sind, dass Endgame-Aktivitäten nicht so wichtig seien:

Der Endgame-Irrsinn: Warum Endgame nicht so wichtig ist, wie alle sagen Video starten PLUS 30:20 Der Endgame-Irrsinn: Warum Endgame nicht so wichtig ist, wie alle sagen

Hinzu kommt, dass sich selbst die allein spielbaren Inhalte für mich so anfühlen, als wären sie vor allem für Leute gemacht worden, die fast ausschließlich im Koop unterwegs sind. Deshalb habe ich zum Beispiel beide Division-Teile vorzeitig abgebrochen, weil ich allein nie eine echte Beziehung zur Welt und ihren Charakteren aufbauen konnte.

Für die Kampagnen von Destiny 1 & 2 hat's gerade so gereicht, was aber auch an deren mickrigem Umfang und schwacher Inszenierung liegt. Und so bekomme ich bei diesen Loot-Shootern einfach latent das Gefühl, dass ich nicht das Maximum aus meiner begrenzten Spielzeit herausholen kann. Kein gutes Gefühl.

Wie Outriders meine Spielzeit wertschätzt

Bei Outriders ist etwas Entscheidendes anders: Egal wie ich spiele, egal was ich spiele - mir wird kein einziger Inhalt vorenthalten. Selbst die Endgame-Expeditionen kann ich auch komplett allein absolvieren. Und falls ich doch mal Bock auf Koop haben sollte, skaliert Outriders Gegnermenge und -stärke so, dass alle mitspielen können, egal ob sie auf Level 5, 15 oder 30 sind.

Umgekehrt macht Outriders trotz seines Koop-Fokus keinerlei Kompromisse bei der Kampagne. In den je nach Spielweise 20 bis 30 Stunden stecken so viele Zwischensequenzen, optionale Dialoge und Lore-Texte zum Stöbern, dass ich hier genauso tief eintauchen kann wie in einem reinrassigen Singleplayer-Shooter. Mal völlig unabhängig davon, ob einem Story und Erzählweise nun gefallen oder nicht.

Dieses Grundprinzip ergänzt Outriders mit vielen kleinen, aber feinen Ideen, die mir mein Feierabend-Zeitmanagement noch mehr erleichtern und die ich mir in ähnlicher Form auch in anderen Spielen wünschen würde:

  • Automatischer Schnellreisepunkt: Nach Abschluss einer Mission erscheint direkt an meiner Position ein Teleporter, der mich zurück zum Lager bringt.
  • Schnellmarkierung im Inventar: Per Klick wähle ich alle ungewöhnlichen, seltenen oder epischen Gegenständige aus, um sie zum Beispiel gesammelt in Rohstoffe zu verwerten.
  • Navigationslinie: Auf Wunsch wird eine Linie eingeblendet, die mich direkt zum nächsten Missionsziel führt.
  • Kostenloses Reskillen: Nicht zufrieden mit meinem Character Build? Einfach die Punkte neu verteilen. Ohne Latschen zum Trainer. Ohne dafür erst das nötige Geld zusammenkratzen zu müssen.
  • Springen zu jedem Storypunkt: Nur zehn Minuten Zeit für einen kurzen, aber dafür epischen Bossfight? Einfach das entsprechende Kapitel wählen und ab dafür: Monster legen, Beute einsammeln, fertig.
  • Dauer-Freischalten von Mods: Mit dem Decraften eines Ausrüstungsteil werden die zugehörigen Mods auf Dauer meiner Sammlung hinzugefügt. Endlich kein langwieriges Farmen mehr, um eine neue Waffe genauso aufzurüsten, wie ich's gern hätte!
  • Automatisches Looten: Kein Ablatschen der Level, damit man auch ja keine Beute verpasst! Was ich übersehe, wird konfigurierbar direkt in meine Lagerkiste geliefert.
  • Flexibler Schwierigkeitsgrad: Wenn ich einfach nur entspannt ein wenig Story erleben möchte, schalte ich einfach in ein niedrigeres der 15 World Tiers. Habe ich hingegen Bock auf einen richtig harten Fight mit entsprechend üppiger Belohnung, wird der Regler auf Anschlag gestellt.

Outriders-Komfort: Koop Sowohl die Kampagne als auch die Endgame-Expeditionen können im Koop ohne Levelbeschränkunken gespielt werden, Outriders passt den Schwierigkeitsgrad flexibel an.

Mods Wer ein Ausrüstungsteil zerlegt, schaltet die dort verbrauten Mods für immer frei.

Story Einmal freigespielte Kapitel dürfen wir bequem per Menü erneut erleben - auch um dort gezielt Beute zu farmen.

Beute Per Loot-Automatik bestimmen wir, was nach geschlagener Schlacht automatisch eingesammelt wird.

Mir ist klar, dass all dies in Outriders nur deshalb funktioniert, weil das eigentliche Spielprinzip so simpel ist: Arena stürmen, Feinde plätten, Beute sammeln, Helden aufrüsten, nächste Arena stürmen. Aber gerade zum Feierabend muss es ja nicht immer die Haute Cuisine sein, manchmal schmeckt mit Fast Food genauso gut.

Flexible Feierabend-Freude

Ich kann alle verstehen, denen solche Komfortfunktionen die Immersion zerstören. Aber niemand wird schließlich gezwungen, sie zu nutzen. Legt gern sämtliche Wege zu Fuß zurück, deaktiviert das automatische Looten, spielt nur mit Leuten auf eurem Level - alles cool.

Für mich funktioniert Outriders aber genau deshalb so gut, weil es sich mir anpasst und nicht umgekehrt. Je nach Laune und Zeitbudget verbringe ich meinen Feierabend nur mit ein paar mehr oder weniger knackigen Arena-Schlachten, absolviere eine Expedition allein oder im Koop oder wühle mich auch mal zwei Stunden durch sämtliche Details eines Story-Kapitels. All diese Elemente könnt ihr euch auch nochmal in unserem Testvideo anschauen:

Outriders Test - Diablo trifft Sci-Fi-Shooter Video starten 15:41 Outriders Test - Diablo trifft Sci-Fi-Shooter

Zugegeben, die Flexibilität von Outriders geht teilweise zu Lasten des Balancings. Aber wenn ich dafür Zugriff auf wirklich alle Spielinhalte bekomme, nehme ich das sehr gern in Kauf. Outriders überlässt mir die Entscheidung, ob ich mich allein in die Endgame-Expeditionen stürze, statt Solisten pauschal auszusperren.

Vor allem kann ich aber gemeinsam mit meinen Freundinnen und Freunden spielen, vollkommen unabhängig davon, auf welchem Level sie sich gerade befinden. Genau das hätte Fröhlich in World of Warcraft sehr glücklich gemacht. Und ich hoffe, dass künftig noch viel mehr Spiele so an Fröhlich denken, wie es Outriders getan hat.

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