Ende letzten Jahres ist ein ungewöhnliches Echtzeit-Strategiespiel bei Steam in den Early Access gestartet. Es heißt RIOT: Civil Unrest und möchte Demonstrationen und deren Eskalation spielerisch darstellen und erlebbar machen.
Bei unseren Recherchen fanden wir heraus, dass der Macher Leonard Menchiari seine Inspiration für RIOT in seinen persönlichen Erlebnissen während der Proteste im italienischen Susatal fand. Dort nahm er 2012 an einer Protestbewegung teil, die seit den 90er Jahren unter dem Motto »No TAV« gegen die Errichtung einer Hochgeschwindigkeits-Zugstrecke demonstriert. Und wenn man RIOT: Civil Unrest als Ventil für das Erlebte begreift, müssen dort ziemlich heftige Dinge passiert sein.
Was ist ein Early-Access-Test?
Unsere Tests zu Early-Access-Spielen darf man nicht mit den herkömmlichen GameStar-Tests inklusive Wertung verwechseln. Hier geht es uns darum, eine erste Einordnung für Interessierte zu schaffen, damit sie für sich einschätzen können, ob ihnen ein Spiel gefallen könnte. Wir nutzen das, um als Redaktion früher und näher an vielversprechenden Spielen dranzubleiben. Den finalen redaktionellen Test mit Wertung gibt's nach wie vor pünktlich zum Release der Vollversion.
Was will RIOT?
Wie oben erwähnt stellt RIOT: Civil Unrest Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Ordnungshütern als Echtzeit-Strategiespiel dar. Obwohl die Erlebnisse des Entwicklers im Susatal sicherlich emotional waren, schafft RIOT es, die verschiedenen spielbaren Szenarien nüchtern und distanziert abzubilden. Selbst, wenn die Lage eskaliert, die Demonstranten zu Steinen greifen oder die Polizei scharf schießt. So erschreckend und eindringlich die Geschehnisse auf dem Bildschirm auch werden, nie ergreift das Spiel Partei, verharmlost oder rechtfertigt.
Möglicherweise liegt das daran, dass Leonard Menchiari bei seinen Protesten die Gelegenheit hatte, mit Polizisten zu sprechen. Dabei fand er heraus, dass viele der Ordnungshüter durchaus mit den Überzeugungen der Demonstranten übereinstimmten. Vielleicht war es dieses Erlebnis, das es dem Entwickler ermöglichte, RIOT neutral und wertungsfrei zu gestalten.
Das ist die große Kunst, die in diesem kleinen Programm steckt. Wird der Straßenkampf auch blutig und bisweilen für ein Pixel-Art-Spiel erschreckend real, nimmt das Spiel nur die Position des Beobachters ein. Der Spieler, der die Handlungen der Demonstranten oder Polizisten vorgibt, versucht sich bei der Erfüllung seiner Aufgabe in Schadensbegrenzung.
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Außergewöhnliche Szenarien
Wir wählen vor Beginn einer Runde die Seite, auf der wir spielen wollen. Mal müssen die Demonstranten die Polizei aufhalten, während diese einen bestimmten Bereich räumen und halten muss. Dann müssen die Aufständischen eine Polizeikette durchbrechen, während die Ordnungshüter eben dies zu verhindern versuchen.
Die vier auf realen Ereignissen beruhenden Szenarien in RIOT: Civil Unrest sind in 20 Level unterteilt - nachdem wir eines davon erfolgreich abgeschlossen haben, schalten wir das nächste frei. Jede Fraktion hat pro Level eine oder mehrere Aufgaben, die es zu erfüllen gilt. Dafür steht nur begrenzte Zeit zur Verfügung. Schaffen wir es beispielsweise nicht, als Polizei einen Platz binnen weniger Minuten zu räumen, gilt die Mission als verloren. Zusätzlich zu den Hauptmissionen stehen Skirmish-Level sowie ein lokaler Multiplayermodus für vier Spieler bereit.
Die Szenarien in RIOT:
Indignados: Die Proteste in Spanien in den Jahren 2011/12 waren gegen wirtschaftliche und politische Missstände gerichtet und organisierten sich auch über die sozialen Netzwerke.
No TAV: In Italien protestiert eine Bürgerbewegung seit den 90er Jahren gegen den Ausbau einer Hochgeschwindigkeits-Zugstrecke in den Alpen westlich Turins.
Arabischer Frühling/ Tahrir-Platz: Im Rahmen der Massenproteste in der arabischen Welt, die 2010 mit der Revolution in Tunesien begannen, besetzen Demonstranten in Kairo, Ägypten den Tahrir-Platz.
Keratea: In der griechischen Stadt Keratea kommt es 2011 zu Massenprotesten gegen den Bau einer Restmülldeponie.
Sei es die gewaltsame Räumung eines Demonstranten-Camps in Italien, die Besetzung des Tahrir-Platzes während des Arabischen Frühlings in Ägypten oder der Protest gegen die Lebensumstände in Griechenland. RIOT versucht, beide Seiten der Auseinandersetzung wertungsfrei darzustellen und ermöglicht uns so, selbst über die Ereignisse nachzudenken. Wenn RIOT etwas will, dann ist es das.
Wie spielt sich RIOT?
RIOT ist weitgehend ein klassisches Echtzeit-Strategiespiel, es gibt aber ein paar Besonderheiten bei der Steuerung. Wir geben auf Seiten der Polizei direkte Befehle an Einsatztrupps, lassen sie dann vorrücken, Demonstranten beiseitedrängen oder auch die Knüppel schwingen. Zudem bestimmen wir bei den Polizisten noch die Formation. Als langgezogene Reihe können wir so Demonstranten-Gruppen wegdrängen oder sie als Keil auseinandertreiben.
Über pixelige Symbole am oberen Bildschirmrand können wir konkrete Befehle geben. So lassen wir unsere Männchen in die Reihen der Demonstranten vorrücken und Verhaftungen durchführen. Das funktioniert aber erst flüssig, sobald man die Bedeutung der kryptischen Symbole verstanden hat.
Die Formations-Bewegung der Polizeitrupps erinnert an Spiele der Total-War-Reihe, bei denen die richtige Postierung der Einheiten ebenfalls eine entscheidende Rolle spielt.
Die Demonstranten dagegen steuern wir eher als bewegliche Masse, die Kommandos zwar grob ausführt, aber auch von Eigendynamik getrieben wird. So schrecken die Aufständischen beispielsweise vor Polizisten zurück oder stieben bei Ankunft einer Rauchgranate davon. Dafür können sie mit Sprechchören die Moral stärken oder durch eine Sitzblockade die Verhaftungen erschweren.
RIOT - Civil Unrest - Screenshots ansehen
Eigenwillige Steuerung
Das Ganze steuert sich reichlich ungewohnt, da wir öfters das Gefühl haben, die pixeligen Figuren tun nicht das, was wir von ihnen möchten. Dann schauen wir aber genauer hin, und stellen fest, dass rote Wellen die Angst vor waffenstarrenden Polizisten signalisieren oder ein Einsatztrupp erst neu gruppiert werden muss, bevor wir ihn effektiv befehligen können. Sprich: Alles Ungewohnte folgt logischen Regeln, die wir aber erst einmal begreifen müssen.
Die Darstellung trägt zusätzlich zur Verwirrung bei, denn so schön der Pixel-Look auch ist - so unübersichtlich stellt er die Menschenmassen dar. Aber auch hier gilt: Wenn wir uns daran gewöhnt haben, geht es besser. Dann sehen wir, dass über jeder Gruppe ein passendes Symbol schwebt, das die Zuordnung erleichtert.
Die Schlacht beginnt
Bevor es jedoch mit wehenden Fahnen oder trommelnden Schilden auf die Straße geht, steht bei RIOT noch etwas Planung auf der Agenda. Auf Seiten der Aufständischen wählen wir beispielsweise, wie umfassend die Menschen für den Kampf ausgerüstet sind. Schwer bewaffnete Demonstranten bringen zwar Molotow-Cocktails oder Schutzpanzer mit, bleiben aber in ihrer Zahl kleiner. Friedliche, unbewaffnete Menschen dagegen kommen in größerer Anzahl, können sich aber nicht so effektiv gegen Sicherheitskräfte zur Wehr setzen. Entsprechend legen wir vor Beginn einer Runde die Balance zwischen Aggressivität und Masse selbst fest.
Auf Seiten der Polizei wählen wir konkret die Form der Bewaffnung für jeden einzelnen der taktischen Trupps. Es stehen Knüppel, Gasgranatenwerfer und sogar scharfe Waffen zur Auswahl.
Das eigentliche Ereignis beginnt für beide Seiten im friedlichen Modus. In diesem kommt es beim Zusammentreffen nicht gleich zu Gewalt und Polizisten versuchen dann, die Demonstranten zurückzudrängen, anstelle gleich die Knüppel zu schwingen. Demonstranten laufen mit erhobenen Armen und signalisieren so, dass sie friedlich sind. Schalten wir, weil die Umstände im Spiel es erfordern, in den aggressiven Modus um, wenden beide Seiten Gewalt an. Ist es so weit gekommen, lässt sich das Geschehen oftmals nur noch schwer beeinflussen.
Dann fliegen Böller oder Steine, dann wird der Knüppel geschwungen oder sogar geschossen. Eine Eskalation der Gewalt führt auf beiden Seiten zu Verletzten und Toten, und das hat Konsequenzen.
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