Bestechen oder Heiraten?
Die größte Karotte von Rise of Venice ist es natürlich, zum Dogen von Venedig aufzusteigen. Hier kommt das neue Politiksystem ins Spiel. Denn der Doge wird vom historisch belegten »Rat der Zehn« bestimmt, in denen die zehn einflussreichsten Familien Venedigs sitzen. Und nur wer genügend Familien auf seiner Seite hat, kann erst im Rang aufsteigen, dann einen Ratsplatz bekommen und schließlich zum Dogen gewählt werden.
Dummerweise hat jede Familie seine eigenen Ansichten und Vorlieben. Die Marcellos stehen auf Bildung und dementsprechend auf das Bauen von Schulen, die Mocenigos beeindrucken dagegen eher große Flotten mit vielen Kanonen. Anfangs ist es noch einfach, bei jedem beliebt zu sein, doch spätestens ab der eigenen Ratsmitgliedschaft wird der Emporkömmling argwöhnischer betrachtet. Dann hilft nur noch Bestechung oder das Erfüllen von Spezialaufträgen.
PLUS
11:09
GameStar TV: Rise of Venice - Folge 71/2013
Wer sich besonders einschleimt, darf sogar in eine Familie einheiraten – natürlich nur aus Liebe, versteht sich. Nun ja, und auch, weil man so neue Familienmitglieder bekommt, die teils über mächtige Spezialfähigkeiten verfügen (etwa die Beliebtheit in einer bestimmten Stadt erhöhen).
Wie so vieles in Rise of Venice funktioniert auch das Politiksystem rein mathematisch: Aktion X erhöht die Beliebtheit von Y um Z Prozent. Trotzdem ist es eine prima Ergänzung zum Händleralltag, weil es selbst dann etwas Sinnvolles zu tun gibt, wenn alle Handelsrouten ausnahmsweise mal flutschen.
Krieg ist keine Lösung
Nicht alle Probleme lassen sich mit Geld oder Heiraten lösen. Dann sprechen in Rise of Venice die Kanonen, wahlweise auch automatisch berechnet. Wer selbst das Ruder übernehmen möchte, steuert ein Schiff direkt und erteilt den bis zu zwei Begleitbooten grobe Verhaltensanweisungen. So weit, so bekannt aus den Vorgängern. Neu ist, dass nun der Ort der Schlacht eine gewisse Rolle spielt: Nebel und Unwetter behindern die Sicht, in Küstennähe gibt’s mehr bremsende Untiefen. Verfolger lassen sich neuerdings mit brennendem Öl beharken, und Entermanöver funktionieren nun etwas einfacher und präziser.
Alles ganz nett, aber nichts, was etwas daran ändert, dass sich an den See- schlachten nach wie vor die Geister scheiden. Für die einen sind die unkomplizierten Actioneinlagen eine willkommene Abwechslung zum ansonsten eher geruhsamen Händleralltag, für die anderen ein störender Fremdkörper. Taktische Seegefechte im Stil der Total War-Serie hätten in jedem Fall besser zum Genre und zum Szenario gepasst.
Militärische Aktionen sind aber ohnehin nur noch ein Randaspekt. Denn weil die Entwickler die ebenso hässlichen wie spielerisch anspruchslosen Stadteroberungen aus Port Royale 3 ersatzlos gestrichen haben, lassen sich alle wichtigen Spielziele nur friedlich erreichen. Eine gute Entscheidung, denn so konzentriert sich Rise of Venice auf das, was es am besten kann: die Simulation eines dynamischen Wirtschaftssystems.
Gute Gründe für die Übersicht
Handeln, Politik, Seeschlachten: In Port Royale 3 konnte man da noch leicht die Übersicht verlieren, in Rise of Venice passiert das deutlich seltener.
Grund 1: Waren werden erstmals auf einer 3D-Karte verschifft, die sich in vier Stufen von der Wolken- bis in die Möwenperspektive zoomen lässt. Aus der Wolkenperspektive erfordert deshalb selbst eine Fahrt von Rom bis Istanbul kein Scrollen mehr. Und aus der Möwenperspektive lässt sich präzise jedes Aktionsgebäude einer Stadt anwählen, ohne dass dafür eine separate Siedlungsansicht geöffnet werden muss.
Grund 2: Weil Rise of Venice im Gegensatz zu Port Royale 3 nicht für Konsolen erscheint, mussten die Entwickler keinerlei Kompromisse bei der Bedienung machen. Die Menüs platzen schier vor Informationen, und es gibt sogar ein frei beschreibbares Notizbuch. Alles geht einen Tick einsteigerfreundlicher, flüssiger und komfortabler von der Hand. Aber nicht anspruchsloser. Denn weil sich nun Städtewachstum auch in Preisverfall äußert, muss jede Handelsroute regelmäßig kontrolliert und optimiert werden, zumal es sinnvollerweise keine Profit-Automatik mehr gibt. Diese KI-Unterstützung hatte Port Royale 3 für erfahrene Händler teils viel zu einfach gemacht.
Wie es sich für eine Wirtschaftssimulation gehört, lässt sich Rise of Venice also wahnsinnig effizient spielen. Allerdings auf Kosten der Tatsache, dass sich fast alles in Menüs abspielt. Es wird eben keine Ware per Kran aufs Schiff verladen, sondern ein Schieberegler von links nach rechts bewegt. Und klar war die separate Stadtansicht in Port Royale 3 spielerisch sinnlos.
Dennoch vermittelte sie zumindest das Gefühl, ein Gebäude eigenhändig errichtet zu haben. Jetzt ist es lediglich ein weiterer Menü-Klick. Rise of Venice ist pure Mechanik, das muss man mögen. Aber der Doge von Venedig hatte letzten Endes ja auch nur einen Schreibtischjob.
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