Seite 2: Runder Tisch zu EA Origin - »Das war ein Scheiß, und das wissen wir auch.«

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Sieben auf einen Streich

Zumal es um die Infopolitik von EA auch sonst nicht gerade zum Besten steht. Sebastian Radke, der Gründer von TheOrigin, weist darauf hin, dass alleine die deutschen EA-Webseiten auf sieben unterschiedliche Versionen der Origin-Lizenzvereinbarung, der Datenschutzrichtlinien und der Nutzungebedingungen für EA-Accounts verlinken. Was nun wann für wen gilt? Unübersichtlich. Zumal der Anwalt Konstantin Oswald berichtet, dass die Origin-Bestimmungen zwar bereits überarbeitet seien, die beiden anderen, ebenfalls teils rechtswidrigen Texte aber noch nicht. Die Arbeit daran laufe allerdings bereits und sei »in Kürze« abgeschlossen. Nun könnte man fragen: Warum nicht gleich so? Aber okay, Blick nach vorne.

Die Vertreter des VDVC (Mitte links) und von TheOrigin (rechts) erklären ihre Standpunkte. Die Vertreter des VDVC (Mitte links) und von TheOrigin (rechts) erklären ihre Standpunkte.

Als der VDVC-Sprecher Patrik Schönfeldt anmerkt, dass in der bereits überarbeiteten Origin-EULA noch immer stehe, es gelte englisches Recht, verliert sich Ewald in einem rechtlichen Exkurs: Es sei unter Juristen grundsätzlich umstritten, ob diese Klausel überhaupt zulässig sei, was allerdings sowieso nichts daran ändere, dass der EULA deutsches Recht zugrunde liege, weswegen man eigentlich auch »Es gilt deutsches Recht« reinschreiben könnte. »Dann tun wir das doch!«, zischt Jens Uwe Intat, der offensichtlich selbst genervt ist von solchen Verklausulierungen, die den Dialog mit der Community weiter erschweren.

Ja, EA wird weiter an seiner Kommunikation arbeiten und der Antworten liefern müssen. Zumindest, wenn der Publisher nicht länger als »große, böse Spielefirma« wahrgenommen werden möchte – ein Image, das Olaf Coenen gleich zum Beginn des Treffens beklagt: »Wir wollen doch nichts Böses!« Selbst in den datenschutzrechtlich laxen USA habe sich das Unternehmen schon vor Längerem dazu bereits erklärt, sich von der Handelsaufsicht in die Datenbanken schauen zu lassen – ein Schritt, den das hierzulande ebenfalls lautstark kritisierte Sozialnetzwerk Facebook erst kürzlich ging. Auch das hätte EA der Community gegenüber längst herausstellen können. Warum damit extra auf den runden Tisch warten?

Neben der Kommunikation steht der Gesprächsabend unter einem weiteren Motto: Optionalität. Marcus de Roquez von TheOrigin bringt es auf den Punkt: »Warum fragt ihr die Spieler nicht, ob sie bei der Datensammlung helfen wollen?« Electronic Arts könnte – ähnlich wie Valve bei Steam – die Origin-Community vorab um die Erlaubnis bitten, Daten sammeln zu sammeln. Es gibt sicherlich viele Community-Mitglieder, die dazu bereit wären, Hardware-Daten zur Verfügung zu stellen, wenn sie damit dazu beitragen, die EA-Spiele zu verbessern. Man muss eben nur höflich fragen. So lange die entsprechenden Klauseln in einer EULA versteckt werden und automatisch akzeptiert werden müssen, fühlen sich die Spieler bevormundet.

Belohnungen für VIP-Datenquellen

Robert Walther von TheOrigin spinnt den Vorschlag weiter: Man könne doch drei Arten von Origin-Accounts anbieten: In der Standardversion dürfen die Fans unbehelligt spielen, ohne Daten abzugeben. Wer in die Datensammlung einwilligt, steigt zum VIP-User auf und bekommt früheren Zgriff auf (kostenpflichtige) DLCs, etwa zu Battlefield 3oder Mass Effect 3. Und wer ein Premium-Konto erstellt, zahlt zwar Monatsgebühren, bekommt aber alle DLCs kostenlos. Jens Uwe Intat reagiert auf diesen detaillierten Vorschlag mit einem anerkennenden Lächeln, bei seinen Kollegen kratzen die Stifte.

Battlefield 3 läuft ohne Origin nicht. Battlefield 3 läuft ohne Origin nicht.

Ansonsten ergeht sich die Runde in Detaildiskussionen, die sich allerdings ebenfalls als interessant entpuppen. Warum erfragt EA doppelt die Erlaubnis, Daten zu erheben? Weil Informationen für Betatest und ähnliches von der deutschen Zweigstelle, die Origin-Daten hingegen von US-Zentrale erhoben werden. Warum verlieren User, die im EA-Forum gebannt werden, auch den Zugriff auf ihren Origin-Account und damit all ihre Spiele? Das sei ein »bedauerlicher Fehler«, gesteht der Origin-Chef Craig Rechenmacher, man arbeite an einer Lösung, so etwas »dürfe nicht sein«. Wann wird der Origin-Client mit seinen happigen 120 Megabyte Installationsgröße endlich entschlackt? Man arbeite am Client, erklärt der Obertechniker Greg Schaefer, weitere Updates seien geplant. Was das heißt, bleibt erstmal ungeklärt.

Ungeklärt bleibt nach diesem Abend auch die Gretchenfrage, welche Daten Origin denn nun eigentlich sammelt oder vor der Client-Änderung gesammelt hat. Okay, das Computermagazin c‘t hat der Software jüngst bescheinigt, nicht auf andere Verzeichnisse zuzugreifen und nicht die Festplatte zu scannen. Robert Walther von TheOrigin hat jedoch selbst erlebt, dass ältere, bereits installierte EA-Titel nach der Origin-Installation plötzlich in der Origin-Spieleliste auftauchten. Wie soll das ohne Festplatten- oder zumindest Registry-Scan passiert sein? Greg Schaefer erklärt, er können sich »nicht erinnern«, dass Origin jemals zum Scan nach anderen Spielen oder Programmen eingesetzt worden sei. Definitiv ausschließen will er es nach mehreren Minuten Diskussion aber auch nicht mehr und verspricht, das noch mal zu checken.

Ob sich wirklich etwas ändern wird, steht freilich in den Sternen. Der geänderten EULA zum Trotz entspricht die Origin-Software in ihren Fähigkeiten immer noch einer Spyware. Ob der Client speziell für den deutschen Markt angepasst wird, kann oder will EA derzeit nicht sagen. Schon zu Beginn stellt Olaf Coenen klar, dass der runde Tisch nicht dazu da sei, solche Entscheidungen zu treffen. Es gehe um den Dialog, nicht um die Geschäftspolitik von EA. Dennoch machen er und seine Kollegen den ehrlichen Eindruck, zuhören zu wollen und den runden Tisch nicht als reines PR-Kammerspiel zu begreifen. Was daraus wird und ob sich EA tatsächlich noch formell bei der Community entschuldigt, bleibt abzuwarten. Der Anfang aber ist gemacht, es war höchste Zeit.

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