SOPA-Affäre - Lächerliches Trauerspiel

Wie so viele Pseudo-Maßnahmen gegen Copyright-Verstöße trifft SOPA die Falschen. Sagt zumindest Michael Graf.

Michael Graf

Es war mein Lacher des Tages. Der texanische Kongressabgeordnete Lamar Smith, der Autor des umstrittenen SOPA-Gesetzentwurfs, soll auf seiner Website früher selbst gegen das Urheberrecht verstoßen haben, indem er ein Bild ohne Quellennachweis verwendete - behauptet zumindest das US-Magazin »Vice«. Selbst wenn das nur ein Missverständnis sein sollte, zeigt es klar, welch Lachnummer das Anti-Piraterie-Gesetz darstellt, wenn schon seine eigenen Befürworter derart schnell in die Copyright-Falle tappen. Dumm nur, dass sich die Lachnummer bei genauerem Hinsehen als durchaus ernstes Trauerspiel entpuppt.

Denn SOPA ist, wie so viele Pseudo-Maßnahmen gegen Copyright-Verstöße, mal wieder ein Holzweg. Bitte nicht falsch verstehen: Ich halte das Urheberrecht für ausgesprochen wichtig; wer Zeit und Geld in kreative Arbeit investiert, soll dafür auch belohnt werden. SOPA trifft allerdings die Falschen. Wer Spiele über BitTorrent-Börsen verteilt und herunterlädt, dem kann die US-Gesetzgebung herzlich schnuppe sein - denn die Torrent-Verzeichnisse liegen nicht auf amerikanischen Servern und sind somit dem Zugriff der dortigen Staatsanwälte entzogen. Auch wenn der SOPA-Schwesterentwurf PIPA immerhin verhindern soll, dass Suchmaschinen auf derartige Seiten verweisen. Wer kopieren will, wird dennoch weiterhin kopieren, mit oder ohne Anti-Piraterie-Erlass.

Mit dem "Stop Online Piracy Act" (SOPA) soll das Urheberrecht geschützt werden. Die Debatte ist kontrovers. Mit dem "Stop Online Piracy Act" (SOPA) soll das Urheberrecht geschützt werden. Die Debatte ist kontrovers.

Betroffen wären vielmehr ehrliche Käufer, die beispielsweise Spielevideos auf YouTube hochladen und (bewahre!) mit Musik hinterlegen. Die also bloß der Welt zeigen wollen, dass ihnen das Spiel gefällt. Dieses Andere-Teilhaben-Lassen ist ein Herzstück der Internet-Kultur, das geschützt werden muss. Zumal SOPA nur einer Interessengruppe echte Vorteile bringt: den großen Publishern, die fortan jeder Website beim kleinsten Copyright-Verstoß den Stecker ziehen könnten. Kein Wunder, dass der US-Branchenverband ESA den Entwurf unterstützt - seine zahlungskräftigsten Mitglieder profitieren davon.

Immerhin besteht noch Hoffnung. Nicht nur wegen der Internet-Proteste, auch das Weiße Haus hat kürzlich Bedenken angemeldet und erklärt, der (wichtige!) Schutz von Urherberrechten dürfe nicht die Offenheit des Internets einschränken oder gar zu Zensur führen. Vertreter der Film- und TV-Industrie antworteten prompt, man erwarte, dass die Regierung auch weiterhin an einer Lösung arbeite. Der letzte Vorhang des SOPA-Trauerspiels ist also noch lange nicht gefallen.

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