Star Citizen - Chris Roberts greift nach den Sternen

Das Dogfight-Modul von Star Citizen lässt weiter auf sich warten. Wir waren aber schon im April bei der ersten Präsentation dabei und haben für diese Vorschau mit Chris Roberts über seinen Traum von der perfekten Weltraum-Simulation gesprochen.

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Um 21:32 Uhr verliert Chris Roberts zum ersten Mal die Fassung. Wir schreiben den 10. April 2014 und er ist in Boston, um rund 1.000 seiner Fans und Unterstützer einen weiteren Baustein des Mega-Projekts Star Citizen zu enthüllen, und nichts funktioniert. Stunden zuvor hat ein fehlerhafter Patch die nach Dutzenden Überstunden gerade noch rechtzeitig fertiggestellte Vorführversion unbrauchbar gemacht. Nun müssen er und sein Team die lauffähige Ursprungsfassung wiederherstellen. Dafür muss die einzig nicht korrumpierte Version von Roberts’ Laptop auf die Präsentationsrechner überspielt werden – und das dauert.

Das lang erwartete Dogfighting-Modul, ein Teilbereich des Spiels, in dem mehrere Spieler in Raumkämpfen gegeneinander antreten können, ist keine speziell angefertigte Pressedemo, sondern kommt direkt von den Entwicklungsrechnern des Studios Cloud Imperium. Spiele sind in dieser Phase der Entwicklung noch unfertige Monstren ohne jede optimierte Struktur, dafür voll von Debug-Dateien und nicht-komprimierten Texturen. Über 100 Gigabyte wollen auf sechs Rechner überspielt werden, vor einer halben Stunde hätte es losgehen sollen und die Uhr tickt.

Es ist das erste Mal seit gut 18 Monaten, dass die Zeit nicht auf der Seite von Chris Roberts ist. Seitdem er im Jahr 2012 mit dem Versprechen angetreten ist, das halbvergessene Genre der Weltraumsimulationen wiederzubeleben, hat sein Projekt Star Citizen alle Crowdfunding-Rekorde zerschmettert.

Rund 44 Millionen Dollar hat er bisher eingesammelt: ohne Publisher, ohne Großinvestoren, getragen von rund 425.000 Fans, die ihm im Schnitt 100 Dollar gespendet haben, damit Roberts’ Vision Wirklichkeit werden kann. Ein Erfolg, der rückblickend vielleicht gar keine so große Überraschung ist, denn wie alle von der Community vorfinanzierten Projekte verkauft Chris Roberts kein Spiel, sondern einen Traum. Und kein Traum ist größer als seiner.

Erschaffung eines Universums

Was er verspricht, ist nicht weniger als ein ganzes Universum. Eine riesige, dynamische Online-Spielwelt, die sowohl kriegerischen Eroberern als auch friedlichen Entdeckern und raffgierigen Ökonomen gerecht wird. Raumschiffe, die so physikalisch korrekt simuliert werden, dass ihr Flugverhalten leidet, wenn ein Designer die Antriebsdüsen ein bisschen weiter links ins 3D-Modell einfügt. Es soll riesige Kampfschiffe geben, die eine Crew von vier oder mehr Spielern benötigen, um voll funktionsfähig zu sein. Einsame Welten, auf denen lange verlassene Alien-Ruinen darauf warten, dass zum ersten Mal in Äonen ein Raumfahrer zwischen ihnen umherwandert. Kampfpiloten sollen die Energieverteilung auf Schilde, Antriebssysteme und Waffen genauso im Auge behalten müssen wie Händler die Marktentwicklung auf den unterschiedlichen Planeten.

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Es soll möglich sein, Raumstationen und Großkampfschiffe erst sturmreif zu schießen und dann in taktischen Egoshooter-Gefechten mit einem Einsatzteam von innen zu erobern. Spieler sollen eigene Fabriken besitzen dürfen, deren Produktion sich direkt auf die Marktpreise in den umliegenden Handelsstationen auswirkt. Entdecker können sich unsterblich machen, indem neu erforschte Sternensysteme auf ewig nach ihnen benannt werden. Obendrauf ist eine Einzelspieler-Kampagne geplant, die einem modernen Wing Commander III in nichts nachstehen soll. Star Citizen ist das vielleicht ambitionierteste Spieleprojekt, das derzeit irgendwo auf der Welt in der Entwicklung ist.

Das All hat seinen Preis

Getrieben wird das Mega-Projekt von einem brillanten Vermarktungskonzept. Anstatt einer simplen Spielelizenz kaufen zukünftige Sternenbürger eines von diversen Raumschiffmodellen auf den Seiten der fiktiven Raumfahrtgesellschaft Roberts Space Industries. Von kleinen Werbevideos zu den einzelnen Modellen über die mit eigener Hintergrundgeschichte ausgestatteten Herstellerfirmen, bis hin zum Design der Webseite wurde alles so harmonisch in das Spieluniversum eingebettet, dass man tatsächlich das Gefühl hat, im Raumschiff-Fachhandel einzukaufen.

Einsteigermodelle, die auch Zugang zu den Alpha-Veröffentlichungen des Spiels mitbringen, gibt es für rund 40 Dollar, doch gut ausgestattete Flitzer schlagen mit 100 Dollar und mehr zu Buche. Wer richtig hinlangen will, kann in Sammelpaketen bereits die ersten Großkampfschiffe wie die IDRIS Fregatte oder einen ganzen Fuhrpark an Raumschiffen auf einmal kaufen. Der Preis für solch ein Multi-Schiff-Paket: zwischen 1.150 und 15.000 US-Dollar. Das teuerste davon, das »Completionist Package«, ist derzeit bereits ausverkauft. Chris Roberts ist es auf geniale Weise gelungen, mit Ingame-Verkäufen Millionen zu verdienen, ohne dass bisher ein Spiel dazu existiert.

Star Citizen - Die Raumschiffe ansehen

Im Dogfighting-Modul, das Chris Roberts an diesem Abend in Boston präsentieren will, können die Spender erstmalig ihre kleineren Schiffe nicht nur im virtuellen Hangar bestaunen. Es wird das erste greifbare Indiz dafür sein, was für ein Spiel sie erwartet. Die meisten der sechs Standardschiffe sollen von Anfang an dabei sein, danach folgen alle weiteren, die keine größere Besatzung brauchen. Wer einen der großen Pötte besitzt, muss sich mindestens bis zur Gamescom im August gedulden. Bis dahin hofft Roberts auch die Multi-Crew-Ships unterstützen zu können. An diesem Donnerstagabend hat er jedoch andere Sorgen.

Die CryEngine 3 ist dafür nicht gemacht

Gegen 21:45 Uhr tigert Roberts rastlos hin und her. Das Umkopieren der Daten dauert ewig. Zwischendrin startet er immer wieder das Spiel in der Hoffnung, dass bereits alle fehlerhaften Dateien überschrieben sind. Ohne Erfolg: Mal bleibt der Bildschirm rosa, mal startet einfach gar nichts. Dabei hätte das Dogfighting-Modul längst fertig sein sollen, schon im Dezember 2013. Wenige Tage vor der geplanten Veröffentlichung jedoch verschob Roberts den Start um ein paar Monate. Er wolle nicht bloß eine Demo zurechtschustern, nur um den Zeitplan einzuhalten, erklärte er.

Stattdessen sollte der Spielabschnitt direkt in die Netzwerk-Infrastruktur des Spiels integriert werden. Die arbeitete bis dahin noch mit dem mitgelieferten Netzwerkcode der CryEngine 3, auf der Star Citizen basiert. Doch für die MMODimensionen des Spiels, das irgendwann mal Kämpfe zwischen bis zu 50 Spielern unterstützen soll, ist der Shooter-Code nicht gemacht.

Deswegen ist derzeit das zweite Cloud-Imperium-Team in Austin damit befasst, eine völlig neue Netzwerksoftware zu schreiben, die für ihre Berechnungen auf eine ganze Serverfarm zurückgreifen kann. Es ist dieser Teil der Entwicklung, der Chris Roberts als einziger ein wenig Sorgen macht, sagt er, weil er sich darin selbst noch nicht so gut auskennt.

Auch an diesem Abend in Boston sind es in letzter Minute durchgeführte Änderung am unfertigen Multiplayer-Code, die sein Spiel immer wieder abstürzen lassen. Kurz vor zehn geht es dann endlich los, das Spiel scheint zu funktionieren. Während der Präsentation jedoch stürzt es immer wieder ab. Die Eingangssequenz, in der Roberts mit seinem Piloten ins Raumschiff steigt und den Helm aufzieht, läuft gleich drei Mal hintereinander. Den meisten Fans ist das vollkommen egal: Sie feuern ihn beim dritten Durchgang nur noch lauter an. »Wir vertrauen dir, Chris!«, ruft einer dazwischen, und der Saal jubelt.

Vorläufige Entwicklungs-Timeline
Was kommt nach dem Dogfight Modul? Wir haben Chris Roberts gefragt, wann in etwa mit den wichtigsten Modulen seines Spiels zu rechnen ist. Hier seine groben Schätzungen mit Stand vom 10. April 2014.

Juni 2014: Shooter-Testmodul
Kämpfe gegen andere Spieler in einer verlassenen Minen-Kolonie

August 2014 (Gamescom): Dogfight-Modul 2.0
Fügt Schiffe mit mehrköpfiger Besatzung hinzu

Ende 2014 / Anfang 2015: Dogfight Modul 3.
Fügt das Entern von Großkampfschiffen als Shooter-Spielabschnitt hinzu

Frühjahr 2015: Planetside-Modul
Erlaubt zum ersten Mal das Erforschen einzelner Orte auf Planeten.

März 2015: Squadron 42 - Episode 1
Die ersten 10 Missionen der Singleplayer-Kampagne

Juni 2015: Squadron 42 - Episode 2
Die nächsten 10 Missionen der Singleplayer-Kampagne

September 2015: Squadron 42 - Episode 3
Die nächsten 10 Missionen

Jahresende 2015: Alpha-Version des Persistenten Universums
Zum ersten Mal dürfen Spieler das große, zusammenhängende Universum erkunden. Zu beginn soll es zwei bereisbare Planeten geben. Danach folgen nach und nach über 400 weitere.

Früjahrbis-Mitte 2016: Abschluss Squadron 42, Beta des persistenten Universums
Die Singleplayer-Kampagne wir abgeschlossen und das zusammenhänge Spieluniversum erreicht den Status, in dem alle wichtigen Funktionen eingebaut wurden.

Mitte bis Ende 2016: Der erste Start
Star Citizen ist in etwa das Spiel, das Chris Roberts zu Anfang in Aussicht gestellt hat. Das Universum wird kontinuierlich weiterentwickelt, viele Stretchgoal-Ziele fehlen noch.

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