Seite 3: Star Citizen - Chris Roberts greift nach den Sternen

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Erste Eindrücke

Am Tag nach dem Fan-Event stehen sechs Maschinen am Stand von Logitech auf der Penny Arcade Expo in Boston und das Dogfighting- Modul läuft einigermaßen. Dafür hat das Team den Multiplayer geopfert, man kämpft nur noch gegen KI-Flieger. Zwei Level hat Cloud Imperium dafür im Gepäck. In »Dying Star« können wir eine erste Version des Arena-Modus »Vanduul Storm« ausprobieren, in dem der Spieler gegen endlose, immer stärkere Wellen angreifender Aliens kämpft. Derzeit noch mit menschlichen Raumjägern statt Alien-Raumschiffen. Hier endlich blitzt ab und an das Spiel auf, das Star Citizen vielleicht einmal sein wird.

Im einfachen Steuerungsmodus erzeugt der Titel sofort echte Wing Commander-Gefühle: Der 3D-Globus als Radar-Karte, die Hand am Steuerknüppel, die Star Wars-haften Soundeffekte und die grafische Opulenz erinnern an Zeiten, als 450 MB eine respektable Gesamtgröße für Festplatten war und nicht eine Folge Tagesthemen auf iTunes. Wie von Chris Roberts versprochen, sind die Gegner kein Kanonenfutter, sondern stecken einige Schusssalven und sogar mehrere Raketentreffer ein.

Harte Gegner auszuschalten, dürfe ruhig auch mal zehn bis fünfzehn Minuten dauern, bestätigt Erin Roberts, »dann fühlt es sich auch wie ein echter Erfolg an«. Auch das Schadensmodell der Flieger kann sich sehen lassen. Je nachdem, wo man sie trifft, platzen Metallstücke aus der Außenwand oder ganze Tragflächen brechen ab, denen man übrigens tunlichst ausweichen sollte, um bei der Kollision keinen Schaden zu nehmen.

Star Citizen - Rundgang durch das Hangarmodul mit Hornet-Schiff Video starten 3:47 Star Citizen - Rundgang durch das Hangarmodul mit Hornet-Schiff

Sogar die Computersysteme des Schiffs sind, unsichtbar für den Spieler, einem festen Ort im Schiff zugeordnet. Trifft sie ein Schuss, fällt beispielsweise der ganze Bordcomputer aus. Letzteres jedoch bisher nur theoretisch. Das ist der Plan. Beim Probespiel verändert sich das Flugverhalten unserer F7C Hornet selbst dann nicht, als sie nur noch von Angstschweiß und Stoßgebeten zusammengehalten wird. Auf der zweiten Karte, »Broken Moon« klappt es dann endlich mit unserer Landung. Nochmal: Raumschiff ausrichten, absenken, Fahrgestell fährt automatisch aus – kinderleicht!

Mit einem Druck auf die F-Taste öffnet sich das Cockpit, unser Pilot klettert hinaus ins All, und für einen Moment stehen wir da, am Rande eines träge durch den Raum gleitenden Meteoritenfeldes, während hinter uns der gigantische Terraformer, auf dem wir gelandet sind, einen gleißenden Energiestrahl auf den Planeten unter uns sendet. Es ist ein gigantisches, beeindruckendes Panorama, und man fühlt sich selbst vor dem Monitor in den überlaufenen Hallen des Boston Convention Center für eine Sekunde ganz klein. Und ein bisschen glücklich.

Der Zauber von Star Citizen ist der Gedanke daran, ein gigantisches Universum so hautnah zu erleben wie hier. Und die ersten, vorsichtigen Anzeichen sind erkennbar, dass das wirklich gelingen könnte.

Konsequenzen sind wichtig

Irgendwann, so der Plan, soll der Spieler mit einem speziellen Raumanzug auch mitten im All aus dem Cockpit steigen können, um in einer Art Minispiel Notreparaturen vorzunehmen. Wenn er wie hier auf einer Raumstation landet, soll er direkt von der Landeplattform ins Innere laufen können, um Handel zu treiben. Er soll auf Planetenkolonien in Bars gehen können und beim Kampf gegen riesige Schiffe einen Landungstrupp anführen dürfen, der sich im Innern bis zum Reaktorkern durchkämpft, um den Koloss von innen zu sprengen.

Allein zwei Studios arbeiten nur an diesen Komponenten von Star Citizen. In Kanada entwirft Behaviour Interactive die Schauplätze und Spielmechaniken für das Erforschen und Handeln auf Planeten. Das kalifornische Studio Illfonic kümmert sich derweil um die Egoshooter-Abschnitte wie die Schiffseroberung oder Kämpfe um Planetenbasen und Raumstationen. Anders als im von Illfonic entwickelten Shooter Nexuiz, der an Unreal Tournament angelehnt war, sollen Gefechte in Star Citizen sehr taktisch ablaufen.

»Man wird eher vorsichtig voranschleichen müssen«, erklärt Chris Roberts, der den Shooter-Part am ehesten mit Titeln wie den frühen Teilen der Rainbow Six-Serie vergleichen würde. Anders sei das gar nicht vorstellbar, da es in Star Citizen keine Respawns geben wird. Tatsächlich ist unsere Spielfigur sogar überaus sterblich. Wird sie im Egoshooter-Modus niedergeschossen, muss sie von anderen Crewmitgliedern verarztet oder gar bewusstlos zurück zum Ausgang geschleppt werden. Sonst ist sie tot. Nach den ersten zwei-drei explodierten Raumschiffen wacht man vielleicht nur mit einem kybernetischen Arm in der Krankenstation auf. Danach bleibt man tot. Unsere Besitztümer gehen an eine neue Spielfigur über, mit der wir das Abenteuer fortsetzen.

Treue Spieler können so nach einigen Jahren auf eine beachtliche Ahnengalerie ihrer Charaktere zurückblicken. Selbst die derzeit noch für teures Geld erstandenen Raumschiffe sind nicht sicher. Wer für sie keine Versicherungspolice abgeschlossen hat, sieht seine Hundert Dollar geschreddert durchs All schweben. Damit die Großinvestoren Chris Roberts nicht nach dem ersten gesprengten 1.000-Dollar-Schlachtschiff zur Hölle wünschen, kommen die dicken Schiffe immerhin mit einer Versicherung auf Lebenszeit. Aber selbst dann ist das Ableben nicht folgenlos, denn die Standard-Police ersetzt nur die Basisausführung. Alle installierten Waffen und Extras gehen flöten.

Konsequenzen, findet Chris Roberts, sind wichtig. Nur so haben die Schiffe eine echte Bedeutung, die im Grunde den wahren Avatar des Spielers darstellen. Daher gibt es auch kein Levelsystem für den Piloten. Stattdessen verbessern sich die Statistiken der Raumschiffe über die Zeit – je nachdem, wofür man sie einsetzt. Wer also reihenweise Gegner mit Raketen aus dem All bläst, kann sich über eine bessere Zielerfassung freuen. Wer viele Meilen auf den Tacho schaufelt, bekommt einen effizienteren Antrieb und so weiter.

»Ich will mich doch nicht anpassen!«

Kuschelig: Andre Peschke, Erin Roberts, Chris Roberts (von Links nach Rechts auf dem Bett) bei der Gamestar-Präsentation des DFM. Kuschelig: Andre Peschke, Erin Roberts, Chris Roberts (von Links nach Rechts auf dem Bett) bei der Gamestar-Präsentation des DFM.

Auch optisch sollen die Schiffe ihre eigene Geschichte erzählen. So perfekt glänzend und funkelnd, wie sie am ersten Tag im Hangar stehen, soll man sie nie wieder sehen, sobald man auch nur einen Trip hinaus ins All wagt. Altgediente Schlachtrösser sollen über die Zeit eben auch abgenutzt aussehen, und wer zu sehr an Reparaturen spart, fliegt irgendwann mit einer echten Rostlaube durch die Gegend.

Es sind diese Details, in denen sich Chris Roberts endlos verlieren kann. Ob er nicht Angst habe, wollen wir wissen, den klassischen Peter Molyneux zu begehen: ungefiltert Ideen und Pläne auszuplaudern und hinterher als Blender zu gelten, weil sie nicht alle umgesetzt werden können? Nein, sagt Chris Roberts, hat er nicht.

Sein Vertrauen in die neue Freiheit ist mindestens so groß wie das Vertrauen der Fans in Chris Roberts. Unabdingbar sei es jedoch, seinen Unterstützern die Vision zu erklären. Und das tut Cloud Imperium: in Talkrunden, einem digitalen Magazin, regelmäßigen Fragestunden, Interviews mit den Teammitgliedern und kurzen Zusammenfassungen der wichtigsten Features. Selbst Chris Roberts muss zugeben, dass der Kommunikationsaufwand, der nötig ist, um ein 400.000-köpfiges Investorenteam auf dem Laufenden zu halten, mehr Zeit verschlingt, als die Reports an den pingeligsten Publisher der Welt.

Weil das Spiel bisher größtenteils nur in den Köpfen der Fans existiert, hat zudem jeder eine ganz eigene Vorstellung davon, wofür er da eigentlich Geld ausgegeben hat. Die einen träumen von einem Egoshooter- Part, der an die Simulationstiefe eines Arma 3 heranreicht (wird nicht passieren, sagt Chris Roberts). Andere erwarten, dass schon die ersten zehn Episoden der Einzelspielerkampagne Squadron 42 eine Woche Spielzeit mitbringen (eher fünf bis zehn Stunden, sagt Chris Roberts). Wieder andere finden es ziemlich ungebührlich, dass Roberts am liebsten mit Gamepad spielt und ein Spiel will, das auch für Neueinsteiger leicht zugänglich ist.

Ein großer Teil seiner Unterstützer setzt sich aus altgedienten Wing Commander-Fans und Hardcore-PCSpielern zusammen. Spieler, denen jeder Hauch von Konsole zuwider ist. Die an Bord sind, weil Roberts ihnen verspricht, endlich wieder selbst teuerste Hardware an den Rand des Zusammenbruchs zu treiben, so wie damals mit Wing Commander 3. Es ist eine Gruppe von Menschen, die im Schnitt knapp 30 Jahre alt ist. Die Star Citizen als ihr Spiel begreifen, das Projekt, auf das sie über ein Jahrzehnt gewartet haben.

Manche, so klingt es in den Gesprächen durch, hätten es am liebsten, wenn sie unter sich bleiben könnten. Es graut ihnen vor dem Zufluss der »Kiddies« und einer Masse an Zaungästen, die sich nicht an der Finanzierung beteiligt haben. Davor, dass sich am Ende Hunderttausende ins gemachte Nest setzen und das diese Masse an Neuzugängen plötzlich die bei weitem überwiegende Mehrheit der Spieler darstellen wird. Das Chris Roberts mehr auf deren Wünsche hört als auf die seiner »echten« Fans.

Für Chris Roberts ist das genau falsch rum gedacht. »Ich will mich doch nicht den neuen Leuten anpassen. Ich will, dass wir die jungen Spieler auch für das begeistern, was wir lieben. Ich bin überzeugt, dass die Leute auch heute noch solche Spiele wollen«, sagt er. Wenn er sich irrt und am Ende nur er und seine Unterstützer das Spiel spielen: fein. Wenn das Spiel, von dem er träumt, am Ende nicht in jedem Detail den Erwartungen der Fans entspricht: Auch damit kann er leben. »Ich versuche alles, um unsere Fans glücklich zu machen. Aber sie müssen verstehen, dass sie mir das Geld gegeben haben, damit ich meine Vision umsetze - nicht ihre«, sagt er. Er wird dieses Spiel genau so machen, wie er es für richtig hält. Punkt.

Star Citizen - Was bisher geschah ansehen

3 von 4

nächste Seite


zu den Kommentaren (1)

Kommentare(98)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.