Star Citizen - Interview mit Chris Roberts: »Kickstarter wäre zu klein gewesen«

Chris Roberts erzählt uns, warum Kickstarter als Plattform für das Projekt Star Citizen nicht ausgereicht hat, welch zentrale Rolle der eindrucksvolle Prototyp einnahm und weshalb viele Backer gleich mehrfach Geld für sein Spiel ausgaben.

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Making Games Hi Chris, zunächst einmal die Frage: Wo warst du eigentlich die letzten Jahre?

Chris Roberts Na ja, als ich Digital Anvil verließ, habe ich meine eigene Produktionsfirma gegründet und Filme wie etwa Lord of War mit Nicholas Cage gemacht. Ich habe dabei zum Beispiel auch eine ganze Weile mit deutschen Filmfonds zusammengearbeitet. Es hat eine riesige Menge Spaß gebracht, Filme zu machen, aber ich wollte wieder zurück und Spiele entwickeln. Der Grund ist, dass sich die Technologie stark weiterentwickelt hat und dass die Art von Weltraumspiel, wie ich sie mir vorstelle, schon lange nicht mehr gemacht wurde.

Making Games Der Hauptgrund für deine Rückkehr ist also die fortgeschrittene Technik.

Chris Roberts Genau, ich kann jetzt Dinge tun, die viel glaubwürdiger sind als früher. Und natürlich gehört auch dazu, dass sich mit neuen technischen Möglichkeiten auch die Spieleentwicklung selbst gewandelt hat. Dass heute so gut wie alles online abläuft, bringt Studios und Community viel näher zusammen. Und auf der Business-Seite habe ich das Gefühl, jetzt etwas tun zu können, das vor fünf Jahren nur mit einem Publisher möglich war. Jetzt ist also die Zeit, so etwas wie Star Citizen zu machen, ohne einen Partner wie EA, Microsoft oder Activision. Vor einigen Jahren wäre das für mich noch unmöglich gewesen.

Dieser Artikel ist Teil einer ganzen Reihe von Beiträgen zum Thema Crowdfunding im Allgemeinen und Kickstarter.com im Besonderen aus der Making-Games-Ausgabe 01/2013. Making Games ist das wichtigste deutschsprachige Branchen-Magazin für Spiele-Entwicklung und Business-Development. Alle zwei Monate bieten nationale und internationale Spiele-Entwickler in dem White-Paper-Magazin Einblicke in die Entstehung ihrer Spiele und kommentieren aktuelle Branchen-Entwicklungen.

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Making Games Hast du denn trotzdem darüber nachgedacht, das Projekt erst mit einem Publisher zu stemmen oder war von Anfang an klar, dass die Lösung deiner Wahl Crowdfunding heißen würde?

Chris Roberts Es war nicht von vornherein klar, dass ich die Finanzierung im Kickstarter-Stil angehen würde. Ursprünglich hatte ich schon die Idee, ein Spiel ähnlich wie Wing Commander zusammen mit einem Publisher zu machen. Mit der Zeit wurde mir dann aber bewusst, dass ich weder etwas für die alte Konsolengeneration noch für die neue entwickeln wollte. Ich bin einfach ein PC-Mensch und sieht man sich Firmen wie Wargaming.net mit World of Tanks oder Riot Games mit League of Legends an, dann wird klar, dass diese Studios ihren riesigen Erfolg ganz allein hingekriegt haben, ohne die Hilfe eines traditionellen Publishers.

Im Grunde dachte ich, dass bis auf die Tatsache, dass mir der Publisher einen Scheck schreiben würde, nichts darüber hinaus wirklich hilfreich gewesen wäre. Ich habe also etwas Kapital bei Investoren gesammelt und überlegt, ob ich zum Beispiel dem Vorbild von Minecraft folge und den Spielern schon Zugriff auf die Alpha erlaube und so weiter. Dann kam Double Fine mit der ziemlich hohen Finanzierungssumme für ihr Adventure und ich wusste, dass ich vielleicht noch einen Schritt weiter als mit der Minecraft-Methode gehen könnte. Denn bestimmt gäbe es ja eine recht große Community an Leuten, die gern der Entwicklung des Spiels folgen und sich darüber hinaus auch finanziell beteiligen würden.

Es ist natürlich schade, dass ich nicht schon vor ein paar Jahren mit Wing Commander oder Freelancer weitermachen konnte. Als Origin damals von EA übernommen wurde, musste ich die IP verkaufen und dasselbe passierte mit Freelancer, als Digital Anvil von Microsoft übernommen wurde. Es frustriert mich schon, dass die IPs jetzt brachliegen und es keine Fortsetzung zu Wing Commander seit Prophecy mehr gab, das war immerhin schon 1997. Für mich war es also einer der wichtigsten Antriebe, meine eigene IP zu besitzen und sie zu kontrollieren.

Wing Commander Sowohl Wing Commander als auch...

Freelancer Freelancer (rechts) sind Werke von Chris Roberts, die IPs musste er allerdings an Electronic Arts und Microsoft abtreten: »Es frustriert mich schon, dass die IPs jetzt brachliegen. Für mich war es bei Star Citizen also einer der wichtigsten Antriebe, meine eigene Marke zu besitzen und sie zu kontrollieren.«

Wer ist eigentlich Chris Roberts?
Chris Roberts ist Präsident und CCO bei Cloud Imperium Games Corporation. Chris stieg 1986 bei Origin in die Games-Branche ein, wo er zunächst das Rollenspiel Times of Lore entwickelte. Seinen größten Erfolg landete er hingegen 1990 mit dem ersten Wing Commander, dessen Franchise selbst die Ultima-Serie übertreffen sollte. 1996 verließ er Origin, das vier Jahre zuvor von Electronic Arts übernommen wurde, und gründete sein erstes eigenes Studio Digital Anvil. Dort erschienen Starlancer und Freelancer, beides Weltraumspiele im Geiste Wing Commanders.

Als Microsoft schließlich Digital Anvil übernahm, verließ Roberts auch dieses Studio und damit auch vorerst die Spielebranche. Er gründete zwei Filmproduktionsfirmen, Point of No Return Entertainment und Ascendant Pictures, wobei nur Letztere tatsächlich etwas auf die Leinwand brachte. Als Produzent war Chris Roberts an Filmen wie etwa Lord of War mit Nicholas Cage beteiligt; 2011 jedoch kehrte er in die Spielebranche zurück. Mit seiner aktuellen Firma Cloud Imperium Games Corporation entwickelt er nun Star Citizen, finanziert via Crowdfunding und -- na klar -- es handelt sich wieder um ein Weltraumspiel à la Wing Commander.

Making Games Du hast erwähnt, dass du vor dem Crowdfunding-Start bereits Kapital von Investoren gesammelt hast. Kannst du noch etwas mehr ausführen, wie genau du Kickstarter und deine eigene Kampagne vorbereitet hast?

Chris Roberts Ich wusste ja, dass ich ein sehr ambitioniertes Spiel machen wollte und den Leuten daher auch etwas zeigen musste. Sonst hätten sie mir nie abgekauft, dass ich am Ende auch das Versprochene würde liefern können. Ich habe für diesen wichtigen Prototyp also Geld von Investoren gesammelt und wir haben ihn dann innerhalb eines Jahres mit weniger als zehn Leuten gebaut.

Laut Roberts reicht ein herausragender Prototyp nicht aus, um die Leute auf lange Sicht zu fesseln: »Man muss sicherstellen, dass man nicht direkt sein ganzes Pulver verschießt. Meine Empfehlung an alle Entwickler wäre daher, sich einen Plan für Content-Releases zu machen, um über den kompletten Kampagnenzeitraum Neuigkeiten liefern zu können.« Laut Roberts reicht ein herausragender Prototyp nicht aus, um die Leute auf lange Sicht zu fesseln: »Man muss sicherstellen, dass man nicht direkt sein ganzes Pulver verschießt. Meine Empfehlung an alle Entwickler wäre daher, sich einen Plan für Content-Releases zu machen, um über den kompletten Kampagnenzeitraum Neuigkeiten liefern zu können.«

Und ich bin die Crowdfunding-Kampagne genauso angegangen, wie ich ein Retail-Projekt angegangen wäre. Wenn ich ein klassischer Retail-Publisher wäre, dann würde ich spätestens ein Jahr vor der Veröffentlichung zur E3 fahren, das Spiel der Presse zeigen und möglichst viel Aufsehen erregen. Das braucht man, um die Nachfrage anzukurbeln, so dass möglichst viele Leute das Spiel vorbestellen. Bei der Crowdfunding-Kampagne funktioniert das genauso: Man muss die Leute mitreißen, sie müssen begeistert sein von deinem Spiel. Anstatt aber bloß ein Jahr vor Release die ersten Infos zu veröffentlichen, habe ich es zwei Jahre vorher gemacht. Man muss allerdings auch sagen, dass mir natürlich auch mein Track Record geholfen hat, dass die Presse interessiert war an meiner Geschichte und all das schafft natürlich Publicity.

Die GDC Online war dann so freundlich und hat uns den großen Konferenzraum für die Ankündigung gegeben und zusammen mit der Berichterstattung einiger ausgewählter Publikationen weltweit gab es dadurch ein koordiniertes Marketing-Event -- das im Anschluss unsere Website gecrasht hat. Wenn das nicht passiert wäre, na ja, dann wären wir in Sachen Finanzierung wohl noch weiter als wir es jetzt sind.

Making Games Wie wichtig ist denn die Website als Anlaufstelle bzw. die Aufmachung der Seite für die gesamte Kampagne?

Chris Roberts Bei der ganzen Crowdfunding-Geschichte ist mir klar geworden, wie unglaublich wichtig es ist, die Leute überhaupt erst mal auf die eigene Seite zu treiben, egal ob jetzt bei Kickstarter oder sonst irgendwo.

Making Games Jetzt hat diese wichtigste Anlaufstelle bei euch ja erst mal nicht lange standgehalten. Hättest du rückblickend von Anfang mehr Leute drauf ansetzen sollen, die Seite stabiler zu machen?

Chris Roberts Ganz zu Beginn hatten wir überlegt, direkt auf Kickstarter zu setzen und zählten auch schon einige tausend Leute zu unserer Community. Und die Überlegung war, dass wir diese Leute ja dazu hätten bringen müssen, auf eine andere Seite, in dem Fall Kickstarter, zu wechseln. Das wollten wir nicht, weshalb wir uns für eine Lösung auf unserer eigenen Website entschieden haben. Es ging also nicht wirklich darum, Geld zu sparen, sondern darum, für die User einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.

Ein weiterer Vorteil war natürlich, dass wir mehr Payment-Optionen anbieten konnten. Wir unterstützen zum Beispiel PayPal Deutschland, PayPal US, Kreditkarten und Amazon Payments. Und bei Kickstarter kann man nur mit Letzterem bezahlen. Die Community für alle meine früheren Spiele war aber verteilt rund um den Globus, ich wollte also eine Plattform haben, die niemanden ausschließt.

Um zu deiner Frage zurückzukommen: Wenn ich die Wichtigkeit der Plattform von vornherein begriffen hätte, dann hätte ich auch mehr Geld in die Infrastruktur gesteckt, vermutlich hätte ich dies auch etwas früher getan. Unsere Seite ist auch deutlich komplexer als Kickstarter -- nicht nur wegen der unterschiedlichen Payment-Optionen, sondern auch weil wir noch einen kompletten Community-Bereich mit diversen Funktionen haben.

Die Seite war einfach nicht darauf vorbereitet, bei der ganzen Komplexität auch noch die vielen Anfragen beim Launch zu managen. Wir mussten sie für fast vier komplette Tage vom Netz nehmen und sind immer noch dabei, ein paar Dinge zu fixen.

Making Games Hast du eine Einschätzung, wie sich die Downtime auf die Zahlen ausgewirkt hat?

Chris Roberts Wir waren auf dem Weg zu 1 Million Dollar am ersten Tag und heutzutage ist es ja so, dass du einen User unter Umständen vollkommen verlierst, wenn er vor der Bezahlung auf derartige Probleme stößt. Mit anderen Worten: Am ersten Tag, als all diese Leute weltweit die Artikel über unser Spiel gelesen haben -- wären wir da bereits auf Kickstarter gewesen, hätten wir vermutlich einen neuen Rekord in Sachen Launch Day gebrochen. Es war ja alles orchestriert, die Artikel waren alle bis 10 Uhr morgens mit einem Embargo versehen, passend zur Ankündigung auf der GDC Online. Die Seite hätte einfach mehr Stresstests gebraucht, da haben wir unsere wichtigste Lektion gelernt.

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