Im Stummfilm-Klassiker Nosferatu (1922) von Friedrich Wilhelm Murnau gelangte der damals unbekannte Schauspieler Max Schreck (was für ein Name!) als untoter Vampir zu Weltruhm. Die Intensität seines Spiels sowie sein überraschend früher Tod führten schon damals zu irrwitzigen Spekulationen, bei Schreck könne es sich nur um einen echten Vampir gehandelt haben. Eine Idee, die im Jahr 2000 der Film Shadow of a Vampire aufgriff. Dort spielt John Malkovich den Regisseur Murnau, der ohne Wissen seiner Crew den echten Vampir Max Schreck (gespielt von Willem Dafoe, bekannt unter anderem aus Spider-Man oder Platoon) anheuert, um seinem Film mehr Realismus zu verleihen. »Mysteriöse« Todesfälle nimmt er dabei billigend in Kauf, und auch Schrecks Todesszene im Sonnenlicht filmt er nicht nur realistisch, sondern real.
Einen ähnlich skurrilen Ansatz verfolgt The Next Big Thing, das neueste Werk der spanischen Pendulo Studios, die zuvor mit der Runaway-Trilogie einen modernen Klassiker des Adventure-Genres schufen. In deren neuem Alternativ-Szenario haben es im Amerika der 50er-Jahre echte Monster in Horrorfilmen zu Weltruhm gebracht. Statt also reale Schauspieler wie Vincent Price (Die Fliege), Boris Karloff (Frankenstein) oder Charles Laughton (Der Glöckner von Notre Dame) anzuheuern, beschäftigen die Filmstudios stattdessen lieber gleich »Originale« wie den mutierten Wissenschaftler Doktor Fly, den zuweilen hirnlosen Big Albert oder ein Quasimodo-ähnliches Ungetüm mit sehr poetischer Ader. Das größte und erfolgreichste Studio in diesem Parallel-Universum ist MKO (eine Anspielung auf die legendären RKO Studios), das von dem Magnaten und ebenfalls Monster FitzRandolph geführt wird. Anlässlich einer Filmpreisverleihung stoßen eines Abends zwei Journalisten hinzu, die beiden steuerbaren Helden des Spiels. Es sind die einzigen normalen Menschen im ganzen Spiel. Wobei »normal« in The Next Big Thing ein sehr dehnbarer Begriff ist.
Der Sportler und die Geisteskranke
Den Sportjournalisten Dan Murray präsentiert das Spiel als selbstverliebten Star, der nur an Boxkämpfe, Baseball und seine eigene Bequemlichkeit denkt und mit Leuten wie FitzRandolph gerne an der Bar abhängt. Seine ambitionierte Anfängerkollegin Liz Allaire hingegen leidet unter sporadischen schizophrenen Attacken sowie Geistesaussetzern und ist eine fürchterliche Tänzerin. An inneren Monstern können es die beiden also durchaus mit den äußerlich echten Monstern aufnehmen. Zusammen kommen die zwei einem hochbrisanten Komplott auf die Spur, an dessen Spitze zum Erstaunen aller Studiochef FitzRandolph zu stehen scheint. Doch was hat er mit Big Alberts Gehirn tatsächlich vor, und warum will er demnächst nur noch Kinder- und Familienfilme à la Walt Disney drehen?
The Next Big Thing - Screenshots ansehen
Innerhalb dieses hübsch ausgedachten Handlungsrahmens, dem es leider etwas an übergreifender Spannung und einem würdigen Finale fehlt, erleben die beiden Helden abgedrehte und witzige Abenteuer an ebenso skurrilen Schauplätzen. Als wäre das Film-Szenario mit echten Monstern nicht schon genug, verschlägt es unser Pärchen zudem noch an absurdere Orte. Dan zum Beispiel findet sich in einen altägyptischen Tempel wieder, in dem er von einer wiederauferstandenen Pharaonin als Liebesdiener gehalten wird. Dort bewachen Roboter, die auch aus einem Science-Fiction-B-Movie (wie zum Beispiel Der Tag, an dem die Erde stillstand) entsprungen sein könnten, trotz ihrer beschränkten KI die wichtigsten Punkte, und aus dem Brunnen sprudelt kein Wasser, sondern ein Schwall Skarabäen. Aber nur männliche, damit es nicht zu einem unappetitlichen Gerammel kommt.
Liz hingegen findet sich im späteren Verlauf des Spiels als Gefangene ihres eigenen Geistes wieder. In den reichlich bizarren Räumen ihres Unterbewusstseins wird sie dabei mit ihren innersten Ängsten und Wünschen konfrontiert. So muss sie zum Beispiel ihrer Künstlerschwester mit absurden Geschichten und Posen Modell stehen oder mit einem kleinem blechernen Roboter Tango tanzen, was noch grauenvoller aussieht, als es klingt.
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