Was das Aus von 4Players für den deutschen Spielejournalismus bedeutet

Mehr als zwei Jahrzehnte war 4Players eine Institution – in zwei Monaten ist Schluss: Gedanken zur meistgeklickten Meldung in dieser Woche. Der GamesWirtschaft-Kommentar von Petra Fröhlich.

Ich weiß noch ganz genau die Songzeile, mit der ich die Meldung meines Arbeitgebers im Dezember 2012 bei Facebook teilte: "My heart skips, skips a beat". Die Überschrift des dazugehörigen Presseberichts lautete: "Computec Media übernimmt 4Players". Das Verlagshaus, für das ich tätig war, hatte der Freenet AG die 4Players GmbH mit Sitz in Hamburg abgekauft - also die Videospiele-Website 4players.de samt Spieleserver-Vermietung.

Die Facebook-Reaktionen klangen damals unter anderem so: "Hui", "Spitze", "Ufff", "Kann nur besser werden" und "Krass" - und damit ist das Spektrum der öffentlichen Meinung über 4Players relativ vollständig wiedergegeben.

Unsere Gastautorin
Petra Fröhlich war über 22 Jahre durchgehend Bestandteil der Redaktion von PC Games - von 2000 bis 2014 im Amt der Chefredakteurin. Im Juli 2016 startete Fröhlich das Nachrichtenmagazin GamesWirtschaft, inzwischen eines der führenden deutschsprachigen B2B-Angebote mit Schwerpunkt Computerspiele.

Dieser Artikel erschien zuerst bei GamesWirtschaft.de, wir veröffentlichen ihn mit freundlicher Genehmigung.

Um das kurz einzuordnen: Der 4Players-Ruf zehrte seinerzeit und bis heute - auch - von wallraffschen Enthüllungen aus den Anfangs-2000er-Jahren. All die Nicklichkeiten, Wurstigkeiten, Gefälligkeiten und Dramen, wie sie im Spannungsverhältnis zwischen Redaktionen und Publishern gelegentlich vorkommen konnten, wurden von 4Players in mehreren Wellen waidmännisch aufgebrochen und ausgeweidet.

Es ging um punktuelle Beeinflussung, Manipulation, Absprachen, Verträge, Exklusiv-Deals, über ein System von Geben und Nehmen in einem Gewerbe, wo es einen Riesenriesenriesenunterschied machte, ob ein Spiel nun 88, 89 oder 90 Punkte 'wert' ist - und zwar buchstäblich. Denn Elektronikmärkte machten von den Wertungen nicht nur abhängig, wie viele Paletten eines Spiels sie vorbestellen, sondern: ob überhaupt. Der Kesseldruck war enorm, auf allen Seiten.

Das ist eine halbe Ewigkeit her, gefühlt ein anderes Jahrhundert. Die Welt der Fachpresse ist eine andere. Längst ist es ungleich relevanter, welche Day-One-Abrufzahlen ein Trailer generiert und wie viele Influencer für Koops gebucht werden.

Damals konnte die Tagesform einzelner Redakteure messbaren kommerziellen Einfluss haben - und Teile der Industrie wurden nicht müde, auf diesen Umstand (und das Marketing-Budget) hinzuweisen, nötigenfalls auch per Unterlassungsklage. Reaktion von 4Players: "Hallo Atari? Ihr könnt uns mal."

Das Aus von 4Players

Jedenfalls ist dies ein Teil der Erklärung, warum in dieser Woche in der Branche kurzzeitig der Herzschlag aussetzte: Zum 31. Oktober wird der 4Players-Redaktionsbetrieb eingestellt - acht Redakteuren wurde betriebsbedingt gekündigt. Das Unternehmen dankt ganz herzlich für die langjährige Mitarbeit und wünscht "viel Erfolg auf dem weiteren Berufsweg".

Die erst vor einem Jahr ausgegliederte 4Players AG will sich mit den verbliebenen 40 Mitarbeitern auf die Entwicklung von Tools für Spielehersteller konzentrieren. In der Pressemitteilung liest sich das so, als sei die Magazin-Abwicklung Teil einer seit Jahren in Umsetzung befindlichen, granular ausgetüftelten Strategie. In der Praxis bedeutet das jedoch nichts anderes als: Bei 4Players gehen im Herbst die journalistischen Lichter aus. Der Worte sind genug gewechselt, lasst Daten folgen.

Offiziell erklärt wird das 4Player-Aus mit "wirtschaftlichen Gründen". Übersetzt: Einnahmen und Ausgaben lagen absehbar zu eng beieinander. Der zukunftssichere Betrieb eines Online-Magazins mit diesem Personalaufwand erschien der Geschäftsführung vor dem Hintergrund "einer sich wandelnden Vermarktungs-Landschaft" weder sinnvoll noch möglich.

Diese Unmöglichkeit hat historische Gründe - und betrifft längst nicht nur 4Players. Denn wer vermarkten will, braucht Inventar. Anders als etwa im Falle von Marktführer Webedia (Gamestar, GamePro, Allyance) lag der 4Players-Fokus stets auf der textlastigen Website. Beispiel: In 10 Jahren hat 4Players auf YouTube keine 50.000 Abonnenten eingesammelt - eine okaye Reiseflughöhe, zumindest vor der Erfindung des Letsplays. Ähnlich sieht es auf anderen Plattformen aus.

Die Erfahrung lehrt: Für werbefinanzierte redaktionelle Angebote (egal ob Print oder Online) kann es tendenziell lebensgefährlich werden, wenn der Fokus zu sehr auf wiederkehrendem Stammkunden-Traffic liegt.

Und an Stammkunden, genauer: Fans, mangelte es tendenziell nicht - auch wenn die Glanzzeiten zwangsläufig etwas zurückliegen. Dabei gehörte 4Players über Jahre zu den wichtigsten und reichweitenstärksten Anlaufstellen. Seit der Jahrtausendwende ist eine ganze Generation von PC- und Konsolen-Spielern mit diesem Portal aufgewachsen. Wem die Besprechungen anderer Magazine einen Tick zu freundlich erschienen, rückversicherte sich bei 4Players.

War 4Players wirklich so "kritisch, ehrlich, subjektiv", wie es der Untertitel suggerierte? Je nachdem, welchen Zeitzeugen man fragt, fallen auch weniger schmeichelhafte Vokabeln. In jedem Fall war die Erleichterung in PR- und Marketing-Abteilungen groß, falls die Redaktion ein gnädiges oder gar unerwartet euphorisches Urteil fällte - in jedem Fall galt: My heart skips, skips a beat.

Die Zukunft des deutschen Spielejournalismus

Selbstredend ist der Verlust von sozialversicherungspflichtigen Vollzeit-Redaktionsstellen stets traumatisch. Ich darf aber aus eigener Anschauung berichten, dass solche Zäsuren zuweilen den Humus bereiten für Neues. Der Reset als Chance. Dass zumindest einzelne Redakteure darüber nachdenken, ist bereits zu erahnen - dafür nur die besten Wünsche.

Eines ist jedoch sicher: Der gelegentlich kolportierte Untergang des spiele-journalistischen Abendlands fällt vorerst aus - dafür ist das Angebot an Games-Berichterstattung mittlerweile zu breit gefächert und vielschichtig. Für jeden Special-Interest-Anspruch gibt es den passenden Kanal - auf Websites, bei YouTube, bei Twitch, in Blogs und natürlich als Podcast. Sowohl Blockbuster als auch noch so abseitige Nischentitel werden regelmäßig auf den Portalen großer Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine sowie bei den Öffentlich-Rechtlichen besprochen.

Das war 2012 noch anders - und 2001 erst recht.

Das 4Players-Aus hat also auch damit zu tun, dass kritische, ehrliche, subjektive Stimmen mittlerweile im Überfluss zu haben sind. Wenn die Stimmen der 4Player-Kollegen auch künftig zu hören und zu lesen sind - umso besser.

Wie sich die Spielepresse in den letzten Jahrzehnten verändert hat, könnt ihr im oben verlinkten GameStar Plus-Report nachlesen. Der Spielejournalismus verfolgte einst klare Ziele. Heute sind diese Aufgaben weniger klar umrissen - und deshalb umso spannender.

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