Frauen in Spielen – Wo die eigentliche Herausforderung liegt und wo die Lösung

Wie die Entwickler von Final Fantasy 14 die Herausforderungen des Charakter Designs lösen und was das für Elena über das Dilemma der Geschlechterwahl in Spielen verrät.

Von Call of Duty bis Final Fantasy: Weibliche Figuren treten in vielen Spielen und völlig unterschiedlich auf und das ist gut so! Von Call of Duty bis Final Fantasy: Weibliche Figuren treten in vielen Spielen und völlig unterschiedlich auf und das ist gut so!

Frauen für Spiele zu modellieren ist hart, darüber zu sprechen ist - scheinbar - härter. Die Erfahrung machte ich Anfang des Jahres, als ich viele Entwickler zu einem offenbar heiklen Thema befragen wollte: Warum werden wir bei weiblichen Spielfiguren eigentlich so oft vertröstet?

Schon 2014 entschuldigte Ubisoft seine fehlenden weiblichen Helden im Koop bei AC: Unity damit, dass der Aufwand doppelt so groß gewesen wäre. Bei Hunt: Showdown lieferte Crytek mit ähnlicher Begründung die weibliche Besetzung erst mehrere Monate nach Release, und die Entwickler von Escape from Tarkov verzichten deshalb gleich ganz auf weibliche Spielfiguren.

Sind Frauenkörper in 3D-Programmen wirklich so viel schwieriger zu modellieren als ihr Männer-Pendant? Natürlich nicht. Da ich selbst ein Game-Art-Studium (fast) abgeschlossen habe, weiß ich, dass dies Quatsch ist.

Das bestätigten mir auch die damals gesammelten Antworten der Entwickler. Wirklich zufriedenstellend waren die für mich aber noch nicht. Denn wenn das nicht das Problem ist, warum lassen uns dann nicht mehr Spiele die Wahl, ob wir als Frau oder Mann spielen wollen?


Unsere Expertin:
Elena hat Game Art studiert und kennt sich deshalb mit Charakterdesign, 3D-Modellierung, Animationen und auch den damit einhergehenden Herausforderungen bestens aus. Deshalb wollte sie die Aussage, dass Frauen einen zu großen Mehraufwand bei der Entwicklung mitbringen, auch nicht gelten lassen und der Sache auf den Grund gehen.

Aufwandsmonster Ausrüstung: Was ein 3D-Designer leisten muss

Die Antwort fällt überraschend simpel aus: Die Herausforderung liegt schlicht im Mehraufwand für zusätzliche Figuren begründet, und das unabhängig vom Geschlecht. Und vor allem an dem, was als Modellierungs-Rattenschwanz noch folgt. Das erklärten mir die Entwickler des MMOs Final Fantasy 14 im Interview.

Gibt es zum Beispiel unterschiedliche Rüstungen im Spiel, müssen diese für weibliche Charakteren gesondert angepasst und ummodelliert werden, was den Aufwand entsprechend verdoppelt - was freilich auch für männliche Figuren mit abweichendem Körperbau gilt. Und das alles potenziert ihr jetzt noch mit dem Aussehen der Charaktere, insbesondere mit den Frisuren. Wenn all das in unterschiedlichen Kombinationen bei sämtlichen Charaktervarianten (egal ob weiblich oder männlich) funktionieren soll, wird das Ganze schnell kompliziert.

In Final Fantasy 14 Online treten viele unterschiedliche Klassen mit männlicher und weiblicher Variante auf, die sich noch weiter individualisieren lassen. In Final Fantasy 14 Online treten viele unterschiedliche Klassen mit männlicher und weiblicher Variante auf, die sich noch weiter individualisieren lassen.

Gerade in Online-Spielen wird der eigene Charakter zu einer wichtigen Leinwand. Er ist ein Avatar, mit dem sich der Spieler nicht nur identifizieren will - meist gehört auch dazu, einen bestimmten Look oder besonders wertvolle Ausrüstungsgegenstände zur Schau zu stellen. Hier gilt sehen und gesehen werden!

Wie das im Spiel mit so einer großen Auswahl bei männlichen und weiblichen Figuren klappt und wo die größten Herausforderungen dabei liegen, beantworteten mir Art Team Lead Shinya Ichida und Character Artist Yuji Yamazaki.

Mehr Charaktere, mehr Arbeit: Wie es die FF14-Entwickler lösen

Ein naheliegendes Argument für die Abwesenheit von weiblichen Spielfiguren sind Rüstungen, die von 3D-Artists in mühsamer Detailarbeit an den weiblichen Körper angepasst werden müssen. Das stimmt zum Teil auch - hat aber nichts mit Weiblichkeit zu tun. Vielmehr ergibt sich das Problem generell dann, wenn Charaktere über einen unterschiedlichen Körperbau oder Kleidungsstil verfügen, zum Beispiel aufgrund von Rasse oder Klasse.

Im Prinzip versuchen die Entwickler einfach so viel wie möglich wiederzuverwenden oder aufeinander aufbauen zu lassen. Das ergibt Sinn, um Zeit und Arbeitsaufwand während der Entwicklung möglichst gering zu halten. Wenn Charaktere in Sachen Körperform zu unterschiedlich angelegt sind, kommt man aber nicht drumherum, ihre Rüstungen von Grund auf neu zu entwerfen, selbst wenn es sich prinzipiell um das gleiche Item.

Weil der zusätzliche Aufwand hier so groß ist, beschränken ihn die Entwickler im Fall von FF14 nur auf die an Jobs gebundenen Ausrüstungsgegenstände, die für den Spieler so entscheidend sind, dass sie zwingend ein individuelles Design benötigen.

Um dies zu veranschaulichen, haben uns die Designer von Final Fantasy 14 den konkreten Prozess für die Rüstungsgestaltung verraten:

  • Wird eine Rüstung von Männern und Frauen verwendet, beginnt das Team mit dem männlichen Hyur, sozusagen die »Standardrasse«.
  • Diese Version dient als Basis für die übrigen Rassen, wobei Frauen vor allem im Brustbereich mehr Arbeit verursachen. Hier benötigt das Skelett ein zusätzliches Gelenk und die Physik-Einstellungen müssen an die Oberweite angepasst werden, um diese anantomisch korrekt darzustellen.
  • Dabei müssen die Entwickler teils auch filigrane Dekorationen an die veränderte Form anpassen, was durchaus einen beträchtlichen Arbeitsaufwand mit sich bringen kann.
  • Das gilt aber nicht nur für Frauen: Zwar müssen weibliche Modelle in FF14 manchmal komplett neu erstellt werden - zum Beispiel, wenn eine Rüstung stark die männliche Brustmuskulatur betont. Das Gleiche ist aber auch bei Charaktere wie den männlichen Lalafell, Roegadyn oder Hrothgar der Fall, die komplett anders gebaut und gekleidet sind.

Hrothgar Die bulligen Katzen-Hrothgar lassen sich ausschließlich als männliche Variante spielen.

Roegadyn und Lalafell Weil diese Rassen so muskulös, beziehungsweise kindlich gebaut sind, musste die Standardausrüstung für sie aufwändig angepasst werden - völlig unabhängig vom Geschlecht.

Worum geht es bei Final Fantasy 14?

Das MMO Final Fantasy 14 ist der zweite Online-Ableger der beliebten Rollenspiel-Reihe aus Japan. Im Spiel erstellt ihr euch einen Charakter, wählt eine Rasse und erkundet eine Fantasy-Welt, in der es zahlreiche Aufgaben zu erledigen gilt. Auch ein eigenes Haus, eine Auswahl an Berufen und mehr erwartet euch dort.

Gerade wenn ihr JRPGs mögt und euch über ein Wiedersehen mit bekannten Serienelementen wie den knuffigen Chocobos freut, könnte das MMO etwas für euch sein. 2019 erschien die dritte große Erweiterung Shadowbringers mit einer neuen Region, Dungeons und mehr. Der Online-Ableger setzt auf ein kostenpflichtiges Abo-Modell. Wollt ihr mehr über FF14 und andere MMORPGS erfahren, empfehlen wir euch unseren Übersichtsartikel zum Thema:

Tests und regelmäßige News zu Final Fantasy 14 und seinen Erweiterungen, lest ihr außerdem bei den Kollegen von Mein MMO, die Spezialisten für alle Online-Spiele sind.

Eine haarige Angelegenheit: Warum es Clipping gibt

Ihr kennt sicher das sogenannte Clipping, bei dem lange Haare in Rüstungen oder Kleidungsstücke glitchen. Das sieht nicht nur unschön aus, sondern kann einem beim Spielen auch die stylische neue Rüstung verleiden.

Der Entwickler erklärt das Problem damit, dass lediglich eine bestimmte Zahl an Gelenken für die Haare zur Verfügung steht. Das beschränkt sie in ihrer Bewegungsfreiheit - Haare sind also relativ starr im Vergleich zu anderen Körperteilen an der Spielfigur.

Deshalb kann sich die Haarpracht nicht optimal mit Körper und Kleidung mitbewegen und rutscht deshalb bei einer gewissen Länge immer wieder etwas unglücklich in das Modell hinein. Um hier allzu viele Komplikationen zu vermeiden, müssen die Designer bei FF14 deshalb strenge Auflagen bei ihren Kostümen erfüllen.

Lange Haare sind ein eher weiblich assoziiertes Attribut, weshalb man das Ganze zu einem Problem weiblicher Spielfiguren deklarieren könnte. Allerdings greift das für mich zu kurz. Denn letztlich braucht eine Frau das alles nicht. Sie benötigt keine wallende Mähne, genauso wenig wie eine gewaltige Oberweite, die extreme Anpassungen erfordert. Ein Mann wiederum kann genauso lange Haare tragen oder über einen eher schmächtigen Körperbau verfügen.

Das Clipping-Problem wird auf diesem Screenshot aus dem JRPG Code Vein deutlich sichtbar. Auch hier gibt es viele Rüstungen und Haarvarianten zur Auswahl. Das Clipping-Problem wird auf diesem Screenshot aus dem JRPG Code Vein deutlich sichtbar. Auch hier gibt es viele Rüstungen und Haarvarianten zur Auswahl.

Meine Meinung: Mehr Flexibilität und weniger Klischees

Dass man Arbeitsaufwand und Zeit bei der Entwicklung einsparen will, ist nachvollziehbar. Allerdings gibt es da noch eine andere Möglichkeit, als auf weibliche Charaktere (oder andere Varianten) zu verzichten oder sie weit nach hinten zu schieben: 1. Auf Kompromisse einlassen! 2. Von Rollenklischees abweichen!

Umgehen lässt sich die zusätzliche Arbeit recht einfach, indem man auf Designentscheidungen setzt, die sich nicht auf weibliche oder männliche Figuren beschränken. Bei Frauen spricht zum Beispiel schließlich auch nichts gegen eine Kurzhaarfrisur. Das bestägte mir auch Shinya Ichida, der das FF14-Art-Team leitet:

"Kürzlich haben wir den gleichen Stil für Männer und Frauen verfügbar gemacht. Auch wenn das mit zusätzlicher Arbeit verbunden ist, wollen wir den Spielern so viele Frisuren wie möglich zur Auswahl geben. Ich muss sagen, dass die männlichen Haarstile oft sehr gut an den weiblichen Figuren aussehen."

Es muss nicht immer so ausladend werden wie im MMO, wo das Styling der eigenen Figur so eine große Rolle spielt: Ein paar für Männer und Frauen geeignete Frisur-Stile dürften bei den meisten Spielen schon reichen.

Das Gleiche gilt für die Rüstungen: Muss es denn wirklich ein körperbetonter Panzer sein und ein Platten-Bikini als Kontrast? Oder sieht man die Oberweite unter einer Militärausrüstung vielleicht gar nicht, weil auch eine weibliche Soldatin gut geschützt sein möchte?

Das heißt nicht, dass für mich geschlechtsspezifische Ausrüstung prinzipiell schlecht ist. Gerade in Loot-Spielen möchte ich auch besonders beeindruckende Körperpanzerungen zur Schau stellen, die idealerweise an meine Figur angepasst sind.

Aber nicht jedes Studio hat eben die Ressourcen dafür. Und ein schickes und einprägsames Design lässt sich schließlich auch ohne Fokus auf Geschlechtsmerkmale erstellen. In diesem Fall fände ich einen solchen Kompromiss annehmbarer, als aus Aufwandsgründen ganz auf weibliche Figuren zu verzichten. Denn die gehören nun einmal genauso zur Realität wie männliche, auch virtuell.

Seid ihr durch Final Fantasy 14 generell auf den Geschmack gekommen, einmal ein MMO auszuprobieren, listen wir euch die besten Vertreter auch in Videoform auf - wahlweise auch nur die mit Free2Play-Modell.

Die besten MMORPGs 2019 Video starten 16:11 Die besten MMORPGs 2019

Die Kollegen von GameStar Plus stellen außerdem ausführlich Amazons kommendes MMO New World in ihrer umfangreichen Preview vor.

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