Ästhetisch, durchgedreht, düster: Wie Othercide das Taktik-Genre anders denken möchte

Wie kann man die Rundentaktik weiter optimieren? Othercide will die Antwort auf diese Frage liefern und begibt sich dafür auf einen kuriosen Pfad.

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Genre: Rundentaktik | Entwickler: Lightbulb Crew | Plattformen: PC, PS4, Xbox One, Switch | Release: 28. Juli 2020

Was geschieht hier nur? Irgendwelche geisterhaften Dämonen greifen an? Die Welt bricht auseinander. Irgendein Schleier wird gelüftet. Eine nackte Frau in Rot greift Synapsen an. Wir können ein Gebärbecken besuchen, um jugendliche Damen mit weißen Haaren "auszukeimen"? Othercide überflutet uns direkt nach dem Einstieg mit einer Menge obskurer Informationen.

Das Spiel geht vor allem stilistisch einen ganz eigenen Weg. Wer hier glaubt, den Durchblick behalten zu können, hält wahrscheinlich David-Lynch-Filme für leichte Kost. Aber stopp: Bevor wir gleich versuchen dieses Wirrwarr auseinander zu friemeln, das Wichtigste vorweg: Hinter Othercides alptraumhafter Ästhetik steckt ein sehr strategisches Spiel. Rundentaktik mal anders, denn das französisch-schwedische Entwicklerstudio will vor allem beim Gameplay mit Innovation glänzen.

Bis zum Release haben die Entwickler noch ein paar Wochen, wir konnten die ersten beiden Kapitel dieses ominösen Strategiespiels aber schon jetzt anzocken.

Was macht Othercide besonders?

Was Othercide besonders macht? Gemessen an seinem Stil, alles. Othercide will düster sein. Erinnert an schwerfällige Poesie. Ein spielgewordener Evanescence-Song. Der ganze Look bedient sich im Grunde nur an drei Farben: weiß, schwarz und (natürlich) blutrot. Aber seht am besten selbst:

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Bevor wir irgendwas von seiner Welt sehen, konfrontiert uns Othercide außerdem mit einem Zitat:

"Hinter dem Schleier verborgen wachsen sie. Diejenigen, vor denen du dich immer hüten solltest. Im Schweigen der Dunkelheit fließen sie. Diejenigen, die sich von deinem Albtraum nähren. "

Ein Ausblick auf das, was uns bevorsteht. Das gilt zum Teil für den Inhalt, aber vor allem für den Ton. Welche Welt Othercide darstellen will, ist schwer zu sagen. Am besten trifft es, Othercide als eine alptraumhafte Karikatur unserer Realität zu bezeichnen. Eine Realität, die von den "Anderen" bedroht wird. Monster. Geister. Abbilder von allen Verbrechen, die Menschen begehen können. Diese Abbilder zerreißen besagten Schleier und überwältigen eine Entität namens Mutter (das ist die nackte, rote Frau).

Mutter selbst kann also nicht mehr gegen den Feind vorgehen. Dafür kann sie noch immer Teile von sich selbst mit einem Eigenleben ausstatten. Schwestern, die aus einem Blutbecken emporsteigen. Diese stets weißhaarigen Frauen mit sprechenden Namen wie Melody, Hope oder Desire sehen zierlich aus, können aber gewaltig austeilen. Je nach Klasse auf eine andere Art. Das sind die drei Klassen, die wir ausprobieren konnten:

  • Klingenmeisterin: Diese Kriegerinnen tragen stets einen großen Zweihänder mit sich rum. Sie sind hauptsächlich für den Schaden zuständig und können sich sehr schnell über das Schlachtfeld bewegen.
  • Seelenschützin: Als Fernkämpfer mit zwei Knarren erfüllen die Schützinnen die Rolle von klassischen Unterstützern. Gegner werden blockiert, Verbündete beschleunigt. Allerdings sollte ihnen niemand zu nahe kommen, viel halten sie nämlich nicht aus.
  • Schildträgerin: Mit einem Haufen Lebenspunkten und einer dicken Rüstung eignen sich die Schildträgerinnen natürlich am besten als Tanks. Sie stoßen Gegner zurück oder ziehen Angriffe auf sich. Schaden machen sie mit ihren Speeren, der sich aber in Grenzen hält.

Die Ausrüstung der Töchter hängt von ihren Klassen ab. Optische Abwechslung bringen aber verschieden Frisuren und Gesichtszüge. Die Ausrüstung der Töchter hängt von ihren Klassen ab. Optische Abwechslung bringen aber verschieden Frisuren und Gesichtszüge.

Für wen ist Othercide interessant?

Wenn euch die ganze Ästhetik und das poetische Gerede von Leid und Hoffnung noch nicht so richtig abholen, dann vielleicht der Gamplay-Unterbau. Hier liefert Othercide viele spannende Facetten.

Anders als bei anderen Rundentaktik-Spiele wie etwa XCOM gibt es eine strikte Initativleiste. Darauf sehen wir genau, wann unsere Töchter oder Feinde an der Reihe sind. Hier gilt es vorausschauend zu planen und auch mal Aktionspunkte aufzusparen, sonst werden wir von der Überzahl überwältigt.

Cool: Dank unterschiedlicher Aktionstypen, können wir lange Combo-Ketten auslösen. Kommt ein Feind etwa zu nahe und will angreifen, löst das die Reaktion unserer Schützin aus und blockiert den Angriff. Jetzt sind wir dran und schupsen den Feind mit einer Sofortaktion zu Schwester Nummer 3. Die hat sich bereits ein Runde vorher mit einer verzögerten Aktion auf die Lauer gelegt, die jetzt auslöst und dem Gegner das Licht ausbläst.

Jedes Kapitel steht im Zeichen eines besonderen Boss-Gegners. Um einen Boss zu bezwingen, sind verschiedene Taktiken nötig. Jedes Kapitel steht im Zeichen eines besonderen Boss-Gegners. Um einen Boss zu bezwingen, sind verschiedene Taktiken nötig.

Doch auch außerhalb der Kämpfe zahlt sich langfristiges Planen aus. Die Schwestern heilen sich nämlich nicht selbständig. Wir müssen dafür jedes Mal eine Schwester mindestens gleichen Levels opfern. Das stärkt zwar auch die verbliebene Schwester, manchmal fällt die Entscheidung aber trotzdem nicht leicht. Gerade auf hohen Stufen. Aber wer will bei einem Strategiespiel schon leichte Entscheidungen fällen?

Was gefällt uns bisher und was nicht?

Stärken von Othercide

  • Ein eigenständiges Spielsystem, das zwar an andere Taktikspiele wie XCOM oder auch Into The Breach erinnert, ohne aber stumpf zu klauen.
  • Jede der drei Töchter-Klassen spielt sich sehr anders und hat eine Daseinsberechtigung. Im fertigen Spiel soll es noch mehr geben.
  • Auch wenn das Balancing noch nicht optimal ist, fühlten sich die meisten Gefechte angemessen knackig an ohne jemals unfair zu werden.

Schwächen von Othercide

  • Es mangelt noch an Abwechslung im Missionsdesign. In den ersten beiden Kapiteln gab es bei uns nur Jagd, Eskorte und Überleben. Da geht sicher mehr.
  • Teilweise werden Informationen über Gegner sonderbar aufgeteilt. Im Kodex im Menü steht wie ein Gegnertyp sich verhält, aber nur im Kampf selbst sehen wir auch seine Fähigkeiten. Dabei wären beide Infos an der selben Stelle sehr hilfreich.
  • Othercide wirkt gelegentlich etwas undurchsichtig. Im Kampf ist nicht immer gleich ersichtlich, welche Tochter wir ausgewählt haben oder wie sich gewisse Effekte auswirken. Außerdem mussten wir regelmäßig wild herumklicken, bevor sich eine Tochter an die gewünschte Stelle bewegte.

Othercide wird sicherlich nicht jedem gefallen. Allein der Stil ist dafür schon ein Garant. Wen das aber nicht stört oder wer darüber hinwegsehen kann, findet hier ein durchaus interessantes Taktik-Spiel. Nichts darin wirkt so rund wie in Into The Breach oder mitreißend wie bei XCOM, aber die Entwickler geben sich immerhin Mühe, etwas eigenes zu erschaffen.

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