Baldur's Gate 3 fehlt ein typisches D&D-Feature und das macht mich komplett wahnsinnig

In D&D 5 gibt es ein Feature, auf das Baldur's Gate 3 komplett verzichtet. Und das lässt mich in nahezu jedem Rundenkampf verzweifelt aufseufzen.

Der blitzschnelle Leander Löwentreu versteht nicht, wieso er nicht als zweites dran sein darf. Der blitzschnelle Leander Löwentreu versteht nicht, wieso er nicht als zweites dran sein darf.

Es wirkt fast schon wie Majestätsbeleidigung, sich über Baldur's Gate 3 aufzuregen. Doch selbst dieses absolute Ausnahmerollenspiel mit seiner historischen Testwertung macht lange nicht alles perfekt. Oder sorgt zumindest nicht dafür, dass jeder Spieler und jede Spielerin gleichermaßen zufrieden ist.

Ich gehöre eigentlich zu den Leuten, die aktuell nichts anderes mehr spielen wollen und sehe in dem Rollenspiel die Erfüllung einer lang gehegten Hoffnung. Und trotzdem gibt es eine Sache, die mich in diesem Spiel immer wieder aufs neues fuchsig macht.

Fabiano Uslenghi
Fabiano Uslenghi

Fabiano ist in der Redaktion der Mann, wenn es um klassische Rollenspiele geht. Vor allem dann, wenn sie auf einer Pen & Paper-Vorlage basieren - also etwa neunundneunzig Prozent davon. Er selbst spielt regelmäßig Das Schwarze Auge und auch D&D, hat aber gleichzeitig circa sein halbes Leben in digitalen Rollenspielwelten verbracht.

Nein, ich rede nicht von dem fummeligen Inventar. Und nein, es geht auch nicht darum, dass absolut jeder meiner Begleiter es gar nicht abwarten kann, mit meinem Helden in die Kiste zu steigen - lasst mich doch bitte einfach Monster töten.

Es geht um ein simples Feature in den Rundenkämpfen, das in der D&D-Vorlage eigentlich existiert und in vielen anderen rundenbasierten Spielen ebenfalls: das taktische Abwarten.

Baldurs Gate 3 ist schon in den ersten Minuten eine Offenbarung Video starten 1:45:10 Baldur's Gate 3 ist schon in den ersten Minuten eine Offenbarung

Schnell ist nicht immer besser

Ja, ja. Ich weiß - taktisches Warten ist auch nur ein beschönigter Ausdruck fürs Campen. Aber was in einem Ego-Shooter oft verpönt wird, sollte in einem taktischen Kampf eigentlich zum Standard gehören. Immerhin gibt es nichts ärgerliches, als wenn ein Vorteil sich plötzlich in einen Nachteil verkehrt.

Ohne die Aktion meines aktiven Charakters allerdings hinauszögern zu können, wird genau das zum Problem. Plötzlich stehe ich dank meiner extrem hohen Gewandtheit in der Initiative an vorderster Front und sehe mich mit der Realität konfrontiert, dass ich jetzt handeln muss. Dabei ergibt das aus verschiedensten Gründen überhaupt keinen Sinn.

Mein Mönch ist wie so oft als erstes dran und nutzt die Aktion zum Angriff. Es wäre aber fast klüger, wenn die Feinde ihre eigenen Aktionen erstmal an die NPCs vergeuden. Mein Mönch ist wie so oft als erstes dran und nutzt die Aktion zum Angriff. Es wäre aber fast klüger, wenn die Feinde ihre eigenen Aktionen erstmal an die NPCs vergeuden.

Entweder, weil die Feinde sowieso zu mir gelaufen kommen und ich eine bessere Position habe. Oder weil ich gerne auf den Buff eines Gefährten warten würde, der aber viel weiter hinten in der Rangliste steht. Manchmal würde ich auch gerne den perfekten Zeitpunkt abpassen, um einen sich bewegenden Gegner durch eine entzündete Fettlache in die Luft zu jagen.

Eine Aktion hinauszuzögern kann also oft den Unterschied ausmachen, doch in Baldur's Gate 3 darf ich höchstens meinen kompletten Zug aufgeben. Das treibt mich als alten Rundentaktiker komplett in den Wahnsinn. Keine Aktion ungenutzt lassen! Das weiß doch jeder Rundenstratege.

Es gibt Vorlagen

Ich schätze Baldur's Gate 3 sehr dafür, dass dieses Spiel einerseits nah am Dungeons-&-Dragons-Regelwerk bleibt, sich davon allerdings niemals komplett einschränken lässt. Das zeigt, wie wichtig diesem Team ein komplett rundes Spielerlebnis ist. Manche Systeme taugen in einem PC-Spiel einfach weniger als in der Fantasie.

Doch beim Abwarten wünschte ich mir, sie hätten sich etwas genauer daran gehalten. Denn eigentlich erlaubt es D&D 5, eine Aktion zu verzögern. Ich muss dann nur eine Bedingung festlegen und meine Reaktion aufwenden, kann so aber eben auch deutlich später erst angreifen oder zaubern. Ich lege etwa fest: Schieße Feuerpfeil, wenn Feind über Fettlache rennt.

Baldurs Gate 3 wischt mit dem ebenfalls famosen Solasta zwar meistens den Boden auf - doch zumindest kann ich hier einen Angriff bereithalten. Baldur's Gate 3 wischt mit dem ebenfalls famosen Solasta zwar meistens den Boden auf - doch zumindest kann ich hier einen Angriff bereithalten.

Mir ist schon klar, dass dieses an Bedingungen geknüpfte System in Baldur's Gate 3 extrem ungelenk wäre - in angepasster Form jedoch nicht unmöglich. Man könnt etwa freiwillig eine definierte Aktion auf einen späteren Zeitpunkt in die Initiative legen. Oder man macht es wie Solasta, das ebenfalls auf D&D 5 basiert und in dem verzögerte Angriffe automatisch auslösen, sobald ein Feind in Reichweite kommt. Ich würde sogar eine Art Overwatch wie in XCOM begrüßen.

Am liebsten wäre es mir aber fast, grundsätzlich meinen kompletten Zug einfach nach hinten zu schieben und die Gegner nach Lust und Laune auszukontern.

Noch immer genial

Ich will euch aber auch nichts vormachen. Natürlich habe ich trotzdem einen heiden Spaß an den cleveren Gefechten in Baldur's Gate 3, die eigentlich das optimale Maß an Zugänglichkeit und Herausforderung bieten. Zumindest für mich. Und ja, oft zahlt es sich aus, einfach schneller zu sein als die Gegner.

Vor allem im späteren Spielverlauf, wo eine kluge Aktion im ersten Zug direkt zahlreiche nervtötenden Widersacher aus dem Weg räumt. Erst gestern habe ich mich mit Nebelschritt direkt neben eine Gruppe aus Halsabschneidern am Hafen teleportiert und vier Stück davon mit einer Donnerwoge aus meiner Lyra ins Meer gepfeffert. Herrlich.

Doch ich weiß, es wird auch wieder der Moment kommen, wo es mich verrückt macht, dass Charaktere nicht warten können. Beispielsweise, wenn mal wieder ein Begleiter jetzt und sofort mir seine ewige Liebe gesteht - wir stehen im Abwasser, Halsin. Im Abwasser.

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