Bleak Sword wirkt älter als mein Opa, aber spielt sich fantastisch!

Ich hatte immer ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Opa, aber er wäre jetzt 109 Jahre alt und das würde man ihm sehr wahrscheinlich ansehen - genauso, wie man Bleak Sword ansieht, dass es wie ein Relikt der Vergangenheit anmuten möchte, aus einer längst vergessenen Epoche in grauer Vorzeit: den 80ern.

Doch der Schein trügt, denn Bleak Sword (oder Bleak Sword DX, wie die PC-Version heißt) spielt sich nicht nur modern, sondern macht dermaßen viel Spaß, dass ich seit drei Tagen und Nächten nicht davon loskomme. Und die 85 Prozent positiven Steam Reviews stimmen mir dazu. Also Grund genug, um euch hier mal ein völlig unterschätztes Juwel zu präsentieren, das seine läppischen 10 Euro Kaufpreis auf jeden Fall wert ist.

Dimitry Halley

@dimi_halley

Dimi hat innerhalb des GameStar-Teams seinen Ruf weg, genervt die Augen zu verdrehen, wenn wieder ein Indie-Roguelike angekündigt wurde. Aber Dimi rollt ebenfalls die Augen, wenn auf dem Summer Game Fest immer der gleiche Einheitsbrei gezeigt wird. Vielleicht rollt Dimi einfach gerne mit seinen Augen. Oder er wartet auf einzigartige Spiele wie Bleak Sword, die wirklich mal aus der Masse herausstechen.

Worum geht's in Bleak Sword DX?

Bleak Sword erschien schon vor geraumer Zeit in Apples Arcade für iPhones und iPads, doch seit dem 8. Juni 2023 gibt's das Action-Adventure auch für PC und Switch - in einer aufgemotzten DX-Variante, die sich zumindest auf dem PC absolut tadellos spielt, inklusive Ultrawide-Support für 21:9-Nasen wie mich.

1:00 Bleak Sword DX im Trailer: Eines der fetzigsten Actionspiele, die ihr 2023 spielen könnt

Dabei klingt die Ausgangslage der Story zum Davonlaufen generisch und ich muss mir richtig Mühe geben, beim Tippen nicht einzuschlafen: Ein böser Overlord unterjocht seit Jahrzehnten ein Fantasy-Königreich und nun muss ein junger, auserwählter Schwertkämpfer ... zzzZZ ... drei Kristalle ... zzZZ ... nur so das böse Bleak Sword vernichten ... zzZZ.

Aber diese Anspielung auf gefühlt jedes Fantasy-Rollenspiel der 80er und 90er wählen die Entwickler natürlich ganz bewusst - und Bleak Sword adaptiert das Ganze mit einer unvergesslich düsteren Atmosphäre. Wie in einem spielgewordenen Erlkönig reitet euer kleiner Krieger völlig alleine durch die Nacht, überall lauern zwischen knochigen Bäumen allerlei grässliche Kreaturen.

Da fällt der Vergleich zu Dark Souls natürlich leicht - und auch hier ist die Parallele kein Zufall.

Wie spielt sich Bleak Sword DX?

Im Kern ist Bleak Sword ein streng lineares Action-Spiel, in dem ich mich als Schwerkämpfer Level für Level durch kleine, abgeschlossene Areale kämpfe und stets sämtliche Monster umbringen muss. Würde man die Kämpfe von Dark Souls und Co. mittels Brennlinse auf ihren absolut kleinsten Nenner fokussieren, käme Bleak Sword dabei heraus: Mit dem Schwert zerhacke ich Feinde, manage meine Ausdauer, pariere feindliche Attacken millisekundengenau - auf dem Papier klingt das mittlerweile nach Standard, in der Praxis kommt's aber eben darauf an, wie viel Oomph ich in jedem Schlag fühle.

Und Bleak Sword hat Oomph! Jedes Level dauert kaum zwei Minuten, ich fetze durch ein minimalistisches Diorama und jeder Konterschlag fühlt sich an, als würde ich dem Feind eine deutsche Eiche um die Ohren schallern. Die Dutzenden von Stages sind dabei weit mehr als Beschäftigungstherapie: Jede Arena setzt ihre eigenen Gameplay-Akzente, jeder auftauchende Feind ist Teil einer handgebauten Herausforderung.

Und die zig Gegnertypen halten die Kämpfe abwechslungsreich: Mal muss ich einen gigantischen Skelettkrieger parieren, während mich fliegende Schädel mit Feuerbällen beschießen, mal reite ich mit dem Pferdchen durch Nacht und Wind, während Gargoyles Wurfspeere nach mir schleudern. Und mal kämpfe ich auf einem Berggipfel, während der eisige Wind mich aus der Arena wirbelt.

Kurzum: Falls ihr Bock auf fetzige Kämpfe habt, während ihr im Hintergrund den GameStar-Podcast hört, dann habe ich lange kein besseres Spiel mehr dafür erlebt.

Ist das jetzt ein Roguelike oder wie?

Jenseits der Kloppereien hat Bleak Sword wenig Fleisch auf den Rippen. Jede abgeschlossene Stage spendiert euch Erfahrung, beim Levelaufstieg verbessere ich Angriff oder Verteidigung oder Lebenspunkte - und hier und da finde ich auch mal einen Gegenstand, der meine Werte weiter boostet.

Das ist aber alles so überschaubar und anspruchslos, dass selbst Tetris dagegen wie ein Strategiespiel wirkt. Wenn ich sterbe, habe ich außerdem bloß eine Chance, meine verlorene Erfahrung zurückzuerobern, sonst muss ich alte Level grinden, um mich wieder hochzurüsten.

Auch das klingt nach Dark Souls, die Mechanik lässt sich aber frech mit Alt+F4 umgehen, wenn ich keine Lust darauf habe. Generell ist Bleak Sword DX weit weg vom Härtegrad eines Soulsborne. Ich muss mir zwar Mühe geben, aber die meisten Level gelingen mir beim ersten Versuch.

Obwohl es ein ganz anderes Spiel ist, verzaubert mich Bleak Sword ähnlich wie damals Loop Hero. Ich kam wegen der herzerwärmenden Oldschool-Optik und blieb wegen des unglaublich motivierenden Gameplay-Loops. Ich setze mich mit dem Kaffee vor den Bildschirm, will bloß durch ein paar Level fetzen, während ich Nachrichten höre ... und schwups, ist der Tag vorbei.