Festhalten bitte
Keine Frage, dieses Duell fällt weit besser aus als die kürzliche TV-Konfrontation zwischen Merkel und Steinmeier, denn anstatt sich nur zu streicheln, lassen es die beiden Hollywood-Veteranen zunehmend krachen.
Washington erscheint in seiner zurückhaltenden Rolle zunächst ungewohnt, kann aber nach und nach immer deutlicher zeigen, was in ihm steckt. Von Anfang an fiebert man mit ihm mit und fragt sich, ob die starken Anschuldigungen ihm gegenüber wohl gerechtfertigt sind. Denn Walter ist stellenweise unberechenbar, auch für uns Zuschauer. So wirkt seine Figur bis zum Finale ansatzweise ambivalent – und dieser Durchschnittstyp, der dann doch noch zu außerordentlichem Mut findet, bleibt immer interessant.
Wie zu erwarten war, stiehlt Travolta seinem Gegenüber trotzdem fast immer die Show, da er sich in der Rolle des aalglatten und gnadenlosen Fadenziehers Ryder sichtlich wohl fühlt und immer wieder zwischen amüsanten Sprüchen und bedrohlichen Ausrastern springt. Er und Washington bekommen gute Charaktermomente, die gleichsam immer wieder neue Seiten der Figuren zeigen. In Nebenrollen treten zudem Sopranos-Star James Gandolfini als zwielichtiger Bürgermeister und John Turturro (der NSA-Agent aus Transformers 1+2) als Verhandlungsexperte auf, die mit markanten Eigenheiten überzeugen und dem Film den passenden personellen Rahmen geben.
Die Geschichte wirkt dagegen über weite Strecken vorhersehbar und ausgelutscht, kann dann aber doch noch für Spannung sorgen, zumindest in einigen Szenen. Das Ende bietet zwar keine große Überraschung, wird aber vom erfahrenen Tony Scott gewohnt rasant inszeniert. Wer sich an die früheren Werke des Regisseurs erinnert, beispielsweise Der Staatsfeind Nummer 1 mit Will Smith in der Hauptrolle, wird Scotts Handschrift schnell wiedererkennen.
Auf dem falschen Gleis
So souverän die Machart des Films auch erscheinen mag, so sehr hakt es immer wieder an Kleinigkeiten, die den Gesamteindruck trüben. Um sich von dem dreißig Jahre alten Klassiker abzugrenzen, greift Scott zu einer überzogen modern anmutenden Symbolik und scheitert mit dem Versuch, sich seinem voraussichtlich jungen Publikum anzunähern.
Das Ergebnis wirkt stattdessen anbiedernd und erzwungen. Da wird alle Nase lang über Google und Webcams ermittelt und besonders cool muss die moderne Netzrecherche dabei natürlich auch noch aussehen. Unter 30-Jährige kann man damit kaum beeindrucken, denn statt sich wie selbstverständlich dieser Medien und Möglichkeiten zu bedienen, offenbaren die Filmmacher mit dem überzogenen Focus auf die digitale Revolution, dass sie an selbiger nicht teilgenommen haben.
Der eine oder andere Zuschauer wird sich von dem Film unterfordern fühlen. Mit spektakulärer Action oder gar eine trickreichen Auflösung kann Die Entführung der U-Bahn Pelham 123 nicht aufwarten – es gibt weder größere Schusswechsel noch clevere Scharaden. Der Streifen ist weder Stirb Langsam 5, noch Inside Man 2 – sondern bloß ein guter, aber sehr geradliniger Thriller, der trotz seiner Mängel unterhält.
Fazit
Christian Mester (bereitsgesehen.de): »Der neue Travolta ist sicher kein Film, den man unbedingt auf der großen Leinwand gesehen haben muss, für einen spontanen Kinoabend oder später auf DVD ist Die Entführung der U-Bahn Pelham 123 aber definitiv einen Blick wert.«
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