Dragon Age hat in meinen Augen eine klischeebehaftete und austauschbare Fantasywelt. Ich weiß, das ist eine harsche Aussage - besonders von jemandem, der vor The Veilguard kein einziges Dragon Age gespielt hat. Bevor jetzt aber eine blutrünstige Horde dunkler Brut in die Kommentare stürmt und auf die Tasten hämmert, schwäche ich meine Aussage leicht ab:
Dragon Age hätte für mich eine klischeebehaftete und austauschbare Fantasywelt, wenn nicht die Qunari dabei wären.
Die gehörnten … nein, die horny … ach, die Gestalten mit den Hörnern am Schädel sind nämlich eine angenehme Abwechslung zu den immergleichen Zwergen in ihren Bergen und den einst ach so mächtigen Elfen, die jetzt zurückgezogen am Rande der Gesellschaft leben. Der Herr der Ringe, Witcher und so gut wie jedes weitere Fantasy-Setting bedienen sich an diesen Klischees.
Qunari gibt es dagegen nur in Dragon Age, ihre Kultur rund um das Qun ist einzigartig. Bei der Herkunfts-Wahl meiner Spielfigur im Charakter-Editor musste ich also nicht lange grübeln. Der Qunari Turvi Mercar war geboren - und damit mein größtes Ärgernis in The Veilguard. Das Ergebnis meiner Figur war überhaupt nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe.
Kein Qunari aus dem Lehrbuch
Geblendet von der Entscheidungsvielfalt aus Baldur’s Gate 3 habe ich schon genau gewusst, was für eine Art Qunari ich sein wollte: hart wie Stahl und wortkarg. Wie sich herausgestellt hat, ist Rook aber weich wie aufgewärmter Wackelpudding und kann einfach nicht die Klappe halten.
Die Spielfigur unterhält sich auch außerhalb der Dialog-Auswahl oft mit den Begleitern, Einfluss habe ich darauf nicht. Und ich schwöre beim Erbauer, die Entwickler haben sich Rook definitiv nicht so vorgestellt wie ich. Mein Qunari sollte nicht beim Anblick einer Hand-Statue drei Wortwitze hintereinander machen.
Aber auch bei den Dialog-Optionen sind die strengen
Antworten für mein Empfinden viel zu freundlich - nur in wenigen Situationen kann ich mal wirklich auf den Putz hauen. Spezielle Gesprächsmöglichkeiten aufgrund meines Volkes sind enorm rar gesät, die gewählte Fraktion hat deutlich mehr Einfluss. Da wurde Potenzial verschenkt.
Um mein Gejammer auf die Spitze zu treiben, muss ich noch die Bewegungen meiner Spielfigur ansprechen. Wenn Rook an der Kante eines Abgrunds steht und fast hinunterfällt, wackelt er albern mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten. Stellt euch mal vor, Iron Bull aus Dragon Age: Inquisition würde das genauso machen. Völlig absurd, oder?
Wo bleibt der Rassismus?
Qunari sind ein höchst missverstandenes Volk - das steht sogar im Kodex-Eintrag bei The Veilguard:
Das Volk der Qun ist vielleicht die am wenigsten verstandene Gruppierung in ganz Thedas. [...] Die Natur hat sie mit gefährlich aussehenden Hörnern und sonderbaren Augen ausgestattet, weshalb die Unwissenden bei ihrem Anblick nichts anderes als Monstren sehen.
Klingt so, als ob ich als Qunari eine schwere Zeit hätte, Freunde in Thedas zu finden. Letztlich sind meinen Mitmenschen die Hörner aber völlig schnuppe und behandeln mich wie alle anderen. Wo ist das Misstrauen und die Wut gegenüber meinem Volk? Wieso bin ich für niemanden ein Monster?
Selbst in Inquisition waren Qunari in den Augen vieler NPCs noch Ungeheuer - hier hat man die Missgunst deutlich zu spüren bekommen, was wiederum sogar Einfluss auf das Gameplay hatte, etwa in Halamshiral. Auf so etwas habe ich in The Veilguard vergeblich gehofft.
Einen kurzen Hoffnungsschimmer hatte ich in Treviso, Lucanis’ Heimatstadt wird nämlich von den Antaam besetzt - kriegerischen Qunari, die sich vom Qun losgesagt haben. Zu Beginn werde ich sogar von den Krähen von Antiva gewarnt, dass ich deshalb als Qunari nicht sonderlich beliebt sein werde.
Pustekuchen. Niemand interessiert sich dafür, wer Rook ist und was er da am Kopf hat. In der realen Welt wäre so eine universelle, weltoffene Einstellung zu unterschiedlichen Völkern natürlich traumhaft. In einer fiktiven Geschichte braucht es aber Drama und Konflikt, um mich zu fesseln. Und ein Qunari als Spielfigur bietet einfach nicht das, worauf ich mich gefreut habe.
Wen interessiert schon das Qun?
Die gesamte Kultur der Qunari baut sich um das Qun auf - eine Philosophie und Gesellschaftsordnung, an die sich strikt gehalten werden muss. Es bestimmt Lebensentscheidungen immens, beispielsweise müssen Qunari ihrem Beruf ein Leben lang treu bleiben und diesen bis zur Perfektion ausüben.
Ob mein Rook aber nun dem Qun folgt oder nicht, spielt keine Rolle. Die größte Erwähnung bekommt das Qun in den Begleiter-Missionen von Taash und dem Konflikt mit Taashs Mutter. Aber selbst da bringt mir meine qunarische Herkunft kaum Vorteile in Gesprächen. Da wäre mehr drin gewesen!
Qunterbunte Gesichtsbemalung
Als wäre das nicht schon alles, kam dann auch noch eine qunterbunte Überraschung auf mich zu: Qunari können keine Helme tragen! Stattdessen klatschen sie sich Farbe - Vitaar genannt - ins Gesicht. Das war zwar auch schon in Inquisition so, ich als Dragon-Age-Neuling habe das allerdings nicht gewusst.
Es ist in meinen Augen aber auch völlig sinnfrei: Wieso nicht einfach zwei Löcher in die Helme schneiden, schon wäre das Problem gelöst! Dank der herausschauenden Hörner würde es die Kopfbedeckung sogar noch cooler aussehen lassen.
Es scheint auch kein kulturelles Problem zu sein, von wegen dass es Schwäche, Angst oder Ähnliches repräsentieren würde. Die Antaam, also die Krieger der Qunari, tragen nämlich allesamt Helme! Wieso also nicht auch mein Rook, Bioware? Wieso?!
Es ist auch nicht so, dass mir etwas Neues anstelle von Helmen angeboten wird: Wenn ich etwas mehr Farbe in der Visage will, kann ich das auch einfach im Charakter-Editor einstellen - unabhängig davon, welchem Volk ich angehöre.
Ja, das Vitaar ist nur die vergammelte Kirsche auf der fad schmeckenden Torte. Es ist schlicht frustrierend, der Qunari-Kuchen sah anfangs für mich köstlich aus! Ich muss mich nur selbst daran erinnern, dass The Veilguard abseits davon noch ein ganzes Buffet an fantastischen Leckereien bietet, auf die ich mich im weiteren Spielverlauf konzentrieren kann.
Zwar kommt hin und wieder die Qunari-Torte wieder hoch, aber das muss ich dann schnell runterschlucken. Und jetzt gehe ich etwas essen, die ganzen Nachspeise-Metaphern haben mich hungrig gemacht.
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