Es war im Dezember 2000, als ich meine erste große GameStar-Liebe traf. Sie trug ein Schlabber-Shirt, ausgewaschene Shorts, Sandalen und … nunja … eine Glatze. Sie oder besser gesagt er hieß Simon Bradbury und stand einsam und verlassen in der hinterletzten Ecke eines ausgedienten Schwimmbads in München. Bis wir uns begegneten. Es sollte unser beider Leben für immer verändern.
Aber der Reihe nach: Das ausgediente Schwimmbad war die Location für einen Jahres-Line-up-Preview-Event des Publishers Take 2 Interactive. Eine dankbare erste Auswärtsveranstaltung für den frischgebackenen Trainee Heiko, der am 28.11.2000 seinen ersten Arbeitstag bei GameStar hatte.
Keine komplizierte Anreise, viele Vernetzungsmöglichkeiten mit Journalisten, PR-Managern und Spiele-Entwicklern, dazu gleich mehrere, aber für GameStar nicht allzu wichtige Titel. Im Klartext: Der Bub kann viel lernen und nur wenig kaputtmachen.
»Schau mal, ob du ein vorstellungswürdiges Spiel findest«, hieß es von GameStar-Chef Jörg Langer, »und dann besprechen wir, ob es für eine News oder sogar für eine Preview reicht.«
Der Autor
Heiko bewarb sich seinerzeit zwar in erster Linie als Sport- und Rennspielexperte bei der GameStar, das war allerdings eher eine taktische Maßnahme, weil er glaubte, in diesem Bereich eine Personallücke entdeckt zu haben. Privat spielte er bereits anno 2000 genau wie heute eigentlich alles, was ihn thematisch interessierte. Ein Großteil des Bewerbungsgesprächs mit dem damaligen stellvertrenden Chefredakteur Martin Deppe drehte sich dann auch um den Amiga-Strategieklassiker »Death or Glory«. Nunja, und um eine außergewöhnlich schlampige Bewerbungsmappe.
Manchmal ist Ignoranz ein Segen
Ich schaute und entdeckte als Erstes eine gigantische Menschentraube, die sich um diverse Playstation-2-Stationen ballte. Gezeigt und gespielt wurde irgendein uninteressanter konsolenexklusiver Titel namens GTA 3. Wie langweilig! Aber auch kein großer Verlust, der PC-Vorgänger hatte es in der GameStar gerade mal auf 79% und zwei Seiten Test geschafft.
Okay, vielleicht hätte ich stutzig werden können, dass alle anderen Spiele im Schwimmbad von den erfahrenen Kollegen der anderen Medien komplett ignoriert wurden. Aber dann wäre mir eben genau wie allen anderen auch der glatzköpfige Simon entgangen, der an einem PC (!) völlig versunken in sein eigenes Spiel zu sein schein. Das war spannend, das wollte ich mir näher anschauen!
Ich entdeckte ein pixeliges Mittelalter-Strategiespiel namens Stronghold, das auf den ersten Blick nicht viel hermachte. Aber man konnte seine eigene Ritterburg bauen! Und wer wie ich mit Sandkasten, Lego und Playmobil aufgewachsen ist, der weiß, wie faszinierend das sein kann. Der Rest des Nachmittages gehörte Simon, mir und Stronghold - so hieß das pixelige Mittelalter-Strategiespiel.
Je tiefer ich in die Welt der Ritter abtauchte, desto mehr faszinierte mich die Mischung aus detailverliebt simuliertem Burgleben im Siedler-Stil und anspruchsvollen Echtzeit-Belagerungsschlachten wie in Age of Empires 2. Aus der üblichen 30-Minuten-Präsentation wurden schnell erst zwei, dann drei Stunden. Wir hatten alle Zeit der Welt, schließlich interessierten sich alle anderen Journalisten nur für dieses komische GTA 3.
Vom Einseiter zum GameStar-Meilenstein
Ich sog jedes Detail in mich auf und kehrte komplett geflasht in die Redaktion zurück. Zu diesem Spiel wollte, nein, musste ich einfach meine erste größere Preview als GameStar-Trainee schreiben. Meine Begeisterung war nur so mittelansteckend. Neue Marke, unbekanntes Studio, dazu hässliche Screenshots - ich musste lange und hart mit Jörg Langer diskutieren, um zumindest eine Seite für Stronghold rauszuschlagen.
Der Rest ist GameStar-Geschichte. Stronghold schoss bereits nach dieser ersten kurzen Preview in unseren Leser-Charts in die oberen Ränge. Ich hatte Jörg mein Näschen für spannende Spiele bewiesen und durfte weiter über Stronghold schreiben. Ihm verdanke ich meine erste Auslandsreise und meine erste vierseitige Exklusivpreview (GameStar 09/2001), meine erste Titelstory (GameStar 11/2001) und zu einem guten Teil bestimmt auch meine Übernahme zum Redakteur nur einen Monat später.
Umgekehrt war meine Berichterstattung sicherlich auch nicht ganz unschuldig daran, dass Stronghold in Deutschland zu einem riesigen Verkaufserfolg wurde. Ein Umstand, für den sich Firefly-Chef Simon Bradbury selbst heute noch bei mir bedankt, wenn wir uns mal wieder über den Weg laufen. Und all das nur, weil ich mich seinerzeit nicht für GTA 3 interessierte.
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