Fazit: Far Cry 6 im Test: Eine Open World voller Widersprüche

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Fazit der Redaktion

Elena Schulz
@Ellie_Libelle

Ich hatte gerade in Gefechten oder beim Erkunden der offenen Welt viel Spaß mit Far Cry 6. Bei jeder neuen Waffe freute ich mich wie ein kleines Kind darauf sie auszuprobieren, holte auch noch nach vielen Stunden mit Genugtuung Hubschrauber vom Himmel oder packte den 37. Screenshots von einem Open-World-Sonnenuntergang in meinen Screenshot-Ordner, weil der ja nun wirklich viel schöner war als alle anderen davor.

Die grundsätzlichen Spielmechaniken und auch die Spielwelt funktionieren ausgesprochen gut und unterhalten so lange, bis man nach dem Sinn dahinter fragt. Was mich stört ist, wie leicht Ubisoft es sich macht. Far Cry 6 ist ein durch und durch zahnloses Spiel, das mir nur eine scheinbare spielerische Freiheit gibt. In Wahrheit soll ich mich nur nicht eingeschränkt fühlen. Ich kann alles machen, aber was ich mache, ist völlig egal. Es wartet so oder so immer die nächste Aufgabe auf mich. Nichts hat Gewicht oder Konsequenzen. 

Einmal soll ich jemanden verschonen, weil er sich im letzten Moment rettet, indem er meinen Freiheitskämpfern eine Finanzspritze verpasst. Ich töte ihn trotzdem, aber nichts passiert, niemand kommentiert es, alles geht seinen Gang. Ein anderes Mal soll ich mit einem Hahn Kampfhunde erledigen, dann wieder Karotten ausbuddeln, weil vegane Ernährung die einzig richtige ist - oder ich pfeife drauf und schieße doch einen Hasen, auch okay. Ich soll fassungslos über die Grausamkeit des Krieges sein, tanzen und witzige Selfies machen, schleichen, schießen, Waffen aufmotzen, Lager aufbessern, Schätze ausbuddeln, Angeln, Jagen, Aufstände organisieren, Aufstände niederschlagen, aber nichts davon führt irgendwo hin oder gibt mir eine Antwort auf irgendwas.

Ich finde es lobenswert, wie zugänglich und vielseitig Ubisoft seine Open Worlds gestaltet, dass es Modi für Farbenblinde gibt, einen Story-Modus für Anfänger und zig Möglichkeiten, sich zu beschäftigen oder Missionen anzugehen. Aber was dabei am Ende rauskommt, ist vor allem seicht und umfangreich statt einer tiefen Spielerfahrung. 

Dabei könnte man die recht einfach über zusätzliche Schwierigkeitsgrade erzeugen, taktisch fordernde Gegner, weniger übermächtige Waffen, besondere Missionen und Herausforderungen, die knackiger ausfallen oder eine Erzählung, die sich konsequent einer Vision verschreibt - wie zum Beispiel den Schrecken des Krieges, die mich irgendwann mit meinen eigenen Schandtaten konfrontieren oder Festival-Party-Quatsch in bunten Klamotten. Beides ist legitim, Ubisoft muss sich nur endlich für eins von beiden entscheiden und akzeptieren, dass sie nicht jeden glücklich machen können.

Fazit der Redaktion

Jonas Gössling
@jogel19

Far Cry 6 beginnt unglaublich stark. Das Tutorial fängt die verzweifelte Stimmung der Diktatur super ein, die erste kleine Insel bringt mir ziemlich gut die wichtigsten Sachen bei und bereits hier dreht der Shooter den Abwechslungsregler stark nach oben. Ich bin nie gelangweilt, ich habe immer Lust weiterzumachen.

Aber Far Cry 6 ist eben auch das Spiel der vielen ›Abers‹. Will heißen, für jede gute Idee gibt es auch eine schlechte. Es existieren verschiedene Munitionstypen für bestimmte Feinde? Cool, aber die sind mit dem Fund der legendären Waffen schnell egal - die ich übrigens auch schon auf besagter erster Insel einsacke. Überall gibt es Nebenaktivitäten und unterhaltsame Quests? Super, aber die Belohnungen spielen irgendwann keine Rolle mehr, ebenfalls dank der Waffen und auch der miesen Gegner-KI.

Am schlimmsten finde ich allerdings, wie das Spiel Kriegsverbrechen und Tierquälerei einfach ohne Kontextualisierung hereinwirft. Hahnenkämpfe sind hochproblematisch und so weit von harmlosen Spaß entfernt wie Schalke 04 von der Deutschen Fußballmeisterschaft. Wenn man solchen Thematiken nicht angemessen einweben kann, sollte man es lieber lassen. So bleibt Far Cry 6 ein Shooter voller Widersprüche, der unglaublich gut sein könnte, sich aber viel zu oft selbst im Weg steht.

Fazit der Redaktion

Valentin Aschenbrenner
@valivarlow

Ich dachte eigentlich, ich kenne mich mit Far Cry aus. Immerhin habe ich die vorangegangenen Spiele rauf und runter gespielt. Far Cry 6 hat es aber dann irgendwie geschafft, so gut wie alles zu verschlimmbessern. Selbst als Veteran habe ich über die unzähligen Missionen, Optionen, Menüs, Gadgets und Anpassungsmöglichkeiten irgendwann den Überblick verloren. Und dann habe ich mich irgendwann einfach dazu entschieden, das alles zu ignorieren und es so zu spielen, wie ich möchte.

Genau so funktioniert Far Cry 6 dann am besten: Stealth-Spieler werden beispielsweise nicht mehr grundsätzlich mit besseren Belohnungen gelockt, weswegen ich mich als notorischer Schleicher auch mal getraut habe, einfach mit dem Panzer alles und jeden platt zu fahren. Und auch der Wegfall von Skills lädt grundsätzlich zu mehr kreativem Rumprobieren mit den durchaus spaßigen Spielmechaniken ein.

Allerdings sorgt das wiederum für ein anderes Problem: Irgendwann fehlt der spielerische Anreiz, Missionen besonders geschickt zu absolvieren, weil ich ja alles einfach in die Luft jagen kann. Ebenso ist Far Cry 6 einfach zu vollgestopft und überfüllt mit netten, aber nicht überragenden Aktivitäten. So will Ubisoft mit dem neuen Teil der Reihe zu viele Spielertypen gleichzeitig bedienen - worunter die Identität von Far Cry leidet.

Verdammt schade, ist Yara doch eine wirklich schöne Open World mit einem einzigartigen Setting und vielen guter Ideen, aber durchwachsener Umsetzung geworden. Far Cry 6 schafft es damit für mich nicht, seine Vorgänger zu übertrumpfen.

4 von 4


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