Seite 3: Far Cry 6 im Test: Eine Open World voller Widersprüche

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Komfort statt Krawall

Überall nur zu ballern, würde uns aber doch einschränken, denn die offene Welt lässt sich deutlich friedlicher erforschen als noch in den Vorgängern. Zum einen greifen euch Soldaten abseits von Sperrgebieten nicht mehr an, wenn ihr die Waffe wegsteckt und zum anderen verzichten die örtlichen Mungos, Jaguare und Kojoten netterweise darauf, euch wie die Pumas in Montana fast jede Infiltration zu versauen. 

Und ihr seid komfortabler unterwegs: Für verwinkelte Waldpfade stehen Pferde neben dem klassischen Arsenal aus Autos, Booten, Jetskis, Flugzeugen, Hubschraubern und mehr zur Verfügung, außerdem dürft ihr euer eigenes Auto jederzeit herbeirufen. Wollt ihr wirklich keine Gefangenen machen und doch wieder schießen, lässt sich per Panzer jedes Problem aus der Welt schaffen. Selbst den dürft ihr behalten, wenn ihr ihn zu einer Fahrzeugstation kutschiert.

Abseits von Straßen tun wir uns trotz der gelungene Fahrzeugsteuerung auf dem Pferderücken leichter. Abseits von Straßen tun wir uns trotz der gelungene Fahrzeugsteuerung auf dem Pferderücken leichter.

Kombiniert mit Schnellreise, Fallschirm und Wingsuit sind euch so keine Grenzen in der Open World gesetzt. Und egal, wo ihr landet, euch erwarten so viele unterschiedliche Aufgaben, dass wir sogar nach 20 Stunden noch auf neue gestoßen sind. Das erzeugt einen gelungenen Spielfluss, der uns immer weitertreibt: Der Stützpunkt geht noch, oh, die Information deckt eine Luftabwehranlage auf, ist sie zerstört, können wir dorthin fliegen, schnell den Heli zur Fahrzeugstation bringen, Ressourcen einsacken, beim Händler gegen neue Waffen tauschen, ausprobieren, nebenbei eine Geisel befreien und so weiter.

Welche Aktivitäten gibt es?

Aus der Open World von Far Cry 6 bläst uns ein ganzes Orchester an Aufgaben entgegen. Ihr baut Rebellenlager auf, sprengt Geschütze weg, erobert Basen oder Kontrollpunkte, plündert Ressourcen, sucht Schätze, erledigte Nebenmissionen, angelt, sammelt Pferde und Fahrzeuge, befreit Geiseln und schickt sie anschließend auf Missionen, sucht Bildchen um (warum auch immer) verschlossene Truhen damit zu öffnen und tragt Hahnenkämpfe im Street-Fighter-Stil aus. Richtig gelesen, Ubisoft hat aus Tierquälerei ein Minispiel gemacht. 

Auch wenn hier kein Gockel zu Schaden kommt, zeigt das den wenig souveränen Umgang mit problematischen Themen deutlich - mehr dazu lest ihr im Story-Teil. Sämtliche Aktivitäten spielen sich kurzweilig und spaßig, weil die Entwickler sie häppchenweise portionieren. Die schiere Fülle erschlägt aber und durch die fehlende Tiefe wird uns trotz der ganzen Abwechslung schnell langweilig.

Die alte Open World hat ausgedient

Auch hier gaukelt uns Far Cry 6 aber eine Tiefe vor, die gar nicht da ist. Obwohl wir fleißig Kontrollpunkte befreien, Festungen erobern oder im Rahmen der Story Kommandanten ausschalten, fühlt sich nichts von alledem bedeutsam an. Der Ubisoft-Shooter bombardiert ständig mit Neuem, bläst sich durch seine Fülle an Systemen und Features auf bis zum Gehtnichtmehr.

Fragen wir nach dem Warum und zücken in diesem kugelrunden Open-World-Ballon eine Nadel, platzt er einfach: Wir müssen keine Waffen verbessern, weil die einzigartigen Schießeisen ohnehin alles niedermähen. Damit erübrigt sich auch das Schleichen. Wir brauchen keine Ressourcen, weil wir sie eh nur für neue Bleispritzen ausgeben können. Oder unsere Lager erweitern, aber die sind ja schon seit zig Stunden auf ihrer maximalen Stufe. Dort können wir übrigens unter anderem Mahlzeiten kochen, die uns Boni verleihen, die wir eigentlich nicht brauchen, weil uns Waffen und Ausrüstung mit denselben zukleistern. 

Die einzigartigen Waffen sind so mächtig und vielseitig, dass wir im Gefecht nichts anderes mehr brauchen. Die einzigartigen Waffen sind so mächtig und vielseitig, dass wir im Gefecht nichts anderes mehr brauchen.

Nach knapp 40 Stunden sind wir durch und stöhnen nur, als uns Far Cry 6 uns seine Endgame-Aktivität eröffnet: Castillos Soldaten erobern sich die Spielwelt zurück und wir müssen alles nochmal erobern. Uff! Aber bei all der Open-World-Müdigkeit muss man auch anerkennen, dass Ubisoft nur mit der Zeit geht und einen Weg gefunden hat, langlebige Singleplayer-Erlebnisse zu gestalten, die überhaupt nicht so gespielt werden wollen, wie wir es kennen. 

Ein Far Cry 6 will keine Story-Erfahrung sein, die man durchzockt, keine Karte, die man von Symbolen befreit. Die Welt soll wachsen, sich wandeln, immer neue Wege und Herausforderungen bieten, die man sich selbst stellt - das beweisen AC Valhalla und die schon jetzt geplante Far-Cry-Roadmap

Wer Spaß dabei haben will, muss sich auf eine oberflächliche Open-World-Ballerbude einlassen. Als genau die funktioniert Far Cry 6 hervorragend, wenn ihr Basen gemeinsam mit einem Freund im Koop infiltriert, lautlose Runs probiert, Challenges absolviert oder auf möglichst abgedrehte Waffenkombinationen und Gadgets setzt. Aber gräbt man tiefer, will plötzlich nichts mehr so richtig zusammenpassen. Wer Tiefgang bei Story oder Spielmechaniken sucht, wird trotz dieser gewaltigen Feature-Fülle nirgends in Yara fündig werden.

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