Seite 2: Far Cry 6 im Test: Eine Open World voller Widersprüche

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(K)ein Weg für jeden

Bei der Open World lässt sich die Story locker ausklammern. Die bietet für sich schon mehr als genug Spektakel. Wasserfälle donnern an Steilklippen hinab, wo sie türkisblaue Flüsse an Sandstränden und Palmen vorbei ins Meer führen. Nebel hängt in dicht bewaldeten Berggipfeln, Wildpferde grasen zwischen Blumen und an dunklen Höhlenwänden funkeln falsche Sterne. Hier will man sich treiben lassen und erkunden, auch wenn man am Ende oft nur doch wieder auf einen der gleichförmigen Bunker oder Castillos Baukasten-Lagerhallen voller Gegner stößt.

Missionen packen da schon die größeren Geschütze raus, was die Schauplätze und, naja, Geschütze angeht. Wir schießen uns zu einem treibenden Soundtrack durch zwei Schiffe, die die Rebellen als Seesperre auf einer kleinen Insel halten, schleichen durch die Luftschächte eines Flughafens um einen Verbündeten zu retten oder klettern in einem Zoo über Tierkäfige und lassen Jaguare auf die Scharfschützen los, die uns gerade aufs Korn nehmen. Mal müssen wir jemanden in Sicherheit tragen, ein anderes Mal aus einem Keller entkommen, der sich langsam mit Giftgas füllt. Gerade wenn wir am Ende einen von Castillos Kommandanten erledigen sollen, ziehen die Hauptmissionen alle Action-Register.

Far Cry 6 - Screenshots aus der PC-Version ansehen

Ob einfacher Stützpunkt oder fulminantes Gebietsfinale, das Vorgehen bleibt wie schon beim Vorgänger uns überlassen. Wir markieren Gegner per Smartphone, schießen mit Schalldämpfer, deaktivieren Alarme und Kameras, huschen im hohen Gras vorbei oder verketten lautlose Macheten-Angriffe von hinten, um die toten Körper anschließend ins Gebüsch zu ziehen. Boni hagelt es dafür aber nicht mehr - eine willkommene Änderung. Schleichen ist nicht mehr der Königsweg, für den euch das Spiel am meisten belohnt. Werdet ihr entdeckt, könnt ihr nahtlos weitermachen und per Sturmgewehr oder Raketenwerfer eine Schneise der Verwüstung durch die Angreifer ziehen, um doch noch ans Ziel zu kommen.

Kreativität und Spielspaß gehen hier Hand in Hand. Shooter-Profis sollten allerdings darüber nachdenken, die Kampagne wie bei Dark Souls mit verbundenen Augen und einer Banane als Controller zu spielen. Denn Far Cry 6 ist auf beiden Schwierigkeitsgraden viel zu leicht. Jeder andere Weg als das direkte Durchballern entpuppt sich als unnötig umständlich, langatmig und überflüssig. Wer auf Stealth setzt, braucht einfach nur sehr lange im Vergleich zu jemanden, der zur dicken Knarre greift uns es durchzieht. Munition liegt ohnehin überall herum und die KI ist so heillos überfordert, dass sie immer wieder vergisst uns anzugreifen oder in Deckung zu gehen.

Wird Dani von einem Panzer beschossen, zuckt sie im sogenannten Story-Modus nur mäßig beeindruckt zusammen. In der für Shooter-Veteranen empfohlenen Action-Variante hält sie deutlich weniger aus, wer sich zwischendurch fleißig hinter der Deckung heilt, hat aber auch hier keine Probleme als Rambo-Guerilla.

Dass die spielerische Freiheit auch große Probleme mitbringen kann, stellten wir bereits im Interview mit den Entwicklern fest:

Schlaraffenland für Schießwütige

Sich kopfüber in die Schlacht zu stürzen, macht aber so viel Spaß, dass wir die meiste Zeit weder das Schleichen, noch den Anspruch vermissen. Denn die Waffenauswahl von Far Cry 6 ist wie eine kunterbunte Süßwarentheke, bei der man am liebsten einmal alles bestellen würde - und wie in einer Mischtüte wahllos durcheinander würfeln, was dank Werkbank und Anpassung über Mods und Aufsätze problemlos möglich ist.

Wie modifiziert man die Waffen?

Far Cry 6 ist ein Shooter durch und durch. Das beweist das großzügige Waffenarsenal, das uns mit Sturmgewehren, Pistolen, Schrotflinten, Scharfschützengewehren, Bögen oder abgedrehten Impro-Waffen ausstattet, namentlich Flammenwerfer, Nagelpistole oder tödlicher CD-Werfer. Habt ihr das Schießeisen mal in der Hand, geht der Spaß an den Werkbänken aber erst richtig los:

  • Sucht euch eine Werkbank. Dort könnt ihr eure drei Primärwaffen, die Seitenwaffen, sowie Impro-Waffen und Supremo-Rucksäcke individuell anpassen - ähnlich wie beim Waffenschmied im Multiplayer von Call of Duty: Modern Warfare.
  • Bei der Munition stehen zum Beispiel Weichziel-, Spreng- oder panzerbrechende Kugeln zur Auswahl. Welche ihr wofür braucht, seht ihr auf einer Abbildung an jeder Werkbank oder wenn ihr Gegner per Handy analysiert. 
  • Alle Standard-Waffen lassen sich per Mods mit Perks versehen, die zum Beispiel wie hier die Geschwindigkeit beim Ziehen und Wegstecken erhöhen. 
  • Optisch dürft ihr die Schießeisen noch über Sprühdosen-Skins und Talismane aufpeppen. Beides bekommt ihr in der Open World oder als Missionsbelohnung.
  • Einzigartige Waffen sind gewissermaßen Presets. Hier wurden Mods, Munition und Cosmetics schon eingesetzt und sind nicht veränderbar. Sie teilen allesamt ordentlich Schaden aus und bieten praktische Eigenschaften wie eine enorm hohe Schussfrequenz oder auch Gift- und Feuerschaden. In der Praxis haben wir deshalb fast ausschließlich die besonderen Waffen verwendet, was das eigentlich coole Basteln obsolet machte, wenn man nicht gezielt zum Beispiel einen Schleich-Build wollte und die passende Wumme samt Perk dafür noch nicht zur Hand hatte.

Die Waffenverbesserungen ersetzen gemeinsam mit der Kleidung, an die das Spiel ebenfalls Perks schraubt, komplett den Fähigkeitenbaum. Eine eigentlich clevere Entscheidung, weil wir Dani so viel freier gestalten und umdekorieren dürfen. In der Praxis geht so aber das Gefühl von echtem Fortschritt flöten, weil Chamäleon-Dani ständig die Farben wechselt und alles und nichts sein kann. Wir müssen uns nie festlegen. 

Deutlich mehr Wucht als unsere Entscheidungen bringen die Supremo-Rucksäcke mit, die Raketen, Gift oder Feuer auf die armen Gegnerseelen entladen. Ebenso die Improwaffen, die mit Flammenwerfern, Nagelpistolen, CD-Schleudern, Elektroschockern und mehr zu den spaßigsten Schießeisen zählen, die wir seit langen in einem Shooter erlebt haben. Da kommt fast etwas verlegen das Standard-Arsenal an Schrotflinten, Scharfschützen- und Sturmgewehren, Pistolen, Raketenwerfern oder Bögen noch obendrauf, muss sich aber eigentlich nicht verstecken.

Aus schnellen Maschinengewehren prasseln die Kugeln nur so auf Gegner ein, während der Lauf in Danis Hand so heiß läuft, dass er glüht. Schrotpatronen reißen Regime-Soldaten aus nächster Nähe die Füße weg und für einen präzisen Kopftreffer aus der Sniper halten wir den Atem an, zack, ein Wachposten sackt in sich zusammen oder ein Heli stürzt ab, weil wir seinem Piloten ein drittes Auge verpasst haben.

Aber das Trefferfeedback hat durchaus seine Schattenseiten - wenn auch weniger als in Far Cry 5. Wenn Danis selbst Feindfeuer einsteckt und die Panzergeschosse links und rechts in den Boden donnern, fühlt sich das … irgendwie großartig an. Aber je nach Waffe fliegen unsere Kugeln immer noch vermeintlich wirkungslos durch viele Feinde durch, bis ihre Lebensenergie auf null sinkt. Wie bei der Konkurrenz gibt es zwar optische und akustische Hitmarker, aber die kaschieren nur, dass der feindliche Kollege nicht wirklich darauf reagiert, dass ihm gerade eine Sturmgewehrkugel in der Schulter detoniert.

Und tschüss! Unserem Supremo hat der Heli wenig entgegenzusetzen. Und tschüss! Unserem Supremo hat der Heli wenig entgegenzusetzen.

Wie spielt man zusammen?

Schon Far Cry 5 war im Koop ein großer Spaß - und ein noch größeres Chaos. Far Cry 6 lässt sich erneut zusammen erleben, diesmal sogar mit einem kleinen Zugeständnis an Teamspieler: Ihr dürft die Ausrüstung behalten, die ihr in der Welt eines Kumpels erbeutet. Der Story-Fortschritt wird aber nicht übernommen - ein ziemlicher Wermutstropfen für alle, die die Geschichte gerne komplett zusammen durchspielen würden. 

Die gemeinsame Beutejagd gestaltet sich aber unkompliziert und unterhaltsam: Ihr wählt direkt im Spielmenü einfach einen Freund aus oder sucht per Matchmaking, schwupps, schon seid ihr in seiner Open World mit eurem eineigen Zwilling Dani 2.0. Gemeinsam plündert und erobert ihr, wobei ihr eure Ausrüstung aufeinander abstimmen dürft - einer kann zum Beispiel einen Heil-Supremo einpacken oder für Ablenkung mit härteren Geschützen sorgen, während der andere lautlos zum eigentlichen Ziel schleicht. Die Gegner skalieren mit, sind aber nur in großen Gruppen wirklich fordernd.

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