Seite 3: Gefangen im Netz - Über die Gefahren der Internetsucht

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Was zieht uns ins Netz?

Betroffene fühlen sich im Internet freier, besser verstanden, können leichter „sie selbst“ sein. Häufig betrachtet sich der User regelrecht als elitär und in seiner realen Umwelt überlegen denjenigen gegenüber, die im Gebrauch des Internets nicht ganz so routiniert sind. Eine verständnisvolle Gemeinschaft findet der Betroffene hingegen wieder nur im Netz. Dieses Erlebnis kann einen Anstieg von Dopamin zur Folge haben. „Wenn der Dopaminspiegel steigt, fühlen wir uns euphorisch. Dieser Prozess ist zwar von kurzer Dauer, aber äußerst intensiv, lustvoll und gewohnheitsbildend“, beschreibt Greenfield, ein ehemals selbst internetabhängiger, amerikanischer Psychologe und der Autor des Buches „Suchtfalle Internet“, den Prozess (S. 41, Greenfield).

„Menschen möchten angenehme Erlebnisse haben und meiden unangenehme Erfahrungen. Wenn wir etwas als lustvoll empfinden, versuchen wir, es zu wiederholen. Verglichen mit der mit einem Sucht-Kick verbundenen Euphorie erscheint das normale Leben grau und trostlos – viele Suchtformen entstehen aus einem allgemeinen Gefühl der Langeweile. Dieses kann ein Gefühl des Unbehagens und der inneren Unruhe erzeugen, dem viele Menschen zu entfliehen versuchen. (...) Anfangs handelt es sich nur um einen Versuch, ein Problem (Langeweile) zu lösen, aber im Laufe des Prozesses entwickelt sich die Sucht, die dann zu einem neuen Problem wird.“

Auf der Suche nach dem Unerreichbaren

Im Internet kann man sich auf eine Art und Weise äußern, zu der man im realen Leben nicht fähig wäre, und man kann Seiten seiner Persönlichkeit zum Ausdruck bringen, die man im wahren Leben versteckt. Dies wird als enthemmender Effekt bezeichnet. Die Selbstbeherrschung kann zu einem großen Teil aufgegeben werden, was sich durch ein gesteigertes Freiheitsgefühl bemerkbar macht. Dadurch kann der Eindruck entstehen, im Internet einen Kreis von Verbündeten entdeckt zu haben, dem man seine geheimsten Wünsche und Fantasien offenbaren kann, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die Gründe für Internetsucht liegen, wie bei anderen Süchten auch, in „der Suche nach etwas, das wir nie besitzen oder erreichen können (S. 25, Farke).“

Die Betroffenen setzen sich in ihrem realen Leben nicht mehr mit ihren Problemen auseinander, sprechen nicht mehr über Träume, Ziele und Fantasien. Im Kontrast zur verständnisvollen Internetgemeinde steht das reale soziale Umfeld, das Kritik ausübt, sodass sich der Betroffene schließlich abwendet und seine neue „Familie“ im Internet aufbaut, in Rollenspielen, bei MySpace – oder wo auch immer vermeintlich adäquater Ersatz gefunden wird. Eine Betroffene schildert in Farkes Buch: „Deine reale Umwelt reagiert negativ auf dein neues Leben. Das erhöht die Mauer, denn sie verstehen dich einfach nicht. Trost, Zuspruch und Zuwendung findest du im Internet, in deiner neuen Welt! (S. 32,Farke)“

Negativaspekte summieren sich

Gleichzeitig bekommt der Betroffene häufig Schuldgefühle, wenn es um die Zeit geht, die auch mit realen Freunden oder mit Arbeit verbracht werden könnte. Wer sich hier zum Teil wiedererkennt, sollte überprüfen, ob er in der Lage ist, seine Onlinezeit zu beschränken beziehungsweise eine Zeit lang ganz auf das Internet zu verzichten. Internetsüchtige ziehen sich immer mehr in ihr sprichwörtliches Kämmerlein zurück, nehmen Einladungen höchstens noch zu Raids wahr, das Familienleben verliert rasant an Bedeutung.

Betroffene vermeiden es sogar, in den Urlaub zu fahren, sofern es am Zielort keine Möglichkeit gibt, ins Internet zu gelangen. In Gesprächen im realen Leben dreht sich alles um Computerthemen. Können die Gesprächspartner nicht mithalten, folgt wieder der Gang ins Internet, wo man sich in der bevorzugten Umgebung über die Unwissenden amüsiert. Beziehungspartner eines Süchtigen fragen sich, welche Bedeutung ihr Dasein für den Betroffenen überhaupt noch hat. Wenn Außenstehende auf die Lage aufmerksam machen wollen, reagiert der Betroffene häufig ärgerlich, gereizt und streitet die Vorwürfe heftig ab.

Keine Zeit für das echte Leben

Möglicherweise ist ihm längst bewusst, dass sein Verhalten über ein gesundes Maß hinausgeht, jedoch flüchtet er sich vor sich selbst in immer neue Ausreden und Einwände, um dann doch wieder an den Rechner zu gehen. Aggressive Reaktionen auf die offene Ansprache des Problems durch das Umfeld sind keine Seltenheit. Der Kontakt zum richtigen Leben bricht mehr oder weniger ab, das gesamte soziale Leben spielt sich nur noch im Internet ab, der Betroffene findet online neue Freunde und Anerkennung.

Die Zeit, die ins Internet investiert wird, fehlt an anderen Stellen – zur Aufrechterhaltung und Pflege von vorhandenen, echten Beziehungen. Internetsucht birgt die Gefahr der totalen Abkapselung von der realen Welt, sie gefährdet den Arbeitsplatz, die Partnerschaft beziehungsweise das Familienleben, Kinder werden vernachlässigt, und sie birgt das Risiko massiver gesundheitlicher Probleme wie Haltungs- und Augenschäden, mangelhafte Ernährung, Depressionen, Schlafstörungen sowie Verspannungs- und Stresskopfschmerzen. Finanzielle Verluste kommen bei übertriebenem Auktionsenthusiasmus ebenfalls auf die Liste der Negativaspekte.

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