Gloomhaven: Die Pranken des Löwen – Heikos Geheimtipp, wie ihr eure Freunde endlich zu Nerds macht

Ein Brettspiel schafft das Unmögliche: Es verpackt ein nerdiges Fantasy-Rollenspiel derart clever, dass wirklich jeder dessen Faszination genießen kann.

Heikos Geheimtipp Gloomhaven: Die Pranken des Löwen nimmt auf dem Tisch nicht mehr Platz ein als ein "normales" Brettspiel, verwandelt eure Freunde aber derart clever und schleichend in Nerds, dass sie es gar nicht mitkriegen. Heikos Geheimtipp Gloomhaven: Die Pranken des Löwen nimmt auf dem Tisch nicht mehr Platz ein als ein "normales" Brettspiel, verwandelt eure Freunde aber derart clever und schleichend in Nerds, dass sie es gar nicht mitkriegen.

Ihr kennt das: Eigentlich würdet ihr beim Brettspielabend viel lieber mit euren Liebsten und Freunden mal so richtig amtlich abnerden, und dann landet doch wieder Die Siedler von Catan oder Carcassonne auf dem Tisch, weil dieses Tabletop-Gedöns "viel zu aufwändig und kompliziert" ist.

Also sucht ihr weiter verzweifelt nach Mitspielern, die zu schätzen wissen, wie viel Spaß in einer 10 Kilo schweren Box mit Dutzenden Miniaturen und dickem Regelbuch stecken kann, so man denn mal die Anfangshürden überwunden hat. Und anders als bei Computerspielen könnt ihr eben nicht einfach das Matchmaking anwerfen, sondern braucht Gleichgesinnte, die gemeinsam am Tisch sitzend und im besten Fall noch wöchentlich in die faszinierende Welt der Tabletop-Spiele abtauchen wollen.

Exemplarisch für dieses Dilemma steht das Meisterwerk Gloomhaven: Es gilt laut Ranking der weltweit größten Tabletop-Community Boardgame Geek als das beste Brettspiel aller Zeiten, und das meiner Meinung nach völlig zu Recht. Aber Gloomhaven steckt eben genau in solch einer angstmachenden 10-Kilo-Box, die es in unnerdigen Brettspielrunden nie auf den Tisch schafft.

Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet Gloomhaven dieses Dilemma zumindest für mich jetzt gelöst hat - mit dem Ableger Gloomhaven: Die Pranken des Löwen. Für mich ist das tatsächlich die schönste Spieleüberraschung der letzten Monate, weil sie es mir endlich erlaubt, meine Begeisterung für nerdige Brettspiel mit Menschen zu teilen, die bisher davor - aus durchaus nachvollziehbaren Gründen - zurückgeschreckt sind. Und das möchte ich gern mit euch teilen.

Der Autor

GameStar-Chefredakteur Heiko Klinge entdeckte seine Liebe zu nerdigen Brettspielen bereits als Steppke mit dem legendären Hero Quest. Anschließend ging es als Teenager weiter mit ausgeprägter Magic-Obsession, bevor er sich mangels passender Mitspieler und natürlich auch berufsbedingt mehr auf PC- und Videospiele fokussierte. Seit ein paar Jahren ist seine alte Liebe für Brettspiele allerdings wieder aufgeflammt. Neben Gloomhaven landen aktuell auch The 7th Continent sowie Massive Darkness regelmäßig auf dem Tisch, die sich allesamt sowohl allein als auch mit der Gattin spielen lassen.

Warum Gloomhaven ein Meisterwerk ist

Gloomhaven: Die Pranken des Löwen ändert grundsätzlich nichts am genialen Grundprinzip des großen Bruders. In einer faszinierend gestalteten, düsteren Fantasywelt fernab der üblichen Klischees erlebt ihr kampflastige Dungeon-Abenteuer mit zwei bis vier Helden. Es gibt keine Würfel, stattdessen basieren sämtliche Aktionen von Monstern wie Helden auf Karten, was in jedem Zug für knifflige Entscheidungen und spannende Situationen sorgt.

Die zweite Besonderheit des Gloomhaven-Prinzips: Es handelt sich um ein kampagnenbasiertes Legacy Game, was bedeutet, dass es sich in vielerlei Hinsicht wie ein klassisches Computer-Rollenspiel anfühlt. Ihr schaltet im Verlauf der Geschichte ständig neue Orte, Gegner, Fähigkeiten, Geschichten und sogar Helden frei. Ihr öffnet verschlossene Boxen und Umschläge und müsst im Kampagnenverlauf immer wieder Entscheidungen treffen, die sich auf spätere Ereignisse und Missionen auswirken. All das ist nahezu perfekt ausbalanciert und beschäftigt selbst regelmäßig spielende Gruppen für Monate.

Wie Gloomhaven Nicht-Nerds überlistet

Der Trick von Die Pranken des Löwen: Es verpackt das geniale Grundprinzip von Gloomhaven dermaßen clever in leicht verdauliche Einzelhäppchen, dass es nicht nur in eine normal große Box passt, sondern wirklich für alle genießbar wird, die Brettspiele mögen und keine Allergie gegen Fantasy-Szenarien haben. Und das ohne dabei an Spannung oder Komplexität einzubüßen.

Während ihr beim großen Bruder allein fürs Aufbauen rund 30 Minuten braucht, habt ihr bei Die Pranken des Löwen innerhalb von fünf Minuten alles fix und fertig auf dem Tisch. Statt die einzelnen Dungeons mühsam mit Spielplan-Pappen zusammensuchen und -stecken zu müssen, spielt ihr hier direkt auf einem unfassbar smart designten Ringbuch. Der Dungeon ist vorgefertigt aufgemalt, atmosphärische und erklärende Texte findet ihr direkt daneben, ohne sie in separaten Questbüchern nachschlagen zu müssen.

Gloomhaven: Das Dungeon-Buch Eure Abenteuer spielt ihr direkt auf einem clever designten Ringbuch mir ergänzenden Texten, was massiv Aufbauzeit spart und einige clevere Missionsideen ermöglicht.

Der Spielleitfaden Dank des Spielleitfadens müsst ihr nicht erstmal aller Regeln durchackern, sondern lernt Gloomhaven quasi beim Spielen. Mit jeder Mission kommen neue Elemente hinzu, die stets präzise erklärt werden und anschließend direkt Anwendung finden.

Beim ersten Auspacken müsst ihr zwar ein wenig Zeit fürs Sortieren investieren, anschließend sieht die Box aber dank mitgelieferter Tütchen, Kartentrenner und sogar einer verschließbaren Markerbox aufgeräumter und einladender aus als bei vielen Casual-Brettspielen.

Und das Bemerkenswerteste: Statt erstmal die kompletten Regeln durchzuackern, könnt ihr direkt loslegen und lernt quasi beim Spielen. Die Pranken des Löwen enthält keine klassische Anleitung, sondern einen Spielleitfaden, der euch wie in einem guten Videospieltutorial während der ersten fünf Missionen schrittweise und mit präzisen Anweisungen alles erklärt, was ihr wissen müsst. Solltet ihr bei späteren Partien was vergessen haben, schlagt ihr es einfach im ebenfalls mitgelieferten Glossar nach. Übrigens alles großartig ins Deutsche übersetzt.

Ihr müsst euren liebsten Nicht-Nerds also keine Regeln erklären (und ihnen dabei ständig versichern, dass es voll super wird, wenn man erstmal alles verstanden hat), sondern lest einfach nur aus dem Leitfaden vor, wann immer ihr dazu aufgefordert werdet und lasst ansonsten das Spiel den Rest erledigen.

Weshalb es genau das Richtige für den Lockdown ist

Die Kampagne von Die Pranken des Löwen umfasst 25 Missionen, was einerseits deutlich weniger ist als die 95 des großen Bruders, aber andererseits nicht-nerdige Mitstreiter auch deutlich weniger einschüchtert und mit rund 20-30 Stunden Kampagnen-Spielzeit trotzdem mehr als genügend Stoff für viele schöne Abende liefert.

Mir ist klar, dass es mit den geselligen Runden gerade deutlich schwieriger ist als gewohnt. Aber es gibt ja auch noch Geschwister, Partner und WG-Freunde. Brettspiele sind zumindest für mich ein wunderbares Mittel, um in Zeiten des Lockdowns im wahrsten Sinne des Wortes an einen Tisch zu kommen und im direkten Austausch gemeinsam eine gute Zeit zu haben. Und falls es mit der Nerdifizierung eurer Liebsten genauso gut funktioniert wie bei mir, könnt ihr im Anschluss an Die Pranken des Löwen gleich mit dem großen Gloomhaven weitermachen, denn Missionen und Charakterklassen sind untereinander kompatibel.

Davon abgesehen zählt Gloomhaven: Die Pranken des Löwen zu den wenigen Brettspielen, die auch allein sehr viel Spaß machen. Ihr spielt dann zwei Helden gleichzeitig, was die Kämpfe sogar einen Tick taktischer macht, weil ihr die Aktionen präziser aufeinander abstimmen könnt. Natürlich geht der kommunikative Aspekt flöten, als analoge Alternative zu einer durchzockten Nacht taugt es aber allemal.

»Es ist überraschend, wie viele Überschneidungen es gibt« - Deutsche Entwickler über Brettspiele vs. Computerspiele Video starten PLUS 26:05 »Es ist überraschend, wie viele Überschneidungen es gibt« - Deutsche Entwickler über Brettspiele vs. Computerspiele

Für mich zählt Gloomhaven: Die Pranken des Löwen jedenfalls zum Besten, was ich die letzten Jahre gespielt habe - und ja, das schließt PC- und Videospiele mit ein. Außerdem muss sich ja schließlich irgendwer um eine angemessene Nerdifizierung unserer Umgebung kümmern. Und wenn nicht wir, wer dann?

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